US-Wahl / Teil 3
Mehr als die amerikanische Bevölkerung fürchten sich die Europäer vor einem Wahlsieg Donald Trumps; in den "Staaten" hat Trump derzeit zumindest knapp 50% der Wahlberechtigten auf seiner Seite; in Europa hingegen hat man den Eindruck, als wollten beinahe alle, die parteipolitisch oder medial tätig sind, Kamala Harris als Präsidentin.
Manche Medien gehen sogar so weit zu behaupten, "ein Trump-Sieg wäre ein Drama für Europa" (Eva Quadbeck - www.rnd.de/politik/trump-oder-harris-an-der-us-wahl-2024-haengt-europas-schicksal).

Quelle: https://www.wnoz.de/nachrichten/deutschland-und-die-welt/politik/international/trump-saeumige-nato-mitglieder-nicht-vor-russland-schuetzen-371825.html
Was Quadbeck moniert, teilen viele derjenigen, die vermeinen, "Trump-Kenner" zu sein; dabei vergessen die selbsternannten US-Politik-Versteher geflissentlich darauf, dass Trump es (während seiner ersten Amtszeit) war, der als erster amerikanischer Präsident Waffen an die Ukraine geliefert bzw. verkauft hat um die "Interoperabilität mit der NATO" zu verbessern (https://news.usni.org/2022/06/07/overview-of-u-s-security-assistance-to-ukraine); gegen die behauptete bzw. laufend ins Spiel gebrachte Märe, Trump würde Europa mit der Ukraine "alleine" lassen, spricht auch die offenkundige Tatsache, "dass Russland während Bidens Präsidentschaft in der Ukraine einmarschierte und nicht in der Zeit, als Trump im Weißen Haus saß" – unter Trump wäre das mit Sicherheit nicht passiert.
Und warum sollte Trump ein Interesse daran haben, die NATO schwächen zu wollen, wenn er durch die Hegemonie Amerikas milliardenteure Waffen nach Europa liefern kann und die NATO auch dafür sorgt, dass Europa strategisch weiterhin ein Untergebener der USA bleibt?
Rajan Menon & William Ruger haben die "große Strategie der USA" in Bezug auf die NATO-Erweiterung bereits recht treffend in ihrem Artikel vom 11.05.2020 (https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC7212247/) beschrieben; Trump mag ja viel sein und man kann ihm vielerlei nachsagen – ein Trottel ist er zumindest in wirtschaftlichen bzw. strategischen Belangen mit Sicherheit nicht; das unterscheidet ihn recht wohltuend von nahezu allen europäischen Politikern.

Quelle: https://st2.depositphotos.com/1482106/5377/i/950/depositphotos_53771303-stock-photo-nato-eu-and-usa-flag.jpg
Thomas Fazi beschreibt das subkutane, weil laufend verschwiegene, "Szenario" recht treffend (https://www.ipg-journal.de/rubriken/aussen-und-sicherheitspolitik/artikel/trump-hin-nato-her-7331/): "Vielleicht sollten wir uns vor diesem Hintergrund nicht wundern, dass die USA genau dieses Ziel erreicht haben, indem sie ganz Europa vermittels der NATO in einen Stellvertreterkrieg mit Russland in der Ukraine hineingezogen haben. Dadurch konnten die USA ihre schwindende Hegemonie über Europa wieder festigen, denn dieser Krieg treibt einen tiefen Keil zwischen Europa und Russland und verurteilt Deutschland zur Deindustrialisierung. Dem ließe sich natürlich entgegenhalten, die europäischen Staats- und Regierungschefs hätten sich dies alles weitestgehend selbst eingebrockt. Auf der anderen Seite ist das die natürliche Konsequenz einer "Allianz", in der die europäischen Nationen stets als Untergebene behandelt werden.
Das Resultat ist, wie sich jetzt zeigt, eine infantilisierte politische Klasse, die Angst hat, der transatlantische Lehnsherr könnte ihr abhandenkommen. Und damit sind wir bei einer möglichen alternativen Sicht der Dinge: Dass nämlich ein Amerika unter Trumps Führung, das stärker auf Isolation setzt, für Europa eine Chance wäre, strategisch endlich auf eigene Beine zu kommen.
Unter normalen Rahmenbedingungen könnte diese alternative Sicht zutreffen. Ich vertrete seit Langem den Standpunkt, dass Europa sich aus der geostrategischen Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten befreien muss. Dafür bräuchte Europa allerdings eine wirklich eigenständige Vision, wie es als Kontinent in einer multipolaren Welt seine Sicherheit und den eigenen Wohnstand sichern könnte – und es müsste sich von der "New Cold-War"-Einstellung lossagen, mit der Amerika nicht-westlichen Mächten gegenübertritt sowie seine Beziehungen zum Nachbarn Russland normalisieren.
Das Problem dabei ist aber ein ganz anderes: "Leider sind alternative Sichtweisen wie diese selten zu hören. Mit wenigen Ausnahmen haben Europas politische Eliten Amerikas geopolitische Strategie dermaßen verinnerlicht, dass sie inzwischen noch russlandfeindlicher sind als ihre amerikanischen Partner – nicht nur in den osteuropäischen und baltischen Staaten, die aus naheliegenden historischen Gründen von Russland schon lange bedient sind, sondern auch Westeuropa. Aus diesem Grund wäre eine "europäische NATO" wohl noch mehr auf ein konfrontatives Verhältnis gegenüber Russland erpicht als das jetzige, von den USA angeführte, Bündnis".

Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000142420981/europa-will-verteidigung-noch-enger-mit-den-usa-abstimmen
Vielleicht erinnern sich die europäischen Möchtegernstrategen, in Fazis Diktion wäre das jedenfalls die infantilisierte europäische Elite, dereinst an diese Worte von Menon, Ruger & Co – vermutlich wird das aber erst dann der Fall sein, wenn von der Leyen, Scholz, Macron & alle sonstigen Irrlichter, die derzeit allerorts in Europa herumflackern, feststellen, dass ihr kurzsichtig dämliches Treiben Europa an den Rand des wirtschaftlichen Ruins getrieben und Russland den Krieg gegen die Ukraine (nach ein paar weiteren Jahren) letztlich doch noch "irgendwie" gewonnen hat.
Chr. Brugger
01/11/2024