ÖFB – quo vadis?
Die Erfolgsaussichten des neuen Cheftrainers der Herrenfußballnationalmannschaft werden seit der Pleite von Donnerstagabend unisono bereits daran gemessen, welchen Stil er bevorzugt, welcher der beiden "Spielphilosophien" er anhängt; verkürzt ließe sich das gemeine Szenario auf "Salzburg like" oder "spielerisch" reduzieren.
Auf der Suche nach einer "neuen Identität für die nächsten Jahre" befände man sich, der ÖFB, respektive Präsident und Sportdirektor bräuchten einen Plan A, bestenfalls auch einen "zweiten Anzug", den auch die Nachwuchsmannschaften verfolgen bzw. tragen sollten.
Man darf also, so man überhaupt noch am österreichischen Fußball interessiert ist, durchaus gespannt sein, für welche Philosophie sich Milletich & Schöttl entscheiden; eines ist aber, zumindest für mich, schon jetzt klar: Bei Milletich handelt es sich, nach Stickler und Windtner, um eine weitere klassische, österreichspezifische Fehlbesetzung; dasselbe gilt für den Sportdirektor.
Wer ist Peter Schöttl, der als Sportdirektor des ÖFB das uneingeschränkte Wohlwollen des in fußballspezifischen Belangen völlig ahnungslosen Präsidenten genießen darf?
Ein tadelloser Fußballspieler, erfolgloser Fußballtrainer, mitverantwortlich für die Bestellung von Franco Foda - nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Milletich & Schöttl haben also zwei Aufgaben zu bewältigen, an denen sie, so sie dem "Wunsch aller vermeintlichen Experten" entsprechen, nur scheitern können und werden:
Festlegen der Spielphilosophie und Auswahl des richtigen Trainers, der dann diejenigen Spieler suchen kann bzw. muss, die in der Lage sind, den vorgegebenen Spielstil umzusetzen.
Dass dieses Konstrukt nicht funktionieren kann, liegt auf der Hand; selbst jeder unausgebildete "Trainer" einer Nachwuchsmannschaft weiß, dass er das Spielsystem seinen verfügbaren Spielern anpassen muss, sohin die Spieler das System bedingen und nicht umgekehrt.
Der erfolgreiche Weg, den der FC Red Bull Salzburg eingeschlagen hat, ist völlig anders zu beschreiten bzw. zu beurteilen, zumal man sich die geeigneten Spieler für das vorgegebenen System am Weltmarkt kaufen und, wie den besten am heimischen Markt verfügbaren Nachwuchs, selbst ausbilden kann; diese Möglichkeit hat der künftige Teamchef vermutlich nicht, es sei denn man änderte, in Anlehnung an die erfolgreiche Zeit von Gunnar Prokop & Hypo NÖ, das heimische Staatsbürgerschaftsrecht.
Dazu kommt, dass eine solche sportverrückte Koryphäe (mit allen damit verbundenen Nachteilen) nirgendwo verfügbar ist - sie müsste erst erfunden werden.
Nebenbei sei auch noch erwähnt, dass unserer heimischen "Stars" zwar in ihren jeweiligen Vereinsmannschaften durchaus respektable Leistungen erbringen, im Nationalteam aber bloß als Mitläufer in Erscheinung treten.
Paradefall ist unser "Allzeitbester", der "Überflieger" in den letzten 10 Jahren, David Alaba: Jahrelang anhaltende, exzellente Leistungen bei Vereinen, die (Leistungen und Vereine) durchaus das Prädikat "Weltklasse" verdienen, kaum noch zählbare nationale und internationale Titel; im Nationalteam allerdings eine "Noname"-Erscheinung, ein Schein seiner selbst, keiner, der in der Lage ist, Mitspieler zu motivieren, zu führen, dem Spiel einen Charakter zu verleihen, der von Erfolg gekrönt sein könnte. Spielte er nicht, fiele es nicht einmal auf.
Dasselbe "Schicksal" ereilt auch andere, eher vermeintliche, "Stars": Laimer, Leiner, Hinteregger & Co erbringen für ihre jeweiligen Vereine hervorragende Leistungen, wohingegen sie im Nationalteam bestenfalls mit biederen Durchschnittsleistungen vorstellig werden.
Es hat fast immer dem Anschein, als wäre die Teilnahme an Länderspielen der Fußballnationalmannschaft eine lästige Pflicht, diente bloß als schmückendes Beiwerk für sportliche Lebensläufe oder Statistiken.
Meiner Ansicht nach ist es daher auch keine Frage der Philosophie, ob bzw. wann die ÖFB-Elf wieder einmal Erfolg haben wird; es ist im Wesentlichen auch völlig egal, wer diese Mannschaft trainiert; der Unterschied zwischen einem Trainer mit "Weltformat" und einem solchen, der in der 3. Klasse der 4. Bezirksliga tätig ist, wird (im Ergebnis) so lange nicht zu erkennen sein, als das Team und jeder einzelne Spieler der Teil desselben ist, von sich aus nicht bereit ist, entsprechende Leistungen überhaupt erbringen zu wollen.
Nun könnte man das als Nationalstolz oder Ehre bezeichnen, für Österreich spielen zu wollen, ebenso gut auch für unanständig oder verwerflich halten, wenn man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass die elf Aufgestellten in Wirklichkeit gar nicht für Österreich spielen wollen, laufend nur vorgeben, hochmotiviert und erfolgsorientiert zu sein.
Am Ende ist selbst das aber vollkommen egal: Was zählt ist der Erfolg; den wird man mit saturiert wirkenden Spielern aber ebenso wenig erzielen können, wie mit sündteuren Trainern, erfolglosen Sportdirektoren oder völlig ahnungslosen Präsidenten.
Chr. Brugger
27.03.2022