Prostitution in Zeiten wie diesen
Was hat man in den letzten Wochen nicht alles lesen, ertragen müssen. Der österreichische Fußball beispielsweise jammert seit Wochen darüber, dass man ihm bzw. den betroffenen Vereinen mit dem Verbot von Fußballspielen die Existenzgrundlage entziehe. Ex-Politiker, LH außer Dienst, Hans Niessl (Präsident der Bundessportorganisation) forderte Sportminister Kogler mehrfach auf, eine Akontozahlung in Höhe von wenigstens € 100.000.000,00 für österreichische Amateur- und Profisportler zu Anweisung zu bringen, ansonsten man von einem Sportvereinssterben auszugehen hätte.
Künstler aller Genres wiesen mehrfach auf ihre beklemmende Situation hin, ihre finanziellen Einbußen, die sie wegen abgesagter Konzerte, ausbleibender Auftritte, geschlossener Ausstellungen, den sonst, Einnahmen verheißenden, verbotenen Veranstaltungen hinzunehmen hätten.
Die Gastronomie rebelliert, zumal sie trotz des herrlichen, von Schönwetter dominierten, Frühlings ihre Gaststätten und Gastgärten geschlossen halten müssen. In dieselbe Kerbe schlägt die Hotellerie.
Diese Bereiche werden von Interessenvertretungen unterstützt, teilweise von mächtigen Verbänden, mehr oder weniger gut organisierten sonstigen Institutionen; allesamt mit politischem Wind im Rücken.
Für die Fußballspieler der ersten Bundesliga wird es (aus welchen Gründen immer) sogar eine Ausnahmeregelung geben, den Künstlern wurde zumindest finanzielle Unterstützung in Aussicht gestellt. Für die sonstigen Wirtschaftsbetriebe wurde vom Nationalrat ein fast fünfzig Milliarden teures Paket geschnürt, wiewohl sich die Abwicklung bzw. Auszahlung der finanziellen Mittel nach wie vor und entgegen mehrfacher Zusagen immer noch hinzieht.
Seit Anfang Mai sind nun wieder fast alle Gewerbebetriebe geöffnet; Gastronomie und Hotellerie folgen am 15.05. bzw. 29.05.2020.
Das Erfreuliche zuerst: seit 01.05.2020 unterliegt der sexuelle Verkehr mit nicht im selben Haushalt wohnenden Personen keinen wesentlichen Einschränkungen mehr (Eigenverantwortung & Vernunft dienen dabei als Maßstab für ein ungetrübtes Sexualleben).
Von der COVID-19-Lockerungsverordnung - COVID-19-LV) sind hingegen (neben Schaubergwerken, Wettbüros, Tanzschulen u.a.) nach wie vor Einrichtungen zur Ausübung der Prostitution ausgenommen.
Solche Betriebe (§ 9(2) Z 7 COVID-19-LV) gelten als Freizeiteinrichtungen im Sinne des § 9(1) Z 3 COVID-19-LV), dürfen von Besuchern nach wie vor nicht betreten werden.
Dieses Verbot gilt aber nicht für den privaten Wohnbereich (§ 9(1) Z 3 COVID-19-LV); das heißt also (im Umkehrschluss), dass man seit dem Tag der Arbeit (01.05.) beispielsweise telefonisch oder via Internet Escortservices / Begleitagenturen wieder in Anspruch nehmen kann; dies unter der Voraussetzung, dass das Anbieten von sexuellen Dienstleistungen im eigenen Privatbereich landesgesetzlich zulässig ist (wie z.B. in Wien, Niederösterreich, Burgenland, Oberösterreich und der Steiermark).
Sonstige Institutionen (Laufhäuser, Swingerclubs, Bordelle etc.) dürfen aber nach wie vor keine Gäste empfangen.
Soweit die aktuelle Lage der Nation.
Im Unterschied zu unseren Profifußballspielern werden Prostituierte in Österreich nicht von Gewerkschaft, Arbeiterkammer oder mächtigen Betriebsräten vertreten, kommen ihnen keine (Ex-) Politiker - Präsidenten zu Hilfe; es gibt keine finanziellen Forderungen in ultimativer Form, es wird nicht mit Briefen an Mitglieder "gedroht", Soforthilfen in Millionenhöhe wurden bislang nicht angesprochen.
Obwohl die Situation der Prostituierten in Österreich äußerst prekär ist, schreit man im "Milieu" nicht nach Ausnahmeregelungen. Es wird geschwiegen und geduldig abgewartet.
Man kann zu sexuellen Dienstleistungen stehen wie man will, sie gutheißen, schlecht reden, in Anspruch nehmen, ignorieren. Faktum ist aber, dass Prostituierte nach wie vor unter anderen Gesichtspunkten behandelt werden als alle anderen Berufsgruppen; es gibt keine Kurzarbeit, keine Soforthilfen, sozial werden Prostituierte geächtet, in Krisenzeiten rücksichtslos allein sich selbst überlassen. Sie sind (ähnlich wie Künstler) fast ausschließlich als selbständige Unternehmerinnen tätig, zu ca. 90% aus Ländern der Europäischen Union (Rumänien, Bulgarien, Ungar, Slowakei, Tschechien), können teilweise aber aufgrund der Reisebeschränkungen nicht in ihre Heimatländer zurück.
Man wäre, vor allem im dafür ressortmäßig zuständigen Bundesministerium für Frauen und Integration - BM Susanne Raab, gut beraten, möglichst rasch eine bundegesetzlich verankerte Basis für das Anbieten sexueller Dienstleistungen zu schaffen; in einem Prostitutionsgesetz für ganz Österreich (Vereinheitlichung der bisher in neun Landesgesetzen unterschiedlich geregelten Materie) könnte man u.a. folgendes regeln:
- Pauschalierung der Einkommenssteuer (monatlicher Fixbetrag) bzw. Anhebung der Steuerfreibetragsgrenzen; die Registrierkassenpflicht für selbständige Prostituierte (noch dazu aus dem Ausland) ist geradezu absurd (insbesondere bei Tätigkeiten im Rahmen von Begleitagenturen oder in Laufhäusern)
- laufende Kontrolle der Arbeitsbedingungen (insbesondere auch im Hinblick auf die Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes; viele Prostituierte reinvestieren ihr Einkommen in den eigenen Drogenkonsum; z.B. regelmäßige diesbezügliche Kontrolle der Blutwerte auf Kosten der Betreiber; diese sind zu verpflichten, für die fristgerechte Kontrollen bzw. Abgabe der Werte Sorge zu tragen (diese Verpflichtung sollte auch für CDT-, GGT-Werte gelten)
- Änderungen des Bewilligungsverfahrens - sollten Räumlichkeiten an Prostituierte vermietet werden (z.B. in Laufhäusern) muss es künftig, abgestimmt auf die jeweilige Region, Mietzinsobergrenzen geben, die eine finanzielle Ausbeutung der Bestandnehmerinnen hintanhalten; kurzfristige Kündigungsmöglichkeiten muss es auch bei befristeten Verträgen geben; zu überlegen wäre auch eine Abgabe von Originalreisedokumenten bei den zuständigen Behörden
- Anpassung der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmung an vergleichbare Berufsgruppen
- Gründung einer Vertretung zur Wahrung der Rechte bzw. Manifestation der Interessen von Sexdienstleisterinnen
- Verschärfung der Voraussetzungen für den Betrieb von Prostitutionslokalen bzw. ähnlichen Einrichtungen (z.B. Straffreiheit seit mindestens 5 Jahren, Nachweis über entsprechende Kenntnisse aller maßgeblichen Rechtsvorschriften - u.a. Gewerberecht, Sozialversicherungsrecht, Sicherheitspolizeigesetz, prostitutionsrechtlich relevante Vorschriften, Suchtmittelgesetz, Geschlechtskrankheitengesetz)
Damit (sowie weiteren Maßnahmen) könnte man einerseits die Ausnutzbarkeit von sexdienstleistenden Frauen erheblich reduzieren, eine einheitliche, tragfähige Rechtsgrundlage schaffen und allenfalls auch noch die Reputation der Prostituierten erhöhen.
Chr. Brugger
10.05.2020