Was jetzt?

05.01.2025

Als Österreicher hat man es dieser Tage nicht leicht; was sich in den letzten 100 Tagen hierzulande abgespielt hat, kann, Resthumor vorausgesetzt, bestenfalls ein bürgerliches Trauerspiel genannt werden; seit gestern ist zumindest diese Politposse vorbei – der Vorhang ist gottlob gefallen.

Österreich wäre aber nicht Österreich, würden sich tags darauf nicht alle Medien bereits damit beschäftigen, wer denn wem folgen und mit wem regieren könnte; allein, soweit ist es bei weitem noch nicht.

Quelle: https://media.happycolorz.de/landkarten/oesterreich-karte-farben-fahne.png

Aus dem, was die bisher maßgeblichen Protagonisten offensichtlich als schnödes Ränkespiel betrachtet haben, ist längst bitterer Ernst geworden; es wird nicht ausreichen, nach dem 06. Jänner 2025 weiterhin so zu tun, als wolle man politische Verantwortung übernehmen, ohne dabei zeitgleich die Spielregeln zu ändern.

"Kein weiter wie bisher", das Credo der gescheiterten Verhandler, ist, hätte man diesen "Glaubensgrundsatz" tatsächlich ernst genommen und nicht bloß als Vorwand missbraucht, durchaus passend; dieser Grundsatz müsste lediglich anders bzw. richtig interpretiert werden; die Verhandler haben im Rahmen ihrer sich selbst zugeschriebenen Deutungshoheit eine sinnvolle Auslegung dadurch verunmöglicht, dass sie, beseelt und überzeugt von ihren interpretatorischen Fähigkeiten, mit einem politischen Kunstgriff einfach das Indefinitpronomen "kein" weggelassen bzw. gestrichen haben.

Ohne "kein" verhandelt es sich eben besser – man hätte wenig oder gar nichts ändern müssen und dennoch weiterhin politische Ämter bekleiden können – einzig darum ist es letztlich gegangen; die bisherigen Rädelsführer aus den parteiparasitären Niederungen haben offenbar Ideologie mit Idiotie verwechselt oder zumindest den Unterschied nicht verstanden.

Mit dem Maßstab dieses "Wissens" werden sich nun aber die nächsten Verhandler, wer immer sie sein mögen, messen lassen müssen; der Grad ihrer Seriosität und Akzeptanz wird davon abhängig sein, wie sie jene Reformen, die dem "kein weiter wie bisher" Leben einhauchen könnten, angehen; wer die Republik Österreich endlich ernsthaft im 21. Jahrhundert ankommen lassen will, wird um eine Gesamtänderung der bisherigen "Verfassung" nicht umhinkommen; wer immer noch nicht verstanden hat, dass Demokratie hierzulande "Parteilichkeit" bzw. Abhängigkeit von politischen Partei bedeutet, hat meiner Ansicht nach an der Spitze der Verwaltung nicht das Geringste verloren; wann, wenn nicht jetzt, will man die föderalistischen Ausuferungen beseitigen, die Parteien von ihren hybriden, wahnwitzig anmutenden Machtbegierden erlösen oder der fettleibig-trägen Verwaltung diätisch behilflich sein?

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Bezirke_und_Statutarstädte_in_Österreich#/media/Datei:Austrian_Districts.svg (CC BY-SA 4.0)

Ein neuer Staat kann allerdings, das wird manche schmerzen, nicht mit alten Methoden errichtet werden; je größer aber die Schmerzen bei denen sind, die das "kein" gedanklich längst gestrichen haben, desto erfolgreicher werden jene sein, die darauf keine Rücksicht nehmen; mit historischen Reminiszenzen ist ebenso nichts zu gewinnen wie mit persönlichen Befindlichkeiten; wer einen "schlanken" Staat will, muss sich zeitgleich damit anfreunden, künftig auf "seinen" Bürgermeister, Bezirks- oder Landeshauptmann verzichten zu müssen; Österreich kann sich schlicht und ergreifend eine kompetenzmäßig völlig zersplitterte Verwaltung für 2.093 Gemeinden, 79 Bezirkshauptmannschaften und 9 Landesregierungen nicht länger leisten.

Im Bereich der Bildung gilt im Wesentlichen dasselbe – überall wird viel und alles verwaltet – geändert hat sich dadurch aber rein gar nichts; wozu benötigt ein "Zwergstaat" wie Österreich 9 Bildungsdirektionen, die noch dazu von den parteipolitisch strukturierten Gewerkschaften beeinflusst werden; jede Führungsposition im Bereich der Bildung setzt nahezu ausnahmslos eine Parteimitgliedschaft voraus; glaubt ernsthaft jemand, das würde unserer Bildung qualitativ zum Vorteil gereichen?

Oder glaubt immer noch jemand an das Märchen, die parteipolitisch strukturierten Kammern dieses Landes, die sich überwiegend aus Zwangsbeiträgen ihrer Mitglieder finanzieren, würden Standorte absichern, Arbeitsplätze schaffen oder gar die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen? Es wird zwar behauptet, Interessen würden vertreten – es sind aber immer nur die eigenen und nicht diejenigen von anderen; allein schon die Gewerbeordnung als solche ist ein Spiegelbild des gänzlichen Versagens; parallel dazu wird der Wirtschaft das Eigenleben dadurch massiv wie unnötig erschwert bzw. verunmöglicht, dass laufend schikanös-regulatorische Rechtsakte der Europäischen Union die heimischen Betriebe an die Grenze des Machbaren drängen; in Straßburg und Brüssel wird vorauseilend gehorsam zugestimmt, hierzulande dann aber von eben denselben Parteien darüber gerätselt und gejammert.

Quelle: https://mountainmoments.de/fotospots-oesterreich-schoene-orte/

Wer, das ist noch bedauernswerter, kann noch darauf vertrauen, dass wir hierzulande tatsächlich, vor allem im Bereich des Strafrechts, von einer parteipolitisch unabhängigen Justiz sprechen können? Angesichts der Tatsache, wie "glamouröse" Verfahren abgehandelt werden, lautet die Antwort leider "niemand".

Es wird also einer Kraftanstrengung der besonderen Art bedürfen, damit das Land wieder richtig Fahrt aufnehmen kann; sofern aber an den bisherigen "Grundfesten" nicht entsprechend gerüttelt wird, kann und wird sich nichts ändern; kosmetischen Behandlungen werden bekanntlich in Beauty-Salons angeboten, das Land hingegen benötigt eine Rosskur.

Ein Satz noch: Seit Stunden wird darüber berichtet, dass Sebastian Kurz politisch wieder "auferstehen" könnte; wer das befürwortet, kann mE nicht mehr Herr seiner Sinne sein.

Chr. Brugger

05/01/2024