Thinktank - nein danke!

01.05.2020

Freunde von mir fragen öfters, ob ich nicht einen eigenen Thinktank gründen, betreiben, zumindest für einen solchen schreiben wollte.


"Wenn ich das Wort Thinktank höre, muss ich immer nur lachen", ist meine meistens lapidare Antwort.


Die Erklärung folgt auf den Fuß: Erstens kann ich mit dem Begriff Thinktank schon dem Grunde nach nichts anfangen. Was soll das eigentlich sein?


Wenn man das wörtlich übersetzt, bedeutet es soviel wie Denkbehälter; ein Behälter kann nicht denken, also hat diese Übersetzung keinen Sinn.


Man verstünde darunter Denkfabrik, wird mir dann erklärt. Das ist noch viel dümmer als Denkbehälter; eine Fabrik kann auch nicht denken und Denkfabrik klingt irgendwie danach, dass man eben im großen Stil zu denken gedenkt, mehrere nachdenken oder eben unter dem Deckmantel der symbolischen Fabrik nachdenken. Das Wort suggeriert Großes - ich denke viel lieber allein.


Außerdem bedeutet das lateinische "fabricare" herstellen, anfertigen, bauen, was wiederum voraussetzt, dass es einen Auftraggeber gibt, für den man tätig wird oder werden soll.


Sieht man sich das in Wikipedia (mehr an Recherche ist mir das Thema nicht wert) an, dann wird all das bislang Geschriebene bestätigt; dort liest man Folgendes:


"Als Denkfabrik - oder auch Thinktank (aus englisch think tank) - werden Institute bezeichnet, die durch Erforschung, Entwicklung und Bewertung von politischen, sozialen und wirtschaftlichen Konzepten und Strategien Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung nehmen und sie so im Sinne von Politikberatung fördern. Einige Denkfabriken vertreten dabei eine bestimmte politische oder ideologische Linie, die aggressiv beworben wird, um politische Debatten zu beeinflussen. Eine Denkfabrik kann als Stiftung, Verein, Gesellschaft oder als informelle Gruppe organisiert sein. Beschäftigt werden üblicherweise Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler, Fachleute aus den Bereichen Werbung und Kommunikation sowie (ehemalige) Politiker, Unternehmer und sogenannte Testimonials.


Eine allgemein anerkannte Definition gibt es jedoch nicht. Der Begriff Denkfabrik umfasst sehr unterschiedliche Institutionen, deren Gemeinsamkeit darin besteht, auf die Politik Einfluss nehmen zu wollen. Im Sprachgebrauch werden unter dem Begriff aber auch Institutionen subsumiert, die nicht politische Ziele verfolgen.


Zu den wichtigsten Funktionen von Denkfabriken zählt die Präsentation von Forschungsergebnissen und das Agenda Setting. Die Forcierung einer öffentlichen und wissenschaftlichen Debatte und die Beratung von Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit sind zentral. In den Vereinigten Staaten dienen Think Tanks der Ausbildung eines Pools von Experten, die später durch den Drehtür-Effekt als Regierungsbeamte Teil der Verwaltung werden.


Der Terminus "think tank" ist während des Zweiten Weltkriegs entstanden. Die Umschreibung galt einem abhörsicheren Ort (tank), an dem zivile und militärische Experten an militärischen Strategien arbeiteten (think). Erst in den 1960er und 1970er Jahren wurden damit praxisorientierte Forschungsinstitutionen auch außerhalb der Sicherheitspolitik etikettiert."


Es geht also (so habe ich das verstanden) um die Einflussnahme auf öffentliche Meinung vor dem Hintergrund Politik.


Ich will niemanden beeinflussen, schon gar nicht öffentlich; außerdem ist mir das Politische fremd. Einfluss nehmen will ich weder auf Politik noch Öffentlichkeit.


Zweitens habe ich mir mittlerweile bereits ein paar solcher Denkfabriken im Internet angesehen. Es ist für mich unvorstellbare für oder in Organisationen zu schreiben, tätig zu werden, die sich laut eigenem "Mission Statement" ohne Auftrag und frei auf die Suche nach neuen Wegen begeben, bislang aber trotz Mitarbeitern, Vereinsorganen und wissenschaftlichem Beirat nicht in der Lage waren, eine einzige neue Lösung anzubieten, zumindest einen neuen Weg aufzuzeigen.


Wenn jemand lösungsorientiert arbeiten will wäre es irgendwann einmal wünschenswert, eine Lösung für irgendein Problem anzubieten, die sich von bisherigen Lösungsansätzen unterscheidet.


So erschöpfen sich aber die "Ergebnisse" in Reproduziertem, längst Bekanntem.


Wiederkäuern kann jedes Rindvieh, diskutieren mögen andere - eine Diskussion hat schon begrifflich nur den Zweck, etwas zu untersuchen; dies unabhängig davon, ob es ein Ergebnis gibt oder nicht.


Wenn ich nachdenke, will ich zu einem (wenigstens für mich) schlüssigen Ergebnis kommen. Daher sind Diskussionen um des Diskutierens Willen für mich nur L'art pour l'art, im negativsten aller denkbaren Begriffssinne. Man könnte auch schreiben: nichts als warme Luft ... teilweise grafisch dargestellt, hübsch aufbereitet, viel Farbe und - viel Lärm um nichts.


Das sind im Wesentlichen die Gründe, warum ich niemals für einen solchen Thinktank schreiben oder sonst tätig werden würde.


Chr. Brugger


01.05.2020