Mückstein und der „Grüne Pass“
Nun liegt seit ein paar Tagen ein Ministerialentwurf (122/ME XXVII. GP) samt Erläuterungen vor, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden sollen.
Die öffentliche Kritik daran ist massiv und durchaus berechtigt. Dessen ungeachtet wollen BM Mückstein und andere Regierungsmitglieder, allen voran BK Kurz und BM Köstinger den "Grünen Pass" mit allen Mitteln durchsetzen, sind sie doch die Vorreiter bzw. Vordenker dieser epochalen Errungenschaft. Israel dient dabei ein weiteres einmal als geistiger Mentor.
Die "Grundsatzeinigung innerhalb der EU" ist nach Meinung Köstingers gar darauf zurückzuführen, dass Österreich in diesem Bereich wieder einmal "vorgeprescht" sei, solcherart Druck auf die EU ausgeübt hätte.
Dass man das Projekt "Grüner Pass" nicht als Erfolgsgeschichte, sondern als hausgemachten Rohrkrepierer bezeichnen muss, ist auf eine verbohrte österreichische Haltung zurückzuführen, die die digitale "Markteinführung" des "Grünen Passes" bereits für den April dieses Jahres angekündigt hat. Dieser Zeitpunkt musste dann mehrfach verschoben werden: Man hat schlicht und ergreifend, zum wiederholten Mal, darauf vergessen, nachzudenken (bevor etwas mit großspurig angelegter Selbstdarstellung inszeniert der Öffentlichkeit zur Kenntnis bringt).
Irgendwann hat man dann einsehen müssen, dass die digitale Umsetzung schon deshalb nicht möglich ist, weil man nicht bedacht hat, dass das geplante Vorhaben mit der für Österreich geltenden "Rechtsordnung" nicht in Einklang zu bringen ist. Das ist zwar möglicherweise für die Bundesregierung ein weiterer herber Rückschlag, erfordert es ein weiteres Mal, zumindest sich selbst, eingestehen zu müssen, dass man es mit den Grund- und Freiheitsrechten der Menschen in diesem Land nicht allzu ernst nimmt. Das ändert aber nichts daran, dass man, frei nach dem Motto: Wenn wir uns etwas einbilden, wir etwas wollen, sind uns alle Mittel recht, zu handeln bereit ist. Auch wenn sich namhafte Institutionen wie der Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, Ärztekammer oder die ELGA GmbH klar und deutlich gegen den Gesetzesentwurf aussprechen, halten Mückstein und Köstinger am geplanten Vorhaben fest - vielleicht aus Jux und Tollerei, zum Trotz, gar aus gekränktem Stolz?
Gegen die von der EU geplante, für Ende Juni 2021 avisierte, Einführung eines EU-weit geltenden "Grünen Pass" ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Österreich bzw. dessen Bundesregierung vermeint aber, auch angesichts der bevorstehenden europaweiten Lösung, an einer "eigenen Suppe" köcheln zu müssen. Stellte der "Grüne Pass" der EU lediglich eine Sammlung von Daten dar, die "unsere 3G-Philosophie" widerspiegelt, so handelt es sich beim "Grünen Pass" Österreichs um eine "Datensammlung der ganz besonderen Art", die insbesondere mit den Grundsätzen der Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union (Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DS-GVO)) ganz einfach nicht in Einklang zu bringen ist.
Scheinbar wollen Mückstein, Köstinger & Co, angetrieben von der eigenen "Vorprescherei", dem Anspruch, immer Erster zu sein, mit dem Kopf durch die Wand.
Es hat an dieser Stelle wenig Sinn, detailliert auf die inhaltlichen "Verfehlungen" einzugehen. Klar ist aber, dass der Zweck der geplanten Gesetzesänderungen und vor allem die (laienhafte) Begründung hierzu, in diametralem Widerspruch zu den Grundprinzipien der DS-GVO stehen.
"Hinsichtlich der sozialstatistischen Merkmale etwa ermöglicht die Verwendung von Registerdaten Erkenntnisgewinn hinsichtlich der kurz- und langfristigen Zusammenhänge zwischen Covid-19-Erkrankungen und sozioökonomischen Umständen" kann man in den Erläuterungen (dabei handelt es sich um die Erklärung bzw. Begründung der geplanten Änderungen) zum Ministerialentwurf lesen.
Was man unter "sozialökonomischen Umständen" versteht bzw. was darunter verstanden werden soll, bleibt unbeantwortet. Dabei ist beispielsweise bereits die Definition des Begriffes "Sozialökonomie" bis heute vollkommen unklar, keiner allgemeingültigen Definition zugänglich, vielmehr ein "abstraktes Nichts".
Diese Erläuterung entspricht offensichtlich dem üblichen Procedere der momentanen Bundesregierung. "Wir bezeichnen etwas einfach so, dass es einigermaßen gut klingt, Wissenschaftlichkeit suggeriert, obwohl wir selbst nicht wissen, was es bedeutet". Scheinbar hat man dafür, wie sonst üblich, kein adäquates Lehnwort aus dem Englischen gefunden.
Lapidar wird auf den Erwägungsgrund 157 zur DS-GVO verwiesen ohne sich (davor) mit den Grundsätzen derselben auseinander gesetzt zu haben. Die Prinzipien "Rechtmäßigkeit", "Verarbeitung nach Treu und Glauben" "festgelegte, eindeutige und legitime Zweckbindung", "Datenminimierung" werden daher geflissentlich und zur Gänze ausgeblendet oder ignoriert, widersprächen sie ja dem eigenen Vorhaben.
Wie dem auch sei: Der "Grüne Pass" (in der derzeitigen Form) ist nichts anderes als ein weiteres Kapitel in der stetig steigenden Ansammlung rechtsstaatlicher "Missverständnisse" bzw. rechtspolitischer Verantwortungs- und Respektlosigkeiten.
Chr. Brugger
21.05.2021