Tränen, Trauer & Tristesse
Aus & vorbei – das österreichische Fußballnationalteam der Herren ist bei der Europameisterschaft 2024 ausgeschieden. Das ist für diejenigen unter uns, die "sportlich" noch in der Lage sind, 1+1 zumindest ansatzweise fehlerfrei zusammenzurechnen, keine große Überraschung; das Erreichen des EURO-Achtelfinales war in Wirklichkeit schon erheblich mehr, als wir uns erwarten durften, womit zu rechnen war.
Quelle: https://frapp.ch/de/articles/stories/osterreich-nach-em-aus-am-boden
Ganz anders sieht das die euphorisierte Heerschar jener rot-weiß-rot-Enthusiasten, die vermeinen, wir könnten mit einem Sammelsurium an Ersatzspielern und ohne Stürmer, die auch in der Lage sind, das Tor zu treffen, bei einer Meisterschaft reüssieren.
Ein Blick in die Sporthistorie Österreichs genügte, um zu erkennen, dass wir im Fußball seit exakt 70 Jahren nichts mehr gewonnen haben; am 03.07.1954 haben wir im Spiel um Platz 3 bei der WM Uruguay in Zürich mit 3:1 besiegt – seitdem leben wir nur noch vom bedeutungslosen 3:2 gegen Deutschland im argentinischen Cordoba.
Nun ist mir schon bewusst, dass ich mit meiner realitätsnahen "Analyse" insbesondere nicht die einfachen Gemüter derjenigen bewege, die sich am gestrigen Abend heulend in den Händen lagen und unisono darüber lamentierten, es hätte nicht die bessere Mannschaft gewonnen, nicht die Türken, sondern wir hätten es uns verdient, am 06.07.2024 in Berlin gegen die Niederländer aufzulaufen.
Klar ist aber: Wären Rangnicks Spieler tatsächlich die bessere Mannschaft gewesen und hätte sie sich speziell bei zwei einfachen Standardsituationen nicht angestellt, wie eine Schülermannschaft, dann hätten sie das Spiel sogar gewinnen können …
Quelle: https://www.kleinezeitung.at/sport/fussball/euro/18628865/tuerkei-torschuetze-merih-demiral-mit-rechtsextremen-jubel
Das Problem, das hierzulande, vor allem wenn es um Fußball geht, evident auftritt, ist aber auch ein ganz anderes: Sobald auch nur ein Funke Hoffnung besteht, wir könnten bei einer ernst zu nehmenden Meisterschaft etwas erreichen, wird, vor allem medial, auf die gebotene Euphorie-Bremse verzichtet und realitätsfremd "Tutto Gas" gegeben.
Jeder, der auch nur ansatzweise zu wissen vermeint, dass ein Fußball rund sein könnte, meldet sich zu Wort; das "Team" wird dermaßen gehypt und "hinaufgehoben", als gäbe es nicht auch noch die Möglichkeit, dass alles so sein könnte wie immer und wie ABBA das im Lied "The Winner Takes It All" so treffend besingt: "Der Gewinner bekommt alles, die Verlierer stehen klein neben dem Sieg - das ist ihr Schicksal".
Es soll sogar manche
gegeben haben, die Österreich längst im Kreis der besten Mannschaften Europas
angekommen sahen; selbst nach der gestrigen Pleite gegen die Türkei gab es sogar
noch "Experten", die der Ansicht waren, Fußball-Österreich wäre so etwas
wie eine "annähernde Weltmacht" – insofern ist es nur konsequent
und richtig, dass der ORF die Spiele Österreichs bei der diesjährigen EURO
nicht übertragen, sondern erst zu recht fortgeschrittener Stunde ein wenig nachbearbeiten
darf; sonst käme gar noch jemand auf die Idee, das abstruse Geplapper der
Herren Mählich & Payer für bare Münze zu nehmen.
Quelle: https://kurier.at/sport/fussball/fussball-em-2024-oesterreich-oefb-tuerkei-aus-achtelfinale-rangnick-arnautovic/402920425
All diejenigen, die dieser dümmlich-absurden, von jedweder Realität befreiten, These eines Helge Payer anhängen, seien noch einmal daran erinnert, dass sich Österreich zuletzt vor mehr als 34 Jahren überhaupt für eine Fußball-Weltmeisterschaft qualifizieren konnte; nur die Dümmsten unter uns können daran glauben, dass Ralf Rangnick unseren Nationalspielern nur die Hände auflegen muss, damit plötzlich alles "eitel Wonne" sein darf.
Dieser wahnwitzig-mediale "Hype", die ausufernd künstlich aufgebauschte Erwartungshaltung, führt letztlich nur dazu, dass auch die Nationalspieler selbst an diesem realitätsfernen Erfolgsmaßstab gemessen werden; bei (unerwarteten) Niederlagen, wie am gestrigen Abend, als kaum jemand ernsthaft davon ausging, wir könnten gegen die Türkei verlieren, kommen die flennenden Protagonisten am Ende auch noch in die Verlegenheit, sich erklären zu müssen – und plötzlich weinen wortkarge "Männer" wie kleine Kinder.
In diesen Momenten wird dann sichtbar, was vorher niemand wahrhaben wollte: Die österreichischen Fußballfans können, unabhängig von der medial beeinflussten Berichterstattung bzw. einem rosarot-fiktiven Panorama, von zweitklassigen Fußballspielern, die bei ihren Vereinen teilweise nur die Reservebänke anwärmen (u.a. Seiwald, Gregoritsch, Baumgartner, Arnautovic) nicht erwarten, sie könnten, sei es auch im Verbund einer Nationalmannschaft, auf "Knopfdruck" sportliche Erfolge feiern, die seit jeher nur den Besten vorbehalten sind.
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/tuerkei-im-viertelfinale-torschuetze-demiral-zeigt-wolfsgruss-106.html
Dieser irrigen Annahme ist die Mehrheit aller ÖsterreicherInnen erlegen – insofern passen die ersten Zeilen von Rainhard Fendrichs "Kult-Song" eigentlich ganz gut: "Dei hohe Zeit is lang vorüber und a die Höh' hast hinter dir; von Ruhm und Glanz is wenig über" … was bleibt sind Trauer, Tränen und Tristesse; das ist die bittere, nicht zu leugnende, Wahrheit; wir haben zwar das Minimalziel erreicht – mehr aber auch nicht; beim vermeintlichen "Griff nach den Sternen" haben wir uns auf schmerzliche Weise die Finger verbrannt …
Den "Vogel" hat, das war nicht anders zu erwarten, wieder einmal Karl Nehammer abgeschossen: "Jetzt werden wir Weltmeister" - bei solchen Aussagen kann man weder Fendrich noch ABBA bemühen; bei den intellektuell eher schlichteren Gemütern hilft nur noch die Bibel, respektive der Evangelist Matthäus: "Selig dir Armen im Geiste" ...
Chr. Brugger
03/07/2024