Zum Anti-Terror-Paket "Marke Nehammer"

08.05.2021

Im Rahmen einer Pressekonferenz haben Innenminister, Justizministerin sowie Frauen- und Integrationsministerin gestern das "Anti-Terror-Paket" vorgestellt.

Das Positive zuerst: Für die Terrorismusbekämpfung bzw. die innerstaatliche Sicherheit soll ein "mehr an Budget-Mitteln" in Höhe von € 125.00.000,00 zur Verfügung gestellt werden. Ein durchaus stattlicher Betrag - gerade in einer Zeit, in der es, teilwiese pandemiebedingt, um den Staatshaushalt wahrlich nicht zum Besten steht.

Nach dieser "Message" bzw. diesem Eingangsstatement haben die Minister Nehammer, Zadić und Raab das Paket präsentiert und damit sich nicht nur blamiert, sondern einmal mehr den Nachweis erbracht, wie man, unter dem Deckmäntelchen staatstragender Verantwortung, Bevölkerung und Medienvertreter vorführen bzw. bloßstellen will.

Anders ist diese Zurschaustellung hanebüchenen Unvermögens nicht mehr zu erklären; ernst gemeint kann das Dargebotene kaum gewesen sein. Das traue ich selbst dieser Bundesregierung nicht zu.

Nehammer:

Man habe das Staatsbürgerschaftsgesetz verschärft - nicht länger Doppelstaatsbürgerschaften für verurteilte Terroristen (!!!). Eine große Errungenschaft: Die Verschärfung des Symbole-Gesetzes (!!!). Nun sei von diesem Gesetz künftig die gesamte Hisbollah und nicht nur deren militärischer Teil umfasst (!!!). - Anm: Auf die Taliban, Boko Haram und z.B. die Maoisten in Nepal haben Nehammer und seine Fachexperten vergessen.

Man habe das Waffengesetz verschärft: Gegen, wegen Terrors, Verurteilte könne künftig ein lebenslanges Waffenverbot erlassen werden (!!!). Man habe, darüber hinaus, auch noch das Vereinsgesetz verschärft (!!!) und über die Struktur der "neuen" Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst mache man sich ab dem Sommer Gedanken (!!!).

Zadic:

Fall- und Entlassungskonferenzen - eine "revolutionäre" Idee - "wurde sehr gelobt". Bei bedingten Entlassungen könnten in Zukunft gerichtliche Weisungen überwacht werden. Man habe penibel darauf geachtet, dass der (ausgewogene) Entwurf grundrechtskonform sein (!!!); Extremismus-Prävention soll neuerdings u.a. durch Online-Streetworker durchgeführt werden (!!!).

Raab:

Die ministeriellen Fachexperten hätten Großartiges geleistet (!!!). Es handle sich um ein solides, verfassungskonformes Gesetzespaket. Gesetzliche "Lücken" seien geschlossen worden; man habe nachgeschärft (!!!). Der große Renner: Änderungen im Islamgesetz - eine Liste aller Imame, radikale Moscheen soll man schneller schließen können (!!!). Durch "Nachschärfungen" im Islamgesetz könnten künftig "Umgehungskonstruktionen" vermieden werden (!!!). Auf Nachfrage: "Es muss doch unser aller Ziel sein, dass jede Lücke explizit geschlossen wird" (!!!).


Ich habe mir diese "Wahnsinnsaktion" von Nehammer, Zadić und Raab ein zweites Mal "angetan", weil ich nicht glauben konnte, was diese drei Personen, allesamt auch noch Bundeminister der Republik Österreich, da veranstaltet haben. Das war, man möge mir den Ausdruck verzeihen, nur ein infames Schmierentheater übelster Kategorie.

Wenn dieses Anti-Terror-Paket die "logische Konsequenz" des Terroranschlages vom 02.11.2020 sein sollt, kann und darf das nicht ernst gemeint sein. Es handelt sich dabei - und das ist das eigentlich Verwerfliche - um einen Schlag ins Gesicht jedes Angehörigen eines der Opfer der Tat vom Allerseelentag 2020. Die "Reaktion" der Bundesregierung ist ein Hohn, eine verabscheuungswürdige, zynische Geste und eines Rechtsstaates, wie Österreich einer sein sollte, absolut nicht würdig. Nehammer fabuliert über das Symbole-Gesetz, Ustascha, Al-Quaida und Graue Wölfe, Selbstverständlichkeiten im Staatsbürgerschafts- und Waffengesetz. Sonst gibt es, allem Anschein nach, nichts zu sagen. Zadić stottert sich durch das "angehäufte" Lob für den Gesetzesentwurf, sich von selbst verstehende Fall- oder Entlassungskonferenzen. Raab wiederum will Lücken schließen, wo es gar keine Lücken gibt - und das nennt man dann einen "gelungenen, ausgewogenen und grundrechts- und verfassungskonformen" Entwurf. 

Da passt es dann auch noch gut in das fratzenhafte Bild, dass Nehammer (auf Frage eines ORF-Journalisten) das Verhalten des Finanzministers (Stichwort: Exekution eines Urteiles des VfGH durch den Bundespräsidenten) verteidigt; soweit er "in Kenntnis sei", habe das Finanzministerium gewissenhaft geprüft, ob Grund- und Datenschutzrechte von Mitarbeitern betroffen gewesen seien - das habe dann, bei nötiger Gewichtung, so lange gedauert. Scheinbar leidet auch Nehammer an Dyslexie - der Finanzminister hat zu liefern: Ohne Wenn und Aber, ohne Möglichkeit, Rechte Dritter zu prüfen, ohne Möglichkeit, datenschutzrechtliche Aspekte aus eigenem Antrieb zu beleuchten (nachzulesen in: VfGH, UA 1/2021, 03.03.2021).

Und zu guter Letzt:

Der von allen Seiten, insbesondere allen Experten, "inkriminierte" § 112a StPO (neu) ist weiterhin Bestandteil des Anti-Terror-Paktes. Sinn und Zweck dieser Bestimmung haben zwar mit Antiterrorschutz absolut nichts zu tun; damit wird (es wurde ja schon hinlänglich dazu geschrieben und berichtet) bloß ein (weiterer) Versuch unternommen, künftig den Rechtsstaat noch besser untergraben und desavouieren zu können. Die neueste "Causa Blümel" wird solcherart scheinbar zum Anlass neuer Gesetzgebung der ganz besonderen Art. Auch das ist für die Einstellung der Bundesregierung gegenüber dem rechtsstaatlichen Prinzip signifikant wie alarmierend zugleich.

Für so einen ärgerlichen wie endzweck- und zahnlosen Gesetzesentwurf würde selbst jeder drittklassige, erst-semestrige Student der Rechtswissenschaften seine Autorenschaft verweigern. Raab aber ist sich nicht schlecht genug zu erwähnen, die ministeriellen Fachexperten (!!!) hätten Großartiges geleistet; im besten Fall aber hat man sich etwas geleistet - allerdings auf Kosten jedes einzelnen Staatsbürgers.

Man hätte, guten Willen und entsprechendes Wollen vorausgesetzt, das angestrebte Ziel des nunmehrigen Anti-Terror-Pakets problemlos auf Basis der aktuellen Rechtslage erreichen können. Das Anti-Terror-Paket ist insofern schon dem Grunde nach überflüssig. Es kommt dadurch nur zu einer weiteren, unnötigen, Deregulierung, zu einem unerwünschten Eingriff in die erforderliche Einheit des bislang klaglos funktionierenden Rechtssystems bzw. der Rechtsordnung an sich.


Chr. Brugger

08.05.2021