Stilvolle Krisenbewältigung
Ein "Schlüsseldokument österreichischer Geschichte" wurde für ein paar Wochen zur Begutachtung aufgelegt – 11.845 Stellungnahmen zu einem rohdiamantartig anmutenden Gesetzesentwurf lassen auf allergrößtes Interesse "fachkundigen" Publikums schließen; lang zurückliegend angekündigt wie ersehnt, nun endlich Gewissheit; ein ganz großer Wurf des Ministranten für das Innere, eine siebenseitige, intellektuelle Glanzleistung samt umfassend erhellenden Erläuterungen – ein Geniestreich der heimischen Bundesregierung sozusagen, etwas ganz Besonderes, ein legistischer Schatz: Das "Ermächtigungsgesetz" für Krisen aller Art!
Quelle: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/etablierung-der-ns-herrschaft/ermaechtigungsgesetz.html
Wer sich allerdings in den März des Jahres 1933 zurückversetzt fühlt, irrt gewaltig; das Bundes-Krisensicherheitsgesetz (B-KSG) fußt auf sicherem, verfassungskonformem Boden, entspringt ("aus Verantwortung für Österreich") einem Vortrag vom Nationalfeiertag des Jahres 2021, einer Zeit also, zu der sich Schallenberg, LL.M. Kanzler und Nehammer, MSc noch Innenminister nennen durften.
Es heißt, zumindest selbst im Volksmund, ja nicht umsonst, dass endlich gut wird, was lange währt; und "der römische Dandy am Ende der Welt", wie die NZZ den Dichter Ovid liebevoll bezeichnet, gilt ohnedies als Garant für stilvolle Sentenzen aller Art; nur wenn beide irrten, bestünden Zweifel – das vorliegende "Krisenermächtigungsgesetz" ist aber zweifelsfrei über jeden Zweifel und alle Zweifler erhaben.
Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Ovid#/media/File:Latin_Poet_Ovid.jpg
Allen Kritikern sei gesagt: In einer Zeit "multipler Krisen", wie unser "Master of Science" (MSc) das so gerne nennt, steht eine dazu korrespondierende bzw. diesen Krisen gerecht werdende Rechtsgrundlage uns Österreichern nicht nur gut zu Gesicht, ist vielmehr eine unabdingbare Notwendigkeit, eine "conditio sine qua non" verantwortungsvoller Krisenbewältigungspolitik.
Wer die "Hauptgesichtspunkte des Entwurfs" nicht versteht, der darf dafür nicht den Texingtaler verantwortlich machen, sondern zeichnet für sein Unverständnis selbst verantwortlich; wer weder sinnerfassend lesen kann noch verseht, was nun eine (Bundes-) Krise sei, dem ist ohnedies nicht zu helfen – denn, wer als ehemaliger Bürgermeister für ein "Engelbert-Dollfuß-Museum" verantwortlich war, dem dürfen nicht reflexartig antidemokratische Gesinnung oder gar menschen-, grund- und freiheitsrechtsverletzende Tendenzen unterstellt werden.
Messerscharf, mit nahezu mikroskopischer Präzision veranschaulichen bereits die "Erläuterungen" zur Definition dessen, was das Zentrum des Ministerialentwurfes 245/ME XXVII. GP ausmacht – die Antwort auf die Frage, was eine Krise sei oder eben ausmache und wie sie zu bewältigen wäre.
Stil- und stimmungsvoll, feinfühlig, mit anständigem Takt und durchaus elegant nähert sich der Verfasser des "Pudels Kern" im, von Goethe in der "Tragödie erster Teil" beschriebenen, "Studierzimmer": "Da nicht auszuschließen ist, dass in Zukunft andere, bisher nicht vorhersehbare Phänomene auftreten, die das Potenzial haben, einen Krisenfall hervorzurufen, erscheint es dringend notwendig und sachgerecht, etwa durch Bezugnahme auf "sonstige Umstände" andere möglicherweise auftretende Erscheinungsformen mitzuumfassen. Eine zu enge und kasuistische Aufzählung der möglichen Szenarien riskiert, nicht bedachte oder bislang womöglich unbekannte Krisenfälle ungeregelt zu lassen und beschränkt somit den notwendigen Handlungsspielraum zur Bewältigung einer Krise".
Quelle: https://www.cicero.de/kultur/faust-goethe-200-jahre-drama-deutschland
Und dann folgt das "Allerheiligste", die definitionsgemäße Festlegung dessen, was als eine Krise zu bezeichnen wäre: "Demnach soll(!) eine (Bundes-) Krise dann vorliegen, wenn durch ein unmittelbar drohendes oder bereits eingetretenes Ereignis, eine Entwicklung oder sonstige Umstände in Bereichen, in denen dem Bund die Gesetzgebung und Vollziehung zukommt, eine außergewöhnliche Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Allgemeinheit, die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Inneren, die nationale Sicherheit, die Umwelt oder das wirtschaftliche Wohl eintritt. Phänomene, die das Potenzial haben, eine solche Gefahr für die genannten öffentlichen Interessen zu begründen, stellen etwa Katastrophen, Terrorismus, Pandemien, aber auch massive nationale und internationale Menschenbewegungen dar. Zu denken wäre beispielsweise auch an längerfristige Folgen von Mangellagen (zB Stromausfall, Ausfall von Verkehrsträgern). Ausreichend ist zwar, dass diese Gefahr unmittelbar bevorsteht, also eine potenzielle Gefahrensituation vorliegt. Dieses "Risiko" bedarf jedoch einer gewissen Qualität, die sich etwa aus spezifischen Anknüpfungspunkten sowie der Eintrittswahrscheinlichkeit der Gefahr ergibt".
Noch klarer wird der Begriff "Krise" durch die Legaldefinition in § 2 B-KSG: "Droht unmittelbar oder entsteht durch ein Ereignis, eine Entwicklung oder sonstige Umstände in Bereichen, in denen dem Bund die Gesetzgebung und Vollziehung zukommt, eine Gefahr außergewöhnlichen Ausmaßes für das Leben und die Gesundheit der Allgemeinheit, für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Inneren, für die nationale Sicherheit, für die Umwelt oder für das wirtschaftliche Wohl, deren Abwehr oder Bewältigung die unverzügliche Anordnung, Durchführung und Koordination von Maßnahmen im Zuständigkeitsbereich des Bundes dringend erforderlich macht, liegt eine Krise vor".
Wer das nicht versteht, sondern bloß von einer reihenweise verwendeten Anhäufung unbestimmter Gesetzesbegriffe schwafelt, dem ist nicht mehr zu helfen; eine Krise kann auch nur das sein, was sie ist, eben eine Krise – nicht mehr, aber auch nicht weniger; darüber hat dann, im Anlassfall, die Bundesregierung zu befinden bzw. mit Verordnung eine Krise festzustellen – basta!
Ein Beispiel gefällig? Ganz Österreich leidet seit Jahren bzw. Jahrzehnten unter einer, wissenschaftlich nachgewiesenen, Bildungsschwäche; Schulabsolventen sind überwiegend nicht einmal mehr in der Lage, sinnerfassend lesen und, wie zum Trotz, erst recht nicht fehlerfrei schreiben oder gar einwandfrei rechnen zu können; mit Fug und Recht ist, ob dessen, von einer Bildungskrise zu sprechen, einer Krise, die zweifelsfrei das wirtschaftliche Wohl des ganzen Landes betrifft bzw. gefährdet.
Nun müssten Nehammer, Polaschek & Co mit Verordnung feststellen, dass sich hierzulande eine "Bildungskrise" nicht nur anbahnt, sondern es sich eine solch veritable bereits recht gemütlich gemacht und über das ganze Staatsgebiet ausgebreitet hat (Bildung fällt, was Gesetzgebung und Vollziehung betrifft, gem. Art 14 B-VG in den Kompetenzbereich des Bundes).
Die Krisenbewältigung ist in § 13 B-KSG geregelt; demnach sind die Maßnahmen zur Krisenbewältigung durch das "jeweilige" Bundesgesetz geregelt; "bei der Festlegung dieser Maßnahmen ist auf die Bedürfnisse vulnerabler Gruppen besonders Rücksicht zu nehmen".
Im konkreten Fall müsste daher "ein" Bundesgesetz festlegen, wie die Bildungskrise zu bewältigen wäre bzw. wie vor allem Schülern & Studenten ihre mangelnde Bildung in den Griff bekommen und diese auf ein vernünftiges Maß anheben könnten, ein sog. "Bildungskrisenbewältigungsgesetz"; da Schüler vermutlich eine "vulnerable Gruppe" bilden, müssten deren Bedürfnisse besondere Berücksichtigung finden; es wird folglich nicht genügen, einfach einen Quotienten für ortsüblich angemessene Mindestintelligenz bzw. für alternative Bildungsmaßnahmen (gut zureden, liebevoll tätscheln etc.) vorzuschreiben.
Quelle: https://www.weekend.at/politik/armin-wolf-zerlegt-martin-polaschek-der-zib2
Es besteht aber meinerseits kein Zweifel daran, dass es Polaschek im Handumdrehen gelingen wird, selbst Grenzdebile auf Vordermann bzw. ein verträgliches Mindestbildungsniveau zu bringen; der vife Steirer hat es ja auch schon zuwege gebracht, binnen kürzester Zeit die Lehrpläne für alle relevanten Schulformen so zu gestalten, dass sie jedermann versteht, umfassend anwenden kann und das "vorgegebene Bildungsniveau" mühelos erreichbar wird - denn alle(!) Volks- und Sonderschüler, deren Eltern oder Lehrer lesen seit dem Inkrafttreten der 559-seitigen Abhandlung samt 21 Anlagen über das, was sie bzw. ihre Kinder und ihnen Anvertraute lernen, verstehen bzw. unterrichten müssen (Verordnung des BM für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, mit welcher die Lehrpläne der Volksschule und der Sonderschulen erlassen werden) nichts anderes mehr, beschäftigen sich rund um die Uhr nur noch mit dem, was eben Polaschek als wissenswert und nützlich betrachtet.
Kein Volk- oder Sonderschüler hantiert seitdem noch sinnbefreit mit seinem Handy herum, sieht sich stundenlang schwachsinnige Sendungen im Fernsehen an oder verbringt seine Schul- und Freizeit damit, zu posten, zu liken oder nach Nacktbildern seiner Sitznachbarn oder Pädagogen zu googeln – ein erster Schritt aus der Bildungskrise ist also getan; für den "Rest" wird jedenfalls das B-KSG bzw. dessen heilsbringende Umsetzung sorgen.
So einfach ist Krisenbewältigung – man muss das alles nur richtig ein- und zuordnen, darf nicht voreilig falsche Schlüsse ziehen, soll lange genug evaluieren und im Falle berechtigter Zweifel Experten beiziehen, die dann letzte Zweifel & Zweifler beseitigen bzw. beruhigen; man muss eben auch, vor allem in Zeiten multipler Krisen, einmal "Kante" zeigen, kann es dabei auch nicht dabei belassen, es würde wie immer alles von selbst oder aus sich heraus besser; manchmal braucht es eben einen kleinen Schups und alles orientiert sich wieder in die gewünschte Richtung; das ist richtig & wichtig zugleich; das B-KSG ebnet in jedem Fall den Weg zu einem krisenbefreiten oder zumindest einem gegen Krisen aller Art resilienteren Österreich – und nur das zählt am Ende – ob man das verstehen will bzw. kann oder auch nicht.
Chr. Brugger
06/03/2023