So funktioniert Demokratie

02.02.2024

Wer sich in Österreich noch für das interessiert, was immer noch unter der Rubrik "Politik" firmiert, lebt hierzulande gleichsam im Paradies; es vergeht keine einzelne Stunde, in der nicht "Politiker" aller Couleur auf Bildschirmen erscheinen und in diversen sozialen Medien Videos & Postings veröffentlicht werden; allabendlich sind in diversen Formaten Diskussionsrunden mit "Politikern" oder eben über diese zu sehen; dazu kommen Interviews, Ansprachen, Auftritte bei den unterschiedlichsten Festen oder Veranstaltungen; in den sog. Printmedien gehören die Schlagzeilen nahezu ausnahmslos den "Politikern"; sie sind sozusagen Dauerabonnenten der ersten, weil meistgelesenen Seiten.

Es ist mittlerweile Usus, guter Brauch also, dass die "Politik" bzw. das "Politische" die Szene der Berichterstattung dominiert.

Quelle: https://global-geography.org/af/Geography/Europe/Greece/Pictures/Chalkidiki/Aristoteles_and_Platon

Ich kann mich des Eindrucks nicht länger erwehren, "Politik" sei alles, müsse jeden interessieren, bloß ihr stünde unser aller ungeteilte Aufmerksamkeit zu; wer sich nicht dafür begeistern kann, dem wird nicht Desinteresse attestiert, vielmehr Demokratiefeindlichkeit oder fragwürdig subversives Verhalten.

Nun kann man sich fragen, warum das so wäre oder geworden ist; "Politik" bzw. das, was sie anstellt, bezweckt oder in Ausnahmefällen bewegt, durchdringt alles Lebensbereiche der Gesellschaft; es gibt keine nennenswerten Bereiche mehr, in denen "Politik" keine Rolle spielte; es sind kaum noch unregulierte, gesellschaftlich relevante Felder vorhanden, auf denen nicht längst "Politik" ihre Spuren hinterlassen hätte; sei es durch Gesetze, Verordnungen, verbreitete Meinungen, Aussagen, Forderungen, Erklärungen oder sonstige, alle Spähern durchdringende Inhalte; selbst der private Bereich ist "politikverseucht": Wohnen, Arbeiten, Familie, Bildung, Ernährung & Freizeit sind ebenso "politisch" reglementiert wie das Kindesalter und der eigene Tod.

Dächte man sich heutzutage alles "Politische" weg, hieße es allenfalls sogar rien ne va plus – vielleicht ginge nichts mehr.

Quelle: https://www.energieleben.at/zu-demokratie-gehoeren-alle-menschen/

Das war nicht immer so; das "Politische" ist eine Errungenschaft der Antike, jener Zeit also, in der wahrlich kluge Köpfe wie Aristoteles sich veranlasst sahen, die Angelegenheiten des Gemeinwesens gedanklich zu durchdringen und strukturell zu erschließen; von Anbeginn an gab es letztlich aber immer zwei entscheidende Fragen: Wie erlangt man Macht im Staat und wie erhält man sie sich?

In Österreich wäre es prinzipiell so, dass die Macht vom Volk auszugehen hätte; der überwiegende Teil des Volkes hat aber, vor allem tagsüber, etwas anderes zu tun, als sich um jene Agenden zu kümmern, die das Volk betreffen; das Volk ist aus diesem Grund gezwungen, seine Macht auszulagern bzw. denjenigen anzuvertrauen, die ihm von der Bundesverfassung vorgeschrieben werden: Gem. Art. 26 B-VG i.V.m. § 42 Nationalrats-Wahlordnung 1992 u. § 1 Parteiengesetz 2012 sind das die sog. "politischen" Parteien, die ihrerseits wiederum entscheiden, welche Personen der Gesetzgebung angehören und welche wiederum der Verwaltung.

D.h. also – sozusagen im Umkehrschluss – dass wir, das Volk, nur bei Wahlen die Möglichkeit haben, uns für eine der wahlwerbenden Parteien zu entscheiden; unmittelbar nach unserer Wahlentscheidung liegt alle Macht in den Händen "politischer" Parteien bzw. deren Mitgliedern; inhaltlich, also darauf, was "politisch" entschieden wird, hat das Volk keinerlei Einfluss; es ist auf Gedeih & Verderb den Parteien ausgeliefert; das "Recht", also die Macht bzw. Staatsgewalt geht, wenn überhaupt, lediglich indirekt vom Volk aus; das Volk kann nicht wählen, wen es will – es kann sich lediglich für eine wahlwerbende Partei bzw. deren Proponenten entscheiden; es hat zwar ein Wahlrecht aber keine freie Wahlmöglichkeit; wer nicht kandidiert, ist unwählbar; damit sind mehr als ¾-tel der Österreicher von einer Wählbarkeit aufgrund der Tatsache, keiner wahlwerbenden Partei anzugehören, de facto "politisch" ausgeschlossen.

Ob dieses Procedere sonderlich demokratisch ist, mögen andere beurteilen – klar ist aber, dass damit das Recht nie & nimmer vom Volk ausgeht, vielmehr von "politischen", wahlwerbenden Parteien und davon, wer wiederum in eben diesen gerade das Sagen hat.

Auf das Wie, wie also regiert und verwaltet wird, hat der Wähler nicht den geringsten Einfluss – er wird seiner Autorität an der Wahlurne verlustig!

Quelle: https://wrneudorf.spoe.at/spoe-im-nationalrat-fuer-menschlichkeit-und-grundrechte-oevp-und-gruene-stimmen-dagegen/

Aufgrund entsprechender gesetzlicher Regelungen ist ebenso klar, dass wir, das Volk, diese "politischen" Vereine finanziell erhalten müssen; hunderte Millionen Euro, die wir, das Volk, erarbeiten dürfen, fließen – jahrein jahraus – in die parteilichen Kanäle und türmen sich über die Jahre hinweg zu Milliardenbeträgen auf; unabhängig davon, ob wir, das Volk, das wollen oder nicht; auf das diesbezügliche Modell der Finanzierung von Parteien haben wir keinerlei Einfluss.

Das klingt komisch, ist aber so; das ist (unsere) Demokratie, auf die wir stolz zu sein haben.

Zusammengefasst bedeutet das, dass wir, das Volk, uns in unregelmäßigen Abständen wahlweise für eine der wahlwerbenden "politischen" Parteien entscheiden können und damit die Verantwortung für das, was uns betrifft bzw. widerfährt "politischen" Vereinen übertragen, deren jeweiligen Führungsorganen und letztlich sogar den Obmännern / Obfrauen derselben.

Über diesen, ach so demokratischen, "Umweg" erwählen wir uns gleichsam ein, wenn auch immens teures, Rundumsorglospaket; wir autorisieren "Politiker" darüber zu befinden, was gut für uns ist bzw. uns zum Vorteil gereicht bzw. schadet; wir lassen uns wahlweise von der einen oder anderen "politischen" Partei verwalten, reglementieren und vorschreiben, was wir tun dürfen, wie wir uns zu verhalten haben – ob uns das recht ist oder passt, ist allerdings einerlei; das ist aber eben der Preis dafür, dass wir uns über uns, die Gesellschaft, keine großen Gedanken machen müssen; die von uns gewählten bzw. ignorierten "Politiker" werden schon wissen, was uns zupasskommt.

Quelle: https://www.facebook.com/sjoe.at/photos/a.297222520866/10156064496810867/?type=3

Speziell in Jahren, in denen Wahlen bevorstehen, steigt das Interesse der Wählerwerbenden, uns, die Wähler, mit allerlei Plänen zu umgarnen; diese Pläne beinhalten das schriftgewordene Substrat dessen, was sich "kluge" Köpfe für uns erdacht haben, damit wir uns ihnen anvertrauen, indem wir just ihnen unsere Stimmen geben.

Es gibt sogar Pläne, die über das Jahr der Wahl hinaus gültig sein wollen; neuerdings reicht der "parteipolitische" Horizont bei einer Partei sogar bis ins ferne Jahr 2030; die ÖVP, respektive ein gewisser Karl Nehammer, determiniert sich gleichsam selbst final, orchestriert diesen Plan vor eigenem Publikum und reklamiert die euphorische Stimmung der anwesenden Claqueure als Erfolg für sich.

Spätestens seit dem 26.01.2024 wissen also selbst die Dümmsten unter uns, dass der Wahlkampf begonnen hat und was uns darob erwarten wird: Lügen, Lügen & noch mehr Lügen …

Es gehört nämlich zur guten heimischen Tradition, dass vor allen Wahlen viel versprochen und danach kaum etwas davon auch tatsächlich erfüllt wird; wer aber verspricht und wissen muss, dass das, was versprochen wird, nicht einzuhalten ist, lügt, täuscht & betrügt uns, die Wähler.

Naturgemäß sind "Politiker", das ist ebenso "part oft he game", nie um Ausreden verlegen, wenn es darum geht zu erklären, warum Versprechen nicht eingehalten wurden; schuld sind prinzipiell immer die anderen, geänderte Umstände oder unvorhersehbare Krisen; man wollte ja, nur konnte man eben nicht …

Quelle: https://www.dorotheum.com/de/l/6791571/

Das ist, wenn man so will, das Perpetuum Mobile der heimischen "Politik": Lügen, lügen & noch einmal lügen – und wir, das Volk, sehen zu, bezahlen das auch noch  und schweigen.

Um an dieser Stelle der Wahrheit noch einmal die Ehre zu geben: In der zweiten Republik sind nicht alle Parteien für den Betrieb dieses nie endenden Lügenringelspiels verantwortlich: Seit dem 21.01.1987 regiert bzw. "politisiert" die ÖVP durchgehend irgendwie mit und ca. 69 Jahre lang war die SPÖ "mit von der Partie"; diese beiden Parteien sind daher, wenn man will, die Garanten der Aufrechterhaltung eines befinden Systems, das mancherorts immer noch als demokratisch gilt.

Quelle: https://comrecon.com/wp-content/uploads/2019/09/4_OEVP_einer_der_auf_unsere_Werte_schaut.jpg

Und eines steht heute schon fest: Nach der nächsten Nationalratswahl sind wir, das Volk, für eine weitere "Periode" alle Sorgen los – und danach leider wieder einmal all unserer Illusionen beraubt; aber auch das ist Teil des "politischen" Spiels.


Um nicht darauf zu vergessen; es gibt ganz vereinzelt Versprechen, die tatsächlich gehalten werden:

Quelle: https://www.vienna.at/fuer-uns-alle-oevp-praesentiert-erste-offizielle-wahlplakate/5451705

... Kurz & Köstinger haben das getan, was richtig war - sie sind gottlob zurückgetreten ... 


Chr. Brugger

02/02/2024