Treu bis in den Tod – oder: Politischer Selbstmord auf Raten
Eine "Salamisuizidtaktik" der besonderen Art exerziert (neben anderen) Frau Köstinger in den letzten Tagen u.a. auf Facebook. Nun kann man zumindest niemandem, der das Erwachsenenalter erreicht hat, vorwerfen, dass seine Haltung nicht "straight" sondern "constantly changing" wäre, Rückgrat, nicht nur sprachlich, mit Gartenschläuchen verwechselt wird und Unterschriften auf selbst veröffentlichten Zetteln nicht einmal das Papier wert sind, auf dem sie sich befinden.

Quelle: https://zackzack.at/2020/11/02/totalabs
Ein solches Handeln ist jedem unbenommen; selbstverständlich auch einer nach wie vor amtierenden bzw. herumlavierenden Bundesministerin, "aufgewachsen auf einem kleinen Bauernhof in Kärnten mit tiefen Wurzeln und einem weiten Horizont" (Selbstdarstellung von Köstinger auf Facebook vom 11.10.2021)
Nun dürfte es sich zwar bei einem "Bauernhof mit einem weiten Horizont" um eine ziemlich rare, bislang unbekannte, Spezies einer landwirtschaftlichen Einrichtung handeln; dieser (persönliche) ministerielle Hinweis vermag aber durchaus die damit zweifelsfrei verbundenen Naivität zu erhellen. Man könnte allenfalls von Dyslexie sprechen oder davon und frei nach Köstinger selbst: "Da trennt sich a bissl die Realität von der Wirklichkeit".
Die türkise Sprachakrobatin hat ihren Facebook-Eintrag, in dem die unterschriebene Solidaritätsbekundung für Kurz enthalten war, zwar mittlerweile gelöscht - es gibt ihn aber immer noch, nicht nur in der Erinnerung daran.
Nun schreiben bzw. unterschreiben alle türkis-schwarz angehauchten bzw. eingefärbten Minister und Staatssekretäre am 07.10.2021 eine Erklärung, wonach sie ausschließlich unter einem Bundeskanzler namens Sebastian Kurz weiter zu regieren bereit wären. Dann tritt eben dieser Herr Kurz zurück bzw. wagt einen Seitensprung und ... nichts passiert.
Einer aus der Riege derjenigen, die diesen Zettel unterschrieben haben, ist zwischenzeitlich Bundeskanzler, alle anderen sind weiterhin und in ihren bisherigen Funktionen im Amt.

Quelle: © Bild: APA/Roland Schlager
Am 09.10.2021, zur Mittagszeit, vergreift sich Köstinger scheinbar nicht nur auf ihren Tasten und im Ton, sondern teilt schriftlich allen, die es lesen wollen, mit, dass (neben Kurz und Blümel) auch sie selbst an Amnesie leiden dürfte:
"Offenbar werfen sowohl Grüne, als auch SPÖ all ihre eigenen Prinzipien für einen "Pakt mit Herbert Kickl" über Bord. Das Land braucht jetzt Stabilität, das ÖVP-Regierungsteam unter Bundeskanzler Sebastian Kurz ist bereit, die Regierungszusammenarbeit mit den Grünen fortzusetzen."
Frau Köstinger hat, allem Anschein nach und spätestens zu diesem Zeitpunkt, völlig vergessen, mit wem sie gemeinsam dem Kabinett Kurz I angehört hat. Teil dieser Regierungsmannschaft war auch ein Mann namens Herbert Kickl als Innenminister. Frei nach Köstinger dürfte sich das irgendwann wohl so lesen: "Was für uns gilt, gilt noch lange nicht für alle anderen politischen Parteien", oder eben, der Originalköstingerin folgend: "Da trennt sich a bissl die Realität von der Wirklichkeit".

Quelle: © Bild: APA/Roland Schlager
Nachfolgend zwitschert Köstinger auf Facebook, Schallenberg sei ein Kanzler auf Zeit, nur vorübergehend (bis zur kurz´schen Auferstehung) und als Stellvertreter im Amt. Auch das wird revidiert bzw. gelöscht.
In eben diesen Tagen kann es sich Köstinger auch nicht verkneifen, in der Neuen Krone wie folgt zitiert zu werden: "Die Grünen legen seit Tagen nicht auf den Tisch, was sie außer "Kurz muss weg" eigentlich wollen. Sie verursachen damit bewusst Chaostage und gefährden die politische Stabilität des Landes", so Köstinger. "Wenn die Grünen die Koalition mit der ÖVP nicht fortsetzen wollen, dann sollen sie den Menschen reinen Wein einschenken und auch sagen, dass sie damit liebäugeln, die Freiheitlichen und Herbert Kickl in eine Regierung zu holen."
Ihre offizielle Haltung zur Kurz-Schallenberg-Rochade lautet ab sofort: "Aus Verantwortung für das Land tritt Sebastian Kurz einen Schritt zur Seite und wechselt bis zur Klärung der erhobenen Vorwürfe als Klubobmann in den Nationalrat. Alexander Schallenberg wird die Funktion des Bundeskanzlers übernehmen. Ich erwarte mir nun rasche Aufklärungsarbeit der Justiz, faire Ermittlungen und den Schutz aller Rechte von Beschuldigten. Ich bin sicher, dass Sebastian Kurz alle Vorwürfe entkräften und bald als Bundeskanzler ins Amt zurückkehren wird."
Vom (eigenen) Rücktritt ist keine Rede mehr, das unterschriebene "Nur mit Kurz als Kanzler" - Manifest scheint vergessen bzw. nicht mehr erinnerlich. Alle, die Kurz als Kanzler die Treue geschworen haben, brechen ihr verschriftlichtes Wort und sitzen nach wie vor an den mächtigsten Politpositionen des hiesigen Landes. Alle Achtung, wenn auch mit noch weniger Respekt als ohnedies bereits bisher.
Vielleicht sollte (nicht nur) Frau Köstinger, sozusagen als Betthupferl, das Lied der Nibelungen singen bzw. lesen; dort wird selbst sie erfahren, was Nibelungentreue - konsequent zu Ende gedacht - bedeuten kann.
Das "Man findet an mir keinen, der einem Freund die Treue bricht" mag gut gemeint sein, löblich klingen, gar heroisch anmuten. Das Problem daran ist nur, dass es, zumindest bei den Nibelungen, das Ende einer Ära bedeutet hat, zum Schlusspunkt hinter einem traurigen Kapitel wurde. Dieses Schicksal droht nun, im übertragenen, hoffentlich unblutigen, Sinn, auch Köstinger & Co.

Quelle: https://twitter.com/wahlen_at
Hat man, ob der türkisen Machenschaften, noch einen entsprechenden Rest an Vertrauen in Meinungsumfragen, darf man wohlwollend bzw. -tuend zur Kenntnis nehmen, dass der Totalabsturz der momentanen Kanzlerpartei bereits begonnen hat, sich "in statu nascendi" (auf Schiene) befindet; dankenswerter Weise auch, oder besser noch gerade wegen Schallenberg, Köstinger, Kurz & Co.
Chr. Brugger
14.11.2021