Sternstunden

06.08.2023

Der Begriff der "Sternstunde" ist eine durchwegs positiv konnotierte Metapher für Ereignisse und Entscheidungen, die Zukünftiges beeinflussen, deren tatsächliche Relevanz naturgemäß aber erst im Nachhinein beurteilt werden kann; Jahre, Jahrzehnte oder Jahrhunderte später wird das, was sich ereignet hat oder entschieden wurde, zum "Glanzpunkt" (oder eben doch nicht).

Quelle: https://medien.srf.ch/-/olivia-rollin-moderiert-neu-sternstunde-religion-</p>

Bekannt bzw. populär wurde die "Sternstunde" vor allem durch Stefan Zweigs "Vierzehn historische Miniaturen", den "Sternstunden der Menschheit"; aber schon Zweig wusste: "Auch in dieser "geheimnisvollen Werkstatt Gottes", wie Goethe ehrfürchtig die Historie nennt, geschieht unermesslich viel Gleichgültiges und Alltägliches. Auch hier sind wie überall in der Kunst und im Leben die sublimen, die unvergesslichen Momente selten" – Sternstunden hingegen "überglänzen leuchtend und unwandelbar wie Sterne die Nacht der Vergänglichkeit".

"Sternstunden" sind, zumindest wenn es nach Zweig geht, eher selten: "Immer sind Millionen von Menschen innerhalb eines Volkes nötig, damit ein Genius entsteht, immer müssen Millionen Menschen müßige Weltstunden verrinnen, ehe eine wahrhaft historische, eine Sternstunde der Menschheit in Erscheinung tritt"; "solche dramatisch geballten, solche schicksalsträchtigen Stunden, in denen eine zeitüberdauernde Entscheidung auf ein einziges Datum, eine einzige Stunde und oft nur eine Minute zusammengedrängt ist, sind selten im Leben eines einzelnen und im Laufe der Geschichte".

Nun wollte Zweig, davon gehe ich aus, durch den Gebrauch des Wortes "Genius" nicht den Versuch unternehmen, den römischen Schutzgeist der Männer als Metapher für deren Persönlichkeit, Schicksalsbestimmung oder Zeugungskraft zu bemühen, der ja zwangsweise mit dem Tod der Durchdrungenen erlischt, sondern viel eher trachtete er vermutlich danach jene menschlich-schöpferische Geisteskraft zu beschreiben, die mit Intelligenz, Relevanz und Denkvermögen vermessen wird, also ein "Genie" im "herkömmlichen" Sinn.

Quelle: https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/zeitzeichen/zeitzeichen-stefan-zweig-104.html</p>

Selbst meine interpretative Anmaßung kann nichts daran ändern, dass entscheidungsrelevante Ereignisse immer noch höchst selten auf sublimen (feinsinnig veredelten) Stauden erblühen oder gar "wahrhaft Historisches" von eben denselben zu ernten wäre.

Just vor dem Hintergrund der global grassierenden "Sehnsucht nach dem Außergewöhnlichen" ist mittlerweile das genaue Gegenteil der Fall: Das ungebildet Gewöhnliche, alltäglich Ordinäre oder oberflächlich Triviale oder eben das, was für "normal" gehalten wird, ist zum Maßstab des menschlichen Anspruchsdenkens in allen intellektuellen Belangen verkommen; unnütze Banalitäten & irrelevante Nichtigkeiten haben in nicht nur in den diversen, kaum noch überschaubaren, digitalisierten Kommunikationskanälen Heimat oder Zuflucht gefunden, sich dort eingenistet bzw. gemütlich eingerichtet; die ca. 5 Milliarden Menschen umfassende Heerschar der "social media users worldwide" gibt vor jedem "Login", brav wie devot und selbstverständlich, ihr restlich verbliebenes Denkvermögen ab – oder anders formuliert: Aus den digital-virtuellen Räumen ist noch jeder dümmer herausgekommen, als er es beim Betreten derselben bereits gewesen ist.

Das Interessante oder Bemerkenswerte daran ist allerdings, dass das jeder "User" weiß oder zumindest vorgibt zu wissen und es dennoch tut, indem er sich laufend "einloggt"; wer eine heiße Herdplatte ein zweites Mal bewusst mit seinen bloßen Händen "in Anspruch nimmt" gilt als dumm; versucht es jemand noch öfter, ist er debil; wird das Verhalten allerdings zum Dauerzustand, müsste selbst ein Debiler begreifen, dass er (im ursprünglichen Sinn des Wortes) nichts mehr begreifen kann.

Insofern ist es, zumindest für mich, keine allzu große Überraschung, dass sich die Zeit der wahren Sternstunden in den vergangenen Jahren auf ein paar Millisekunden verkürzen ließe; um ehrlich zu sein, fällt mir nicht einmal mehr ein singuläres Ereignis ein, von dem ich guten Gewissens behaupten könnte, es hätte auch nur ansatzweise etwas mit dem zu tun, was Zweig u.a. als "das Genie einer Nacht" zu einer seiner Sternstunden verdichtet hat – wenn der, Knut Hamsun zugeschriebene, Satz "das Genie ist ein Blitz, dessen Donner Jahrhunderte währt" für bare Münze zu nehmen wäre, dürfte hierzulande seit geraumer Zeit kein Gewitter mehr stattgefunden haben.

Quelle: https://www.digitalwelt.org/themen/social-media/social-media-experten-bloedsinn</p>

Leider kommt, was mittlerweile zu einer missverstandenen "Tradition" verkommen ist, an dieser Stelle auch noch und zu allem üblen Überdruss die sog. "Parteipolitik" ins Spiel, deren Protagonisten und willfährige Handlanger in Gestalt von ministerialbeamteten SchwachköpfInnen vor allem unseren Kindern & Jugendlichen glauben machen wollen, also vorgaukeln, an ihrem pathologisch absurden Digitalisierungswahn teilhaben zu müssen; vom Kindergarten aufwärts wird daher, scheinbar aus einem perversen Bildungsverständnis heraus, in den staatlichen "Lerneinrichtungen" der Eingang in die digitalen, öffentlich geförderten wie hofierten, Intelligenzvernichtungskammern sperrangelweit geöffnet, um der grenzenlosen Dummheit möglichst viel Raum zu bieten, wo dann die Volksverblödung fröhliche Urständ feiern darf.

Bei der intellektuellen und sonstigen "Performance" unserer ParteipolitikerInnen, MinisterialrätInnen und BildungsdirektorInnen wird es folglich nicht mehr allzu lange dauern, bis jemand aus diesem "erlauchten", dauerevaluierenden Missbildungskreis der Idee verfällt, ein "Grundrecht auf den Laptop samt 5G-Anschluss" zu fordern.

Und dann reiben sich diese Volksverblöder ganz erstaunt die Augen und wundern sich, dass es allerorts nicht nur an Fachkräften mangelt, sondern die überwiegende Mehrheit der AbsolventInnen weder sinnerfassend lesen noch schreiben oder rechnen kann.

Na gut, könnte man sagen, dafür kann die "Community" einwandfrei und stundenlang unreflektiert "Messengern", "chatten", "streamen", "liken" oder "posten" bzw. "hashtagen", an "Shitstorms" teilnehmen, dem "social Proof" glauben, ungeniert dem "Clickbaiting" frönen oder einfach nur "followen" und all das über sich ergehen lassen, was das "Netz" an Perversem zu bieten hat … alles Fähigkeiten, die einem (zurück im tatsächlichen Leben) enorm dabei helfen, seiner digital verhunzten Persönlichkeit Herr oder Frau zu werden, gar einen Beruf auszuüben oder von der (parteipolitisch) hausgemachten, digitalen Sucht wieder loszukommen; als wäre die globale "Verhandysierung" (samt allen unliebsamen Folgen), die mittlerweile eben dieselben Anwendungen ermöglich wie jeder Laptop, nicht bereits Anlass genug, massiv gegenzusteuern, befeuern die heimischen Bildungstheoretiker in ihrer gnaden- wie gedankenlos befremdlichen Profilierungsneurose, in einem nahezu vergewaltigungsähnlichen Digitalisierungsrausch die Sucht nach allem Virtuellen.

Es kommt daher vermutlich nicht von ungefähr, dass der heimische "Oberhammer" Alkohol & Psychopharmaka bemühen muss, um die triste Lage etwas zu entspannen; sein "Statement" könnte insofern, nähme man diesen Schwachsinn für bare Münze, als "Pars pro Toto" bzw. Synonym für (s)ein ganzes System Verwendung finden: "Solange wir das Volk von den Realitäten fernhalten, kann kaum jemand der Idee verfallen, uns für unser kollektives Versagen, das unserer geistigen Verwahrlosung entspringt, mit einem nassen Fetzen aus unseren Ämtern zu jagen" – so oder so ähnlich dürfte folglich die Nehammer-Doktrin lauten, das mutmaßliche Glaubensbekenntnis eines scheinbar völlig Verwirrten.

Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=Mr3crqiqoPw</p>

Wie zum Trotz oder als schlagenden Beweis für das eben Beschriebene, hat unser ranghoher Verwaltungs-Fuzzi (Fuzzi = nicht ernst zu Nehmender) daher justament unlängst auf Facebook, der Meta-Plattform eines im Silicon Valley beheimateten US-amerikanischen Internetkonzerns, (https://m.facebook.com/nehammerkarl/videos/was-ist-normal/1365927190945733/) erklärt, was denn (für ihn) "normal" sei; nun vermochte er (Nehammer) zwar in seiner "Ich sage euch"-Frohbotschaft nicht zu definieren, was denn (selbst für einen wie ihn) "normal" wäre – dafür wurde sein "Spaßbeitrag" zu einer, an Dämlichkeit kaum zu überbietenden und auf seine Parteigenossin Mikl-Leitner zurückzuführende, Debatte rund dreitausendmal kommentiert; die Bilanz der "Kommentare" ist ernüchternd (und nachzulesen); im Darknet ist (vermutlich ob dessen) tagelang das bislang unbestätigte Gerücht kursiert, es handle sich bei diesem Sprachbeitrag um das Fake-Video eines frühreifgewordenen Sonderschulabsolventen.

Selten kann aber auch heutzutage eine Binsenweisheit ("Wie der Herr, so´s Gescherr") mehr für sich in Anspruch nehmen, allgemeine Gültigkeit zu besitzen; so ließ beispielsweise Obersheriff GeKa vor ein paar Tagen (31.07.2023) aufhorchen, als er sich bemüßigt fühlte, zum Thema "Pushbacks" Stellung zu beziehen: "Ich möchte an dieser Stelle noch und auch hier klar unterscheiden: Pushbacks ist(!) gewaltsames Zurückstoßen, das selbstverständlich illegal ist. Aber natürlich gibt es die Möglichkeit Menschen zurückzuweisen".

Damit liefert er mühelos den Beweis für seine eigene, intellektuell bedingte, Amtsunfähigkeit; die global anerkannte, wie unumstrittene Definition sog. "Pushbacks" hätte unser Innenministrant nämlich mühelos auf der Homepage des "European Center For Constitutional And Human Rights" (https:// www.ecchr.eu/glossar/push-back/) nachlesen können: "Pushbacks sind staatliche Maßnahmen, bei denen flüchtende und migrierende Menschen – meist unmittelbar nach Grenzübertritt – zurückgeschoben werden, ohne die Möglichkeit einen Asylantrag zu stellen oder deren Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen zu lassen. Pushbacks verstoßen u.a. gegen das Verbot der Kollektivausweisung, das in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben ist."

Quelle: https://exxpress.at/karner-zu-asyl-problem-sanfte-pushbacks-sollen-von-eu-abgesegnet-werden/

Ob der völlig absurden, nicht nur gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßenden, Rechtsansicht, die GeKa vertritt, wird es nicht allzu lange dauern, bis sich neben Ungarn Kroatien, Slowenien, Griechenland und Spanien auch Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verantworten muss; wer dermaßen unkundig bzw. ungehobelt-unbeholfen ist (wie G. Karner), darf sich nicht wundern, wenn er medial an den Pranger gestellt oder durch den Kakao gezogen wird; auffällig geworden ist Karner in diesem Zusammenhang bereits im Jänner diesen Jahres, als er etwas von "sanften" Pushbacks faselte, die von der EU einfach abgesegnet werden sollten.

Diese "Beweisführung" ließe sich mühelos auch für andere (Tanner, Edtstadler, Schallenberg, Plakolm, Polaschek & Co) fortsetzen; allein, es würde das Problem weder besser beschreiben noch lösen.

Quintessenz all dessen ist aber leider, dass wir es an der Spitze der heimischen Verwaltung überwiegend nicht mit besonders "Glänzenden" sondern bedauerlicherweise bloß mit matt schimmernden "Nieten" zu tun haben, denen alles andere wichtiger ist als die tatsächlichen Probleme, mit denen man sich eigentlich zu beschäftigen hätte; klar ist daher aber auch, dass wir auf geniale Sternstunden vergeblich warten; ginge es nach Eugène Delacroix wäre ein Genie nichts anderes, "als ein Wesen von überlegenem Verstand"; sobald es allerdings bereits am erforderlichen Verstand fehlt, sollten wir uns beim "Überlegenem" nicht aufhalten.

Je länger ich das eben skizzierte "Bild" betrachte, mich damit beschäftige und darüber nachdenke, desto häufiger erinnere ich mich an einen Bericht über das Museum für Medizingeschichte in Philadelphia: "Das Museum für Medizingeschichte in Philadelphia beherbergt einige seltsame Präparate. Bei einem Ausstellungsstück aber drücken sich die Besucher scharenweise ihre Stirn an der Vitrine platt. Das beliebteste Ausstellungsstück ist ein Holzkistchen voll mit Objektträgern: Albert Einsteins Gehirn, in 46 dünne Scheiben geschnitten. Über einem Glasplättchen ist eine Lupe angebracht, durch die man ein briefmarkengroßes Gewebestück genauer betrachten kann. Die eleganten Strukturen und Verzweigungen sehen aus wie ein Flussdelta von oben".

Quelle: https://www.dw.com/de/teile-von-einsteins-gehirn-im-museum/a-43880700

Die Frage, die ich mir nun nicht unerwartet stelle, ist die folgende: Was würde man (durch eine Lupe) sehen, wäre im Wiener Naturhistorischen Museum irgendwann das Gehirn eines derzeit herumhantierenden, heimischen "Spitzenpolitikers" in ähnlicher Form ausgestellt wie "Einsteins Gehirn"?

Vermutlich wäre der Unterschied frappant; dennoch, so reizvoll es sein könnte: Eine Antwort erspare ich (nicht nur) mir, sondern vielmehr noch denjenigen, die für ein solches Experiment ohnedies (warum wohl?) nicht in Frage kämen … die Spatzen pfiffen es, welch Wunder, aber längst von den Dächern – ein Genie, wer Böses dabei dächte.

Chr. Brugger

04/08/2023