So eine will ich auch

27.05.2020

Auf allen Kontinenten ist die "Wirtschaft" eingebrochen, weltweit werden bereits Milliarden-, nein Billionen-schwere, Hilfspakete geschnürt. Der COVID-19-Tornado hat eine Schneise im Wald der Ökonomie hinterlassen, das tatsächliche Ausmaß des damit einhergehenden Schadens ist noch nicht absehbar. Allerorts ist man noch mit den Aufräumarbeiten beschäftigt, denkt fieberhaft darüber nach, wie man das Fehlende ergänzen oder ersetzen, den verursachten Kahlschlag möglichst zeitnah wieder aufforsten kann.

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Es gibt aber auch Märkte bzw. Branchen, vereinzelte Nischen oder Segmente, die durch die, überwiegend als Last empfundene, Pandemie seit den Iden des März 2020 einen wahren Boom erleben, mit kaum noch erfüllbarer Nachfrage konfrontiert sind, mittlerweile, nie erwartet, unter vollgeschriebenen Auftragsbüchern leiden, Onlinebestellungen auch mit einer drastisch erhöhten Anzahl an Mitarbeitern nicht mehr bearbeiten können, längst an den Grenzen jeder nur erdenklichen Belastbarkeit angekommen sind. Produktionskapazitäten und Mitarbeiter sind erschöpft, Maschinen und Menschen geben den Geist auf, sogar Roboter drohen, wegen Dauererschöpfung, mit Streik, die Gewerkschaften rebellieren. 

Kautschuk, egal ob "Natur" oder "Synthese", ist nach und nach zur Mangelware geworden, am offiziellen Weltmarkt nicht mehr verfügbar; Latex und elastische Polymere kann man nur noch am Schwarzmarkt, einem Bereich der Schattenwirtschaft, erwerben. Auch die dort, kaum noch bezahlbaren, Bestände gehen langsam zur Neige.

Was aber hat den Milchsaftpreis in schwindelerregende Höhen getrieben, die Latex-Börsen veranlasst, den Aktienhandel einzustellen? Warum sitzen, knien oder stehen, anhaltend "gib Gummi"-rufende, landwirtschaftliche Mitarbeiter in Ländern wie Thailand, Indonesien, Malaysia, der Elfenbeinküste, in Brasilien, Myanmar und Kamerun in den Plantagen ihrer Arbeitgeber vor Bäumen, die auf den Namen "Hevea brasiliensis" hören? Warum treibt die "Mangelware" vor allem der Reifenindustrie den Angstschweiß auf die Stirn, die Zornesröte ins Gesicht, sind Kondome plötzlich Ladenhüter?

Die Antworten auf diese Fragen sind ziemlich einfach: Sexpuppen!

Der "Run" auf diese lebensgroßen Nachformungen meist weiblicher Körper wurde durch Ausgangsverbote, Quarantänebestimmungen, Distanzvorschriften, Gesichtsmaskentrageverpflichtungen, Abstandsregeln, Sperrgebiets- und Rotlichtviertelbetretungsverbote nicht nur beflügelt, sondern in schier unvorstellbare Höhen getrieben. Durch die beschriebenen Maßnahmen hat man, ob beabsichtigt oder nicht spielt dabei keine maßgebliche Rolle, dem nicht in trauter Zweisamkeit lebenden, meist männlichen, Teil der Bevölkerung den Zugang zur nicht eigenhändigen Befriedigung sexuellen Gelüste (noch dazu unangekündigt und von einem Tag auf den anderen) versperrt, dem Betreten fremder Wohnungen zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs einen Riegel vorgeschoben. Selbst in den eigenen vier Wänden konnte man (beispielsweise hierzulande) bis am 14.05.2020, 24.00 Uhr, legal nicht mehr sexuell aktiv werden. In vielen Ländern Europas ist das auch heute noch so - Lockerungsverordnungen werden immer wieder verschoben bzw. reduzieren sich auf exotische Bereiche, uninteressante Nebenschau- und Fußballplätze.

Es galt also, die weltweit geltenden "Aus- und Einreiseverbote" (wohin und in wen auch immer) zu umgehen, dennoch auf rechtlich sicherem Terrain (Teppich, Küchentisch, Badezimmer oder Bett) zum Höhepunkt zu gelangen.

Quelle: https://realpuppen.com/blogs/news/roboter-sexpuppen-fuhren-die-ki-ara-in-der-zukunftstechnologie-an

Die Lösung? Natürlich Sexpuppen - online bestellbar, unkompliziert, keine Fragen davor und danach, stets bereit, immer lächelnd. Was bislang als abartig, pervers oder unmännlich galt, den für die Realität zu schüchternen Losern vorbehalten blieb, war plötzlich kein notwendiges Übel mehr, vielmehr in und angesagt. Man(n) erkannte die Vorzüge der nach eigenen Idealen, Vorstellungen und Vorbildern angefertigten Gespielinnen (Atmung und Orgasmus inklusive). Keine teuren Cocktails, keine erfolgsnotwendigen Lügen, kein Braten, Garen oder die sonst üblichen Einladungen zum romantischen Dinner davor - all das war mit einem Schlag nicht mehr notwendig. Das meist ohnedies vom eigenen, hilflos überschätzten, Selbstvertrauen über Bord geworfene Dogma "füttere keine Pferde, die du nicht reiten kannst" hatte ausgedient, das angespannte Warten (kommt sie oder kommt sie doch nicht) ein Ende. Während des Vergnügens kann man endlich, ohne Gefahr zu laufen, dass dadurch der Wartenden die Lust abhandenkommt, gemütlich rauchen, telefonieren oder ungeniert mit der Nachbarin flirten. Aufreißen muss man davor nur noch das das Objekt der Begierde umhüllende Verpackungsmaterial. Vibratoren an allen vorhandenen Körperöffnungen ersparen auch den Vielseitigen bzw. Abwechslung Liebenden überflüssige Diskussionen, gewähren ungefragt und ungehindert Zugang zum gewünschten Vergnügen.

Verschlösse man die Augen, verwendete man eine Augenbinde, hätte man das Gefühl, mit der Frau seiner Träume zu verkehren, nicht mit einer betrunkenen Zufallsbekanntschaft, der ohnedies immer schlecht gelaunten Gelegenheitsfreundin, die man, endlich am Ende angekommen, möglichst rasch die Türe zur Wohnung von außen verschließen sehen wollte. Migräne, Müdigkeit und Menstruation dienen nicht mehr länger als Vorwand oder Ausrede. Diese spezielle Freundin ist, dem Motto "stets bereit" gehorsam, ständig (24/7) verfügbar und pflegeleicht. Blumen oder sonstige Geschenke, Liebesbriefe, Samthandschuhe, Einfühlungs- oder sonstiges Vermögen und Verständnis sind ebenso überflüssig wie spazieren- oder einkaufen zu gehen, die Familie kennen zu lernen, der besten Freundin, Studien- oder Arbeitskollegen vorgestellt zu werden. Die neue Freundin ist darüber hinaus genüg- bzw. sparsam - lauwarmes Wasser zur Reinigung und ab in die Ecke, den Schrank oder eben das Bett.

Der größte Vorteil ist bislang unerwähnt geblieben: Man kann die Freundin mit jedem Freund, dem Nachbarn oder wem auch immer teilen, ohne dass Eifersucht, gar Neid, ins Spiel kommt, einem Fremdgehwohlgefühl der neuen, unkomplizierten Art, einem uneigennützigen Zurverfügungstellen der nahezu unverwüstlichen Liebsten. Selbst bei unsachgemäßem (Fremd-) Gebrauch, wenn ihr sozusagen, im wahrsten Sinn des Wortes, die Luft ausgeht, ist nichts verloren. Dann kann man wenigstens das ohnedies nicht benötigte Fahrradschlauchflickzeug einer sinnstiftenden Verwendung zuführen.

Was bislang allerdings nicht bedacht wurde (darauf hat mich ein Freund soeben telefonisch aufmerksam gemacht); Frauen hätten weltweit auf den Ausschlag des Latexverbrauchs (in beinahe himmlische Sphären) reagiert; im Netz kursierten nicht nur frivol anmutende Gerüchte, mehr noch, Tatsachenberichte machten die Runde, #wetoo lautet seit Wochen anscheinend das Gebot der Stunde der "weiblichen" Community ; es soll sich dabei, allem Anschein nach, um eine reflexartig in Bewegung geratene, mittlerweile flächendeckendakkordierte Protestaktion handeln. Unklar sei bislang nur, weswegen sich die Frauen aller Länder verbündet hätten, wofür sie einstehen, was sie tatsächlich mit dieser Revolte bezwecken ... aber das ist bzw. wird wohl eine eigene Geschichte ....


Chr. Brugger

26.05.2020