US-Wahl / Teil 4

02.11.2024

An und für sich könnten sich alle wahlberechtigten US-Amerikaner den Gang zu den Wahlurnen ersparen und der global-mediale Hype um den "Kampf um das Weiße Haus" wäre vollkommen obsolet; dazu käme, dass sich speziell alle europäischen "Machthaber" (ob eines befürchteten Trump-Triumphs) schlaflose Nächte ersparen und sich ganz entspannt ihren eigentlichen Aufgaben widmen sollten.

In den USA gibt es, im Unterschied zu allen anderen Ländern diese Welt, einen "Wahlprognosen-Nostradamus", den "Umfrage-Papst" schlechthin: Allan Lichtman – eine Lichtgestalt, wenn es darum geht, das Ergebnis von Präsidentschaftswahlen treffsicher vorauszusagen.

Quelle: https://www.washingtonian.com/2024/09/05/allan-lichtman-is-very-comfortable-about-predicting-the-2024-election/

Lichtman hat die vom russischen Geophysiker Vladimir Keilis-Borok für Erbebenvorhersagen entwickelte Vorhersagemethode auf die politische Ebene transformiert; seine "13 Schlüssel" öffnen, bildlich gesprochen, den Zugang zum "Weißen Haus"; als Basis dafür dient die Arbeit von Lichtman & Keilis-Borok "Mustererkennung bei Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten, 1860 – 1980: Rolle integraler sozialer, wirtschaftlicher und politischer Merkmale" - nachzulesen unter (https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC349231/).

Unter Verwendung der "Schlüssel zum Weißen Haus" war Lichtman jedenfalls in der Lage, seit 1984 alle Präsidenten im Voraus zu kennen; getäuscht hat sich Lichtman lediglich im Jahr 2000, als er Al Gore als Präsidenten prophezeite – dieser hatte in Summe zwar mehr Stimmen als sein Kontrahent George W. Bush, aber weniger "Wahlmännerstimmen", auf die es letztlich ankommt.

Die Prognose des Professors an der methodistischen American University in Washington D.C. für den 05.11.2024 ist seit Anfang September klar: Kamala Harris wird Donald Trump besiegen und Joseph Robinette Bidens Nachfolgerin im "Weißen Haus" (www.ctvnews.ca/video/c3020241-u-s--historian-predicts-kamala-harris-win?playlistId=1.7090579;www.foxnews.com/politics/allan-lichtman-predicts-harris-2024-winner-because-democrats-got-smart-did).

Quelle: https://morganton.com/photos-kamala-harris-through-the-years/collection_90f2314f-4248-5849-8f3e-777699b98ed8.html#18

Von Expertenmeinungen oder Wahlprognosen hält der selbstbewusste Historiker ("Ich habe das System geknackt und kenne die Schlüssel zum Weißen Haus"; "bisher hat niemand ein besseres System entwickelt als meines") gar nichts: Umfragen seien bloße Momentaufnahmen und die Aussagen von Experten verfügten weder über eine wissenschaftliche Grundlage noch gäbe es eine vorzeigbare Erfolgsbilanz.

Die 13 Schlüssel zum Weißen Haus sind demnach (bezogen auf Kamala Harris ist die Beurteilung durch Lichtman jeweils beigefügt):

  • Mandatszugewinne der Regierungspartei bei den Zwischenwahlen zum Repräsentantenhaus ("falsch")
  • Kein ernsthafter parteiinterner Herausforderer für den Amtsinhaber ("wahr")
  • Der Amtsinhaber kandidiert erneut ("falsch")
  • Keine ernst zu nehmende dritte Partei oder unabhängige Kampagne ("wahr")
  • Starke kurzfristige Wirtschaftslage ("wahr")
  • Starkes langfristiges Wirtschaftswachstum ("wahr")
  • Spürbare innenpolitische Veränderungen durch die Politik der amtierenden Regierungspartei ("wahr")
  • Keine anhaltenden sozialen Unruhen ("wahr")
  • Kein größerer Skandal in der Regierung ("wahr")
  • Kein größeres außen- oder innenpolitisches Versagen ("eher falsch")
  • Größerer außen- oder innenpolitischer Erfolg ("eher wahr")
  • Charismatischer Amtsinhaber oder Kandidat der Regierungspartei ("falsch")
  • Uncharismatischer Herausforderer ("wahr")

Wenn mindestens 7 Antworten für die Regierungspartei positiv ("wahr") sind, wird sie die Wahl aller Voraussicht nach gewinnen; bei 7 negativen Antworten ("falsch") hat die Oppositionspartei die besseren Karten (https://www.american.edu/cas/news/13-keys-to-the-white-house.cfm).

Quelle: https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2024/10/allan-lichtman-election-win/680258/

Unumstritten ist Lichtmans, auf den ersten Blick recht einfaches, System allerdings nicht (www.theatlantic.com/ideas/archive/2024/10/allan-lichtman-election-win/680258/) ; auch heuer wird seine Methode (wie bei allen vergangenen Wahlen) wieder in Frage gestellt bzw. "überarbeitet" und der (unlautere) Versuch unternommen, sie an "neue Gegebenheiten" anzupassen (u.a. durch Mariano P. Barbato, Andrássy Universität Budapest "Gewinnt tatsächlich Kamala Harris oder doch Donald Trump die Präsidentschaftswahlen? Allan Lichtmans Prognose revisited" (www.andrassyuni.eu/nachrichten/gewinnt-tatsachlich-kamala-harris-oder-doch-donald-trump-die-prasidentschaftswahlen-allan-lichtmans-prognose-revisited.html).

All seinen Kritikern kann Lichtman aber zumindest insofern den Wind aus deren Segeln nehmen, als er nicht nur den Ausgang aller Präsidentenwahlen seit 1984 richtig vorhergesagt (Ausnahme siehe oben) hat, sondern sein System anhand aller Präsidentschaftswahlen seit dem Jahr 1860 retrospektiv verifiziert wurde; das Ergebnis erweist dem Prognose-Propheten aus Washington alle Ehre; ob er mit Harris als US-Präsidentin wieder recht haben wird, wissen wir vermutlich am 06.11.2024.

Chr. Brugger

02/11/2024