Stresstest für das Schulsystem
Die für die Bildung der in Österreich zur Schule gehenden Kinder zuständigen "Gremien" (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung; BIFIE - Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens etc.) scheint derzeit nicht sehr viel anderes zu bewegen, als die Beantwortung der Frage, wie man im laufenden Schuljahr die Matura "über die Bühne", zu einem guten Ende, bringt.
Niemand scheint zu wissen, wie man mit der derzeitigen Situation umgehen soll; vermutlich wird schon wieder einmal allenthalben, landauf- und abwärts, evaluiert (beim vielstrapazierten "Evaluieren" dürfte es sich, so hat es den Anschein, wohl um die Lieblingsbeschäftigung der dafür Verantwortlichen handeln).
Dieses "nicht wissen wie" vermag an der vor allem für die Maturakandidaten unbefriedigenden Situation, an der künstlich am "köcheln" gehaltenen Intransparenz, welche Strategie man (so es eine solche überhaupt gib) tatsächlich verfolgt, jedenfalls nichts zum Besseren zu verändern.
Man könnte sich (und damit sehr vielen anderen Menschen) die Diskussion über Matura, "Not - Matura", "Matura - light" oder wie immer man diese Endlosdiskussion sonst noch bezeichnen möchte, ersparen, indem man endlich einmal etwas Vernünftiges beschließt: die Matura 2020 findet nicht statt - alle Absolventen des aktuellen Maturajahrganges erhalten ihre Matura per ministeriellem Erlass; dies unter der Voraussetzung, dass sich die Absolventen dazu verpflichten, ab sofort (in ähnlicher Form wie reaktivierte Zivildiener oder Milizsoldaten) der Allgemeinheit zur Verfügung zu stehen; dabei könnte man z.B. HTL-Schüler für einfachere technische Belange, HBLA-Schüler z.B. für die Landwirtschaft, Speisenzubereitung, AHS-Schüler für derzeit dringend erforderliche Tätigkeiten (Einkaufen für ältere Personen etc.) einsetzen.
Damit wäre (und das sehr kurzfristig) sowohl denjenigen geholfen, die momentan dringend Hilfe benötigen, den Schülern, weil sie u.a. von der latenten Sorge, ob, wie und wann sie ihre Ausbildung abschließen können, befreit wären; letztlich wäre eine solche "salomonische" Entscheidung auch für das zuständige Bundesministerium ein Segen; man müsste nicht mehr darüber nachdenken, wie man die "Kuh vom Eis" bringt (am Ende würde jede andere Entscheidung ohnedies nicht einmal mit einem "Befriedigend" bewertet werden).
Nicht nur für das sachlich zuständige Ministerium brächte eine solche Entscheidung (die man noch heute treffen kann) Klarheit; auch Schüler und Lehrpersonal würden davon profitieren - und letztlich natürlich all diejenigen, die jetzt - vor dem Hintergrund von COVID-19 - sehr zahlreich auf helfende Hände angewiesen sind.
Die "Bildungsexperten" könnten dann die Zeit (auch) dazu nutzen, sich Gedanken darüber zu machen, ob das derzeitige Bildungssystem nicht das Produkt einer, weit über das notwendige Maß hinausgehenden, "Hyperevaluierung" darstellt, den realen Gegebenheiten tatsächlich entspricht bzw. je entsprochen hat und vor allem darüber, ob nicht gesunder Menschenverstand - einfacher, schneller und vor allem kostenlos - ausreichen würde, um feststellen zu können, was für die Schüler tatsächlich notwendig, nützlich, hilfreich ist.
Solange ein großer Teil der Schüler kaum einen vernünftigen, fehlerfreien Satz in deutscher Sprache schreiben, nicht sinnerfassend lesen kann hat es keinen Sinn, solche Schüler mit "lebensnotwenigen" Themen wie Logarithmen ... und sonstigem "Unsinn" zu belästigen ...
noch ein paar (gut gemeinte) Anregungen:
- ersatzloses "Streichen" der vorwissenschaftlichen Arbeit ("wissenschaftlich" impliziert - zumindest für mich - ein Mindestmaß an eigenständiger Arbeit, ansatzweisen "Novitäten"); derzeit handelt es sich bei diesen Arbeiten um eine reine, mit Fußnoten versehene, Abschreibübung; das würde zumindest Kapazitäten für alle am Bildungsprozess Beteiligten frei werden lassen
- als Ergebnis der derzeit flächendeckend gut funktionieren "Heimarbeit" der Schüler sollten künftig (ab dem kommenden Schuljahr), zumindest in den Oberstufen, zwei Tage Home Office möglich sein (auch zum Erarbeiten neuer Lerninhalte); das wiederum würde die Selbständigkeit der Schüler fördern, diese wesentlich besser auf ein nachfolgendes Studium vorbereiten lassen
- aufheben der "Zwangsmaßnahme Zentralmatura": durch die von "Experten" bundesweit institutionalisierte, einheitliche Matura kommt es flächendeckend und systemimmanent zu einer Nivellierung des Bildungsniveaus nach unten ("kleinster gemeinsamer Nenner"); dadurch kann man auch den zahlreichen / zahllosen Schwerpunkten, für die sich viele Schuldirektoren nur deshalb entschieden haben, um Schülerzahlen möglichst "halten" zu können, nicht gerecht werden
Chr. Brugger
30.03.2020