Wiener Philharmoniker geimpft
Die Wogen gehen hoch im Lande Österreich. Bestätigten Meldungen zufolge haben vergangene Woche an die einhundert Wiener Philharmoniker eine COVID-Impfung erhalten. Anfangs war nicht klar, warum man auch Goldmünzen vakzinieren soll; erst nach und nach kam die Wahrheit an den Tag. Es handle sich nicht um das geprägte Edelmetall, vielmehr und ausschließlich um Mitglieder des Wiener Staatsopernorchesters.
Das Orchester hätte ja durchaus staatstragende Melodien zu spielen, müsse seinen nationalen, wie internationalen Verpflichtungen zum vereinbarten Gespiele nachkommen, ein "Vordrängeln" - an der Warteschlange Normalsterblicher vorbei - darob gerechtfertigt.
Nun ist dieses "unlautere" Manöver nicht überall auf Gegenliebe gestoßen; aus den Medien kann man seit dem Wochenende mannigfaltige Kritik vernehmen - warum die, nicht wir. Das sei taktlos, meinen manche; andere wiederum sehen nicht ein, warum 95 Mitglieder eines Orchesters die erste Geige spielen müssen. Die öffentliche Meinung wird jetzt dem Wiener Bürgermeister, der die Vorreihung zu verantworten hat, gegeigt - Pauken und Trompeten inklusive. Dabei klingen die Töne weder harmonisch noch besonders reizvoll.
Wie dem auch sei - es ist ohnedies schon (wieder) passiert. Anfangs der "Impfsaison" haben sich Bürgermeister und sonstige "Möchtegerns" nach vorne geschwindelt, jetzt sind es ein paar systemrelevante Musiker.
Nur gut, dass (noch) niemand weiß, dass es als längst beschlossen gilt, dass ab Dienstag nächster Woche die Wiener Sängerknaben an der Reihe sind, an der Reihe der Impfwilligen vorbeizuwandern; sinnigerweise werden sie dabei "das Wandern ist des Müllers Lust" intonieren - mit Applaus können sie jedoch kaum rechnen.
Mit einer Impfung von Philharmonikern und Sängerknaben bin ich, wenn auch zähneknirschend, einverstanden; meine Gutmütigkeit wird aber spätestens dann ihre Grenze erreichen bzw. sich zumindest einer weiteren Bewährungsprobe unterziehen müssen, wenn, wie aus "sicherer" Quelle heraussickerte, ab KW 17 eine weitere systemrelevante bzw. -immanente Gruppe zur Impfung antritt. Weder spielend noch singend, vielmehr galoppierend: Alle im Staatsbesitz befindlichen Lipizzaner sollen, im Beisein der zuständigen Bundesministerin für Landwirtschaft, Tourismus und Regionen, Elisabeth Köstinger, geimpft werden. Das sei, so hört man aus dem Ministerium, allein schon deshalb nötig, weil nach dem Ende der COVID-19 bedingten Auszeit damit zu rechnen sei, dass auch die edlen Mitglieder der Spanischen Hofreitschule wieder vermehrt Kontakt zu anderen Lebewesen haben werden.
Systemrelevant und weltbekannt - das wird auch bei der Priorisierung der edlen Rösser den Kritikern binnen weniger Tage die Spitze nehmen und meinen Groll gegen ein solches Procedere besänftigen.
Den Musikern, Sängerknaben und (vor allem) den Vertretern einer ohnedies alten Pferderasse sei es vergönnt - die zuletzt Genannten werden sich zumindest weder angebiedert noch bei irgendjemandem interveniert haben.
Chr. Brugger
18.04.2021