Was nicht gesagt werden darf
Als am 04.04.2012 ein Gedicht des Dichters Günter Grass unter dem Titel "Was gesagt werden muss" zeitgleich in mehreren namhaften europäischen Zeitungen erschien, war der Aufschrei laut, das Entsetzen groß, die Zahl derer, die den Autor verteidigten, es mutig fanden, dass jemand wagte das auszusprechen, was weiterhin verschwiegen werde, hingegen verschwindend gering.
Es handle sich um ein "aggressives Pamphlet der Agitation", entspräche der Tradition "Juden vor dem Pessach-Fest des Ritualmords anzuklagen", gliche einem Anschlag auf Israels Existenz, hieß es retrospektiv unumwunden.
Nun jährt sich der Tag der Erstausgabe von "Was gesagt werden muss" morgen exakt zum zehnten Mal.
Was hat sich seitdem ge- oder verändert?
Der blechtrommelnde Verfasser des Textes, nicht erst seit dem "Häuten der Zwiebel", gar posthum erhellend, Mitglied der Waffen-SS im Rahmen einer Landsknecht-Division, ist seit fast fünf Jahren unter den verstorbenen Literaturnobelpreisträgern zu suchen.
Quelle: https://www.dw.com/de/das-neue-schreckliche-leben-in-gaza-und-israel/a-57528525
Der jüdische Nationalstaat an der Ostküste des Mittelmeers frönt, nach wie vor, zügellos ungenierter Aggression oder Agitation, völkerrechtswidrigen Gebietsanmaßungen, anhaltender Verhöhnung berechtigter territorialer, palästinensischer Interessen, lebt ungeniert eine militärisch-fatalistisch indoktrinierte, definierte und gesetzgewordene "Verteidigungs- / Expansionsstrategie", terrorisiert und verachtet alles, was (nicht nur vor Ort) den Anschein des Antijüdischen erwecken könnte; mordet, foltert, vergewaltigt und massakriert jede und jeden im Namen dauerdevoter Helfer und Helfershelfer aus den USA, Europa, im Speziellen der ehemaligen Nazi/Hitlerstaaten Deutschland & Österreich; rechtfertigt den Völkermord und "das alles" mit einem teilweise mehr als einem Dreivierteljahrhundert zurückliegenden, wiewohl perversen Säuberungsprocedere aus der Feder eines geisteskranken Weltkriegsverursachers; der Holocaust oder das vielstrapazierte Wort "Schoa" gilt offensichtlich als omnipräsent vorauseilende oder, je nach dem, nachhallende Rechtfertigung für kriegsverbrecherische Vergeltungsmaßnahmen an jenen, die sich kaum zur Wehr setzen können.
Chapeau!
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/nahost-konflikt-lage-hat-sich-zugunsten-eines-100.html
Gelernt haben und richtig liegen offenbar nur all jene, die sich stumm, permanent und unreflektiert vor dem "das Opfer darf alles"-Verdikt verneigen, die nationalsozialistische, unheilvolle Katastrophe zur allzeitlich rechtfertigenden Selbstverteidigungsdoktrin des jüdischen Staates erheben; im Namen des Erlittenen ist scheinbar alles zulässig.
Wer sich dagegen wehrt, dagegen, wie Grass, anschreibt, dem wird zeitgleich wie reflexartig antisemitische Gesinnung zugeschrieben, der wird im Kreis jener verharmlosenden "Tatsachenleugner" verortet, gegen die es unreflektiert-apodiktisch vorzugehen gilt. Noch dazu, wenn der Verfasser selbst SS-Mitglied war.
Quelle: https://www.wsws.org/de/articles/2021/05/14/pers-m14.html
Und das Ganze nennt die "projüdische" Community dann einen angemessenen, den einzig wahren, exklusiven Umgang mit dem, was der jüdischen Bevölkerung vor mehr als 75 Jahren und noch länger zurückliegend angetan wurde oder immer noch wird. Diese krude Haltung hat zwar mit systemischer Aussöhnung oder einer sinnvollen Aufarbeitung kollektiver Traumata nichts zu tun, gilt aber zumindest, dem Zeitgeist entsprechend, als en vogue, trendig, gleicht dem, was eine vermeintliche Mehrheit im 21. Jahrhundert unter angemessenem Umgang auf dem Hoheitsgebiet mit Namen "Bewältigung der Vergangenheit" verstanden wissen will.
Das, "was nicht gesagt werden darf", wird präventiv kriminalisiert, als rechtsextrem, antisemitisch, alles Jüdische hassend oder holocaustleugnend apostrophiert - dasselbe gilt für das, was, wie bei Günter Grass, "gesagt werden musste".
Chr. Brugger
03.04.2022
Günter Grass: Was gesagt werden muss
"Warum schweige ich, verschweige
zu lange,
was offensichtlich ist und in Planspielen
geübt wurde, an deren Ende als Überlebende
wir allenfalls Fußnoten sind.
Es ist
das behauptete Recht auf den Erstschlag,
der das von einem Maulhelden unterjochte
und zum organisierten Jubel gelenkte
iranische Volk auslöschen könnte,
weil in dessen Machtbereich der Bau
einer Atombombe vermutet wird.
Doch
warum untersage ich mir,
jenes andere Land beim Namen zu nennen,
in dem seit Jahren - wenn auch geheimgehalten -
ein wachsend nukleares Potential verfügbar
aber außer Kontrolle, weil keiner Prüfung
zugänglich ist?
Das
allgemeine Verschweigen dieses Tatbestandes,
dem sich mein Schweigen untergeordnet hat,
empfinde ich als belastende Lüge
und Zwang, der Strafe in Aussicht stellt,
sobald er mißachtet wird;
das Verdikt "Antisemitismus" ist geläufig.
Jetzt
aber, weil aus meinem Land,
das von ureigenen Verbrechen,
die ohne Vergleich sind,
Mal um Mal eingeholt und zur Rede gestellt wird,
wiederum und rein geschäftsmäßig, wenn auch
mit flinker Lippe als Wiedergutmachung deklariert,
ein weiteres U-Boot nach Israel
geliefert werden soll, dessen Spezialität
darin besteht, allesvernichtende Sprengköpfe
dorthin lenken zu können, wo die Existenz
einer einzigen Atombombe unbewiesen ist,
doch als Befürchtung von Beweiskraft sein will,
sage ich, was gesagt werden muß.
Warum
aber schwieg ich bislang?
Weil ich meinte, meine Herkunft,
die von nie zu tilgendem Makel behaftet ist,
verbiete, diese Tatsache als ausgesprochene Wahrheit
dem Land Israel, dem ich verbunden bin
und bleiben will, zuzumuten.
Warum
sage ich jetzt erst,
gealtert und mit letzter Tinte:
Die Atommacht Israel gefährdet
den ohnehin brüchigen Weltfrieden?
Weil gesagt werden muß,
was schon morgen zu spät sein könnte;
auch weil wir - als Deutsche belastet genug -
Zulieferer eines Verbrechens werden könnten,
das voraussehbar ist, weshalb unsere Mitschuld
durch keine der üblichen Ausreden
zu tilgen wäre.
Und
zugegeben: ich schweige nicht mehr,
weil ich der Heuchelei des Westens
überdrüssig bin; zudem ist zu hoffen,
es mögen sich viele vom Schweigen befreien,
den Verursacher der erkennbaren Gefahr
zum Verzicht auf Gewalt auffordern und
gleichfalls darauf bestehen,
daß eine unbehinderte und permanente Kontrolle
des israelischen atomaren Potentials
und der iranischen Atomanlagen
durch eine internationale Instanz
von den Regierungen beider Länder zugelassen wird.
Nur so
ist allen, den Israelis und Palästinensern,
mehr noch, allen Menschen, die in dieser
vom Wahn okkupierten Region
dicht bei dicht verfeindet leben
und letztlich auch uns zu helfen."