Zur verspäteten Aktenvorlage von Kurz & Blümel

17.05.2021

Was muss man sich seit Monaten, ob man will oder nicht, nicht alles anhören, über sich ergehen lassen. Kurz, Blümel & Co nähmen es mit dem Rechtsstaat nicht so genau, würden ihn torpedieren, untergraben, aushebeln wollen. Die Republik verkomme zu einem instrumentalisierten "Spielzeug" zügelloser türkiser Machtpolitik, zu einem, eigennutzbefeuerten, verkommenen Regierungsgebärden, das nicht länger erträglich, der Bevölkerung nicht mehr zumutbar sei.

Kurz & Blümel wird insbesondere vorgeworfen, sie hätten im Rahmen des sog. "Ibiza-Ausschusses" Unterlagen, Akten, Emails sowie sonstiges Beweismaterial entweder gar nicht oder verspätet geliefert, um damit die Ermittlungen des Ausschusses zu verzögern und zu behindern und u.a. auch dadurch gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen. Kurz & Blümel "rechtfertigen" sich dahingehend, sie hätten einerseits ohnedies "alles" geliefert, andererseits hätten sie, im Rahmen ihrer "Personalhoheit", schutzwürdige Interessen von Mitarbeitern, insbesondere das Datenschutzrecht, berücksichtigen müssen. So zumindest die "Behauptungen" von Kurz & Blümel, die sie bis heute aufrechterhalten, argumentativ gegen Entscheidungen des Höchstgerichtes ins Treffen führen. "Namhafte" bzw. "hochrangige" türkise ÖVP-Politiker, wie Elisabeth Köstinger, Andreas Hanger, August Wöginger, Susanne Raab oder Karoline Edtstadler teilen diese (falsche) Ansicht.

Aus den vier Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes im Zusammenhang mit dem Zurverfügungstellen von Unterlagen, Akten, Emails sowie sonstigem Beweismaterial (UA 1/2021-13 3. März 2021, UA 1/2021-39 5. Mai 2021, UA 3/2021-16 10. Mai 2021, UA 4/2021-18 10. Mai 2021) ergibt sich unmissverständlich, dass sich Kurz & Blümel - über mehrere Monate hinweg - rechtswidrig verhalten haben. Ob bewusst oder unbewusst ist dabei nicht von entscheidender Relevanz. Die Verletzung von Rechtsvorschriften ist evident.

Liest man die zitierten Entscheidungen aufmerksam und mit entsprechender Rechtskenntnis, ergibt sich daraus zweifelsfrei, dass Kurz & Blümel bereits 14 Tage nach der Anforderung durch den U-Ausschuss verpflichtet gewesen wären, den "Beweismittelanforderungen" zu entsprechen; dies vorbehaltlich begründeter behaupteter Einwendungen. Jetzt wurde zwar, wie man in den Erkenntnissen des VfGH nachlesen kann, sehr viel behauptet aber nichts begründet. Erst im Nachhinein haben Kurz & Blümel Einwendungen erhoben, die jedoch, auch das ist in den Erkenntnissen nachzulesen, verfristet, folglich irrelevant waren.

Selbst Kurz & Blümel, zumindest aber deren rechtsfreundlichen Vertretern, wäre die Kenntnis der Rechtslage zuzutrauen gewesen. Die nachträglichen "Rechtfertigungsversuche" von Kurz & Blümel waren demnach offenbar nur dazu "erforderlich", die verpflichtende Vorlage von Beweismitteln hinauszuzögern.

Diese, eindeutig rechtswidrige, "Vorgangsweise" von Kurz & Blümel begründet der VfGH (betreffend den Finanzminister) u.a. wie folgt:

"1.5. Mit Verlangen vom 30. September 2020 wurde der Bundesminister für Finanzen (näher begründet) aufgefordert, binnen zwei Wochen näher bezeichnete Akten und Unterlagen vorzulegen.

1.6. Mit Schreiben vom 14. Oktober 2020 hat der Bundesminister für Finanzen nach Durchführung der verlangten Erhebungen eine "Leermeldung" erstattet.

1.7. Auf Nachfrage der Parlamentsdirektion hat der Bundesminister für Finanzen mit Schreiben vom 23. Oktober 2020 u.a. mitgeteilt, er habe zur Feststellung des Umfanges der Vorlageverpflichtung iSd Art. 53 Abs. 3 B-VG den grundsätzlichen und den ergänzenden Beweisbeschluss sowie das oben erwähnte Verlangen vom 30. September 2020 dahingehend interpretiert, dass nur all jene Akten und Unterlagen vorzulegen seien, die in unmittelbarem, materiellem Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stünden. Erhebungen hätten ergeben, dass solche Unterlagen bereits in den bisherigen Lieferungen vollständig vorgelegt worden seien.

1.8. Mit Verlangen vom 11. November 2020 wurde das oben erwähnte Verlangen vom 30. September nahezu wortgleich wiederholt und der Bundesminister für Finanzen zusätzlich darauf hingewiesen, dass eine eigenständige, einschränkende Interpretation der ergänzenden Beweisanforderung nicht zulässig sei, sodass alle Akten und Unterlagen vorzulegen seien, die von zumindest abstrakter Relevanz im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand sein könnten.

1.9. In seinem Schreiben vom 25. November 2020 hat der Bundesminister für Finanzen sein Schreiben vom 23. Oktober 2020 nahezu wortgleich wiederholt.

1.10. In der 29. Sitzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses am 13. Jänner 2021 wurde der Bundesminister für Finanzen gemäß § 27 Abs. 4 VO-UA aufgefordert, 11 12 13 14 15 16UA 1/2021-13 03.03.2021 15 von 47 "binnen zwei Wochen seiner Verpflichtung zur Vorlage folgender Akten und Unterlagen nachzukommen:

1. Alle Akten und Unterlagen, die seit dem 11.12.2019 mit Bezug auf den Untersuchungszeitraum erstellt wurden, insbesondere Briefings für den Bundesminister und sein Kabinett und Beantwortungen parlamentarischer Anfragen;

2. Alle Akten und Unterlagen in Zusammenhang mit den Sitzungen des ÖBIB[1]Nominierungskomitees im Jahr 2018;

3. Aufzeichnungen über den Zutritt von H[.] N[.], J[.] P[.], B[.] G[.]-K[.], W[.] R[.] in Amtsräume des BMF sowie alle Akten und Unterlagen, die Informationen über Inhalt und TeilnehmerInnen der von ihnen wahrgenommenen Termine enthalten;

4. Vollständige E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherte Dateien der Bediensteten der Abteilung I/5 E[.] G[.], A[.] M[.] und G[.] B[.];

5. nicht-veraktete Unterlagen wie insbesondere handschriftliche Notizen, Entwürfe, Handakten und Vermerke der Abteilung I/5;

6. Sicherung des E-Mail-Postfachs von B[.] S[.];

7. Von Bediensteten des BMF empfangene E-Mails von T[.] S[.], E[.] H[.]-S[.], M[.] K[.], B[.] P[.] und M[.] L[.];

8. Vollständiges E-Mail-Postfach von E[.] M[.]. [...]

Die Definition von Akten und Unterlagen sowie die sonstigen Anforderungen des ergänzenden grundsätzlichen Beweisbeschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrats vom 9.3.2020 (vgl. 4/KOMM XXVII.GP) sind anzuwenden. Die Vorlagefrist beträgt zwei Wochen. Mit Schreiben vom 25.11.2020 teilte der Bundesminister für Finanzen seine Ansicht mit, wonach alle angeforderten Akten und Unterlagen bereits übermittelt worden seien. Weitere Begründungen für eine Nichtvorlage enthielt das Schreiben nicht. Nach Überprüfung der bisherigen Lieferungen des Bundesministers für Finanzen an den Ibiza-Untersuchungsausschuss ergibt sich jedoch eindeutig, dass die angeforderten Akten und Unterlagen nur in sehr eingeschränktem Ausmaß (in Hinblick auf die Z 1, 2 und 7 und auch dort nur teilweise) vorgelegt wurden, obwohl die Relevanz der diesbezüglichen Akten und Unterlagen vom Untersuchungsausschuss im Einzelnen dargelegt wurde. Der Bundesminister für Finanzen ist daher seiner Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands nicht bzw. ungenügend nachgekommen." (...)

Bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 19.973/2015 habe der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass das Vorbringen, Akten und Unterlagen seien nicht vom Untersuchungsgegenstand erfasst, hinreichend detailliert zu begründen sei und eine entsprechende bloße Behauptung nicht ausreiche.

Entgegen der Auffassung des Bundesministers für Finanzen hat der Verfassungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 3. März 2021, UA 1/2021, einen Leistungsausspruch getroffen. (...)

Hinsichtlich des Umfangs der nach Spruchpunkt I. des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2021, UA 1/2021, vorzulegenden Akten und Unterlagen unterliegt der Bundesminister für Finanzen ebenfalls einem Missverständnis: In seiner bisherigen Judikatur hat der Verfassungsgerichtshof hinreichend klargestellt, dass die Beurteilung der Vorlageverpflichtung betreffend Akten und Unterlagen und damit der Frage, ob für den Untersuchungsausschuss angeforderte Akten und Unterlagen gemäß Art. 53 Abs. 3 B-VG vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind, zunächst dem informationspflichtigen Organ obliegt. Eine Ablehnung der Vorlage erfordert vom vorlagepflichtigen Organ die Behauptung, dass der sachliche Geltungsbereich von Art. 53 Abs. 3 B-VG mangels Vorliegens eines Zusammenhanges mit dem Untersuchungsgegenstand nicht gegeben ist. Neben der Behauptungspflicht trifft das Organ auch eine auf die einzelnen - von der sonst bestehenden Vorlagepflicht des Art. 53 Abs. 3 B-VG erfassten - Akten und Unterlagen näher bezogene, substantiierte Begründungspflicht für die fehlende (potentielle) abstrakte Relevanz der nicht vorgelegten Akten und Unterlagen (vgl. VfGH 3.3.2021, UA 1/2021 mwN).

Eine Eingrenzung bzw. Durchführung einer Strukturierung einer (elektronischen) Suche im Rahmen des Exekutionsverfahrens, die auf das Selektieren anderer als rein privater oder bereits vorgelegter Dateien (vgl. Spruchpunkt II. des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2021, UA 1/2021) abstellt, wie dies vom Bundesminister für Finanzen vorgeschlagen wird, kommt allerdings nicht (mehr) in Betracht."

Bei Bundeskanzler Kurz klingt das ähnlich:

"1.5. Mit Verlangen vom 24. Juni 2020 wurde der Bundeskanzler (näher begründet) aufgefordert, binnen zwei Wochen näher bezeichnete Akten und Unterlagen vorzulegen.

1.6. Mit Schreiben vom 25. Juni 2020 hat der Bundeskanzler mitgeteilt, seiner Vorlagepflicht sowohl auf Grund des grundsätzlichen als auch auf Grund des ergänzenden grundsätzlichen Beweisbeschlusses vollumfänglich nachgekommen zu sein, weshalb keine weiteren Unterlagen übermittelt werden könnten.

1.7. Mit Verlangen vom 21. Oktober 2020 wurde der Bundeskanzler (näher begründet) aufgefordert, binnen zwei Wochen bestimmte andere als davor verlangte Akten und Unterlagen vorzulegen. 8 9 10 11 12 13UA 4/2021-18 10.05.2021 16 von 52

1.8. Mit Schreiben vom 11. November 2020 hat der Bundeskanzler wiederum mitgeteilt, seiner Vorlagepflicht in näher bezeichneten Lieferungen bereits nachgekommen zu sein.

1.9. Mit Verlangen vom 11. November 2020 wurde der Bundeskanzler (näher begründet) aufgefordert, binnen zwei Wochen bestimmte andere als davor verlangte Akten und Unterlagen vorzulegen.

1.10. In seinem Schreiben vom 27. November 2020 hat der Bundeskanzler sein Schreiben vom 11. November 2020 in Bezug auf die nunmehr angeforderten Akten und Unterlagen wortgleich wiederholt.

1.11. Mit weiterem Verlangen vom 11. November 2020 wurde der Bundeskanzler (näher begründet) aufgefordert, binnen zwei Wochen bestimmte weitere Akten und Unterlagen vorzulegen.

1.12. In seinem Schreiben vom 16. Dezember 2020 hat der Bundeskanzler seine Schreiben vom 11. und 27. November 2020 auch in Bezug auf diese angeforderten Akten und Unterlagen nahezu wortgleich wiederholt. (...)

2.5. Der Bundeskanzler hat seiner Begründungspflicht hinsichtlich der Ablehnung der Vorlage angeforderter Akten und Unterlagen gegenüber dem Ibiza[1]Untersuchungsausschuss nicht hinreichend entsprochen:

2.6. Der Bundeskanzler ist im vorliegenden Fall als vorlagepflichtiges Organ grundsätzlich zur Vorlage aller vom einschreitenden Viertel des Untersuchungsausschusses begehrten Akten und Unterlagen verpflichtet, außer er legt mit hinreichender Begründung dar, warum bestimmte Akten und Unterlagen nicht von (potentieller) abstrakter Relevanz für den Untersuchungsgegenstand sind. Da der Bundeskanzler lediglich seiner diesbezüglichen Behauptungs-, nicht aber auch seiner Begründungspflicht gegenüber dem Ibiza-Untersuchungsausschuss entsprochen hat, ist er verpflichtet, diesem sämtliche von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses begehrten Akten und Unterlagen vorzulegen (vgl. VfGH 2.12.2020, UA 3/2020; 3.3.2021, UA 1/2021). (...)

2.8. Zudem hat der Bundeskanzler in Reaktion auf (zahlreiche) ergänzende Beweisanforderungen gemäß § 25 Abs. 2 VO-UA des Untersuchungsausschusses zwar Dokumente übermittelt, es aber verabsäumt, hinsichtlich der nicht vorgelegten Akten und Unterlagen eine Begründung zu liefern, aus der hervorginge, um welche Art von Akten und Unterlagen es sich dabei handelte, und an Hand der sich die Feststellung der Nichtzugehörigkeit zum Untersuchungsgegenstand für das verlangende Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nachvollziehen ließe.

2.9. Damit hat der Bundeskanzler lediglich seiner Behauptungs-, nicht aber auch seiner diesbezüglichen Begründungspflicht gegenüber dem Ibiza Untersuchungsausschuss entsprochen. (...)

2.11. Unzutreffend ist die Auffassung des Bundeskanzlers, (auch) gegenüber dem Verfassungsgerichtshof nicht zur Vorlage der Bezug habenden Akten und Unter[1]lagen verpflichtet zu sein. (...)

Allfällige dienstrechtliche Vorgaben - etwa auch die Regelungen des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 - entbinden das vorlagepflichtige Organ nämlich nicht von seiner Verpflichtung gemäß Art. 53 B-VG sowie § 20 Abs. 3 VfGG, die angeforderten Akten und Unterlagen dem Verfassungsgerichtshof (vollständig) vorzulegen, damit dieser seiner sich aus Art. 138b Abs. 1 Z 4 B-VG ergebenden Entscheidungspflicht nachkommen kann.

2.11.3. Die nur dem Verfassungsgerichtshof - letztlich - vorgelegten 692 Rückmeldungen von Bediensteten des Bundeskanzleramts auf die Aufforderung zur Suche nach abstrakt für den Untersuchungsgegenstand relevanten Akten und Unterlagen sind das Ergebnis des Suchprozesses innerhalb des Bundeskanzleramts; sie entsprechen bei weitem nicht dem Anspruch an eine umfassende Aktenvorlage.

2.11.4. Darüber hinaus hält der Verfassungsgerichtshof zur Klarstellung fest, dass die Unterlassung der (vollständigen) Vorlage der Akten und Unterlagen durch das vorlagepflichtige Organ an den Verfassungsgerichtshof bewirkt, dass dieser auch nur auf Grund des Vorbringens der Antragsteller erkennen kann.

2.12. Kommt das vorlagepflichtige Organ nur seiner Behauptungspflicht nach, begründet es aber die Ablehnung der geforderten Akten und Unterlagen gegen[1]über dem Untersuchungsausschuss nicht oder in ungenügender Weise, gelten die von der antragstellenden Minderheit angeforderten Akten und Unterlagen als vom Untersuchungsgegenstand erfasst, weswegen auszusprechen ist, dass alle in Rede stehenden Akten und Unterlagen dem Untersuchungsausschuss vorzulegen sind.

2.13. Da der Bundeskanzler somit seiner diesbezüglichen Begründungspflicht gegenüber dem Ibiza-Untersuchungsausschuss nicht hinreichend entsprochen hat, ist er verpflichtet, diesem die in Rede stehenden Akten und Unterlagen vorzulegen (vgl. VfGH 3.3.2021, UA 1/2021 mwN)."

Das Verhalten von Kurz & Blümel, nämlich ihren gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachzukommen, ist, nicht zuletzt aufgrund der Entscheidungen des VfGH, nur so erklären, dass man entweder nicht in der Lage war, die eindeutige rechtliche Situation zu verstehen, oder eben nicht willens, ihr zu entsprechen. Das eine wäre Dummheit, das andere rechtswidriges Verhalten. Wofür man sich entscheidet, ist Geschmackssache. Delikat ist beides allemal, in jedem Fall aber ein untrügliches Indiz dafür, wie pejorativ Bundeskanzler und Finanzminister dem Rechtsstaat und parlamentarischen Institutionen gegenüber aufzutreten bereit sind.

Chr. Brugger

17.05.2021