Schlafwagenfußball
Das Schlimmste zuerst: Der ORF-Reporter des letzten Qualifikationsspiels in der Nations League, Oliver Polzer, hat gestern am Abend einmal mehr unter Beweis stellen dürfen, wie man selbst ein (aus österreichsicher Sicht) grottenschlechtes Fußballspiel mit vollkommen sinnentleerter Phrasendrescherei noch schlechter machen kann. Zumindest kann man Polzer dadurch entkommen, dass man nach seinen ersten "Fachkommentaren" einfach den Ton abdreht, um das Gespiele noch irgendwie ertragen zu können.
Wie bereits in den letzten Spielen gegen Luxemburg und Nordirland hat sich die österreichische Fußballnationalmannschaft redlich bemüht, möglichst wenig oder gar nichts zustande zu bringen - und: Das ist durchaus respektabel gelungen.
Ohne jedwede Ambition, lustlos, auf allen Linien des Spielfeldes enttäuschend; ohne taktisch erkennbares Ziel, hölzern, schläfrig, fahrig und stillos.
Nun sieht der Präsident des ÖFB, Leopold Windtner aber durchaus eine "gute Entwicklung", "im Kader sei man breiter aufgestellt", das "Dogma sei, bei Großveranstaltungen dabei sein zu wollen".
Damit verkennt Windtner scheinbar völlig die traurige Realität. Der Gewinn der Nations League Gruppe kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die fußballspielende Nationalmannschaft (vom Trend her) im Sinkflug befindet und bald am Boden des tatsächlichen Unvermögens aufschlagen wird.
Lainer, Ilsanker, Hinteregger und Ulmer - eine chaotische Abwehrreihe der besonderen Art; Fehlpässe ohne Ende, stümperhafter Spielaufbau - am Ende alles nur ein unnütz- und zielloses Unterfangen.
Schlager eine "blonde Witzfigur", Sabitzer unmotiviert, Baumgartlinger technisch und spielerisch überfordert, Ranftl ein völliger Fremdkörper.
Und selbst Alaba: Bloß ein Schatten seiner selbst; Pässe ins Nirvana und Eckbälle wie in einer Schülermannschaft.
Die einzigen positiven Erscheinungen: Torhüter Pervan und Arnautović, sowie Grbic mit einem weiteren Tor im Nationalteam.
Wenn man es sich antut, dem "Schlafwagenfußball" des Nationalteams zwei Halbzeiten lang zuzusehen, braucht es zumindest ein gerütteltes Maß an selbstquälerischem Stehvermögen. Das Tempo des Spiels erinnert an die achtziger Jahre bzw. eine Übertragung in der technischen Form "Slow Motion" (Zeitlupe).
Die Darbietung "unseres" Nationalteams war in Summe eine Zumutung für jeden Zuseher; Corona sei Dank, dass sich nicht auch noch tausende Stadionbesucher mit der abgelieferten Leistung den Abend verderben lassen mussten.
Wie unreflektiert manche Spieler mit dem Dargebotenen, insbesondere der eigenen Leistung, umgehen, erhellt das Gefasel von Xaver Schlager in einem Interview nach dem Spiel, insbesondere zum Thema "dreckiger Fußball". Einsicht oder Selbstkritik sind einem, den man, mangels bisheriger sportlicher Erfolge, nach wie vor, wenn überhaupt, nur als Nachwuchstalent bezeichnen kann, scheinbar vollkommen fremd. Trotzig-naiv wie ein Kleinkind, welt- und realitätsfremd darf man sich anhören, wie ein unreifes Bürschchen seine Sicht der Spielweise darstellt.
Davon, dass man gegen Nordirland und Norwegen nur mit viel Glück nicht verloren hat, ist nicht die Rede; scheinbar leben die Mitglieder des österreichischen Fußballnationalteams neuerdings nach dem "Motto" des französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau: "Glück besteht aus einem soliden Bankkonto, einer guten Köchin und einer tadellosen Verdauung."
Das scheint zu genügen, um den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden - anders ist das fehlende Engagement der Protagonisten nicht erklärbar.
Im Sinne der von Oliver Polzer zu Tage bzw. ins Mikrofon beförderten Sprachkünste könnte man, ob der abgelieferten Leistungen, die Nationalteamspieler mit Fug und Recht auch als "Fußballnasenbohrer" bezeichnen. Eine solche Ausdrucksweise darf aber durchaus dem moderierenden Selbstverständnis von Polzer vorbehalten bleiben.
Eine Alternative wäre auch, dass Teamchef Foda (so wie der Gegner von gestern) aus der Not eine Tugend macht und zum nächsten Länderspiel nur Spieler einberuft, die bislang wenig oder gar keine Länderspielpraxis haben - schlechter kann es in jedem Fall nicht mehr werden. Die bunt zusammengewürfelte, zweite "Garnitur" der Norweger war jedenfalls dem A-Team von Österreich in allen, fußballerisch relevanten, Belangen haushoch überlegen; und das nach nur einem Tag gemeinsamen Trainings. Mit dieser Strategie könnte sich der ÖFB künftig auch die zeit- wie kostenintensiven Trainingslager bzw. Vorbereitungslehrgänge sparen, die offensichtlich ohnedies nichts bringen.
Chr. Brugger
19/11/2020