Mehr Licht ins Dunkel

29.11.2021

Seit 22.11.2021 ist die 5. COVID-19-Maßnahmenverordnung in Kraft, mit der der 4. Lockdown amtlich besiegelt und die ruhigste Zeit des Jahres eingeläutet wurde.

Nun kann man von dieser Verordnung halten was man will; daran halten sollte man sich aber in jedem Fall, drohen doch für den Fall der Missachtung durchaus nennenswerte Geldstrafen.

Dem Vernehmen nach soll am 24.11.2021 eine, vom ORF im Fernsehen live übertragene, Gala stattgefunden haben, an der auch zahlreiche Politiker teilgenommen haben.

Nun gehen seit dem 25.11.2021 in unserer pandemiegeplagten Nation die Wogen hoch; wie könne es sein, dass zu einer Zeit, wo Gastronomie und Hotellerie geschlossen sind, weitreichende Ausgangsverbote für die gesamte Bevölkerung bestehen und die Ausübung von Sport mehr oder minder verboten ist, im grellen Licht der Öffentlichkeit eine Veranstaltung stattfinden kann, die noch dazu für alle, die daran Interesse und/oder nichts Besseres zu tun haben, an dieser Gala nicht teilnehmen können oder zu dieser nicht eingeladen wurden, im Hauptabendprogramm, zur Primetime, im staatlichen Fernsehens zu sehen gewesen sein soll.

Da mir alle Veranstaltungen, an denen Politiker teilnehmen, insbesondere um im gleißenden Licht der Öffentlichkeit erscheinen zu können (dazu zählt beispielsweise auch der unsäglich dekadente Opernball) suspekt sind, habe ich erst im Nachhinein von dieser Veranstaltung Kenntnis erlangt.

Dabei habe ich mir die Frage gestellt, wie die Teilnahme an einer solchen Veranstaltung - ob für einen guten Zweck oder nicht, mag dahingestellt bleiben - überhaupt möglich sein kann. Ich selbst darf meine Wohnung nur verlassen, um zu arbeiten, einzukaufen und spazieren zu gehen; Freunde und Bekannte muss ich meiden, gastronomische Betriebe sind geschlossen; dasselbe gilt für Kinos, Theater, Museen und Bordelle; und Skifahren interessiert mich nicht.

Um mich nicht länger wundern zu müssen, habe ich mir die, eingangs erwähnte, Verordnung durchgelesen; was für Schallenberg & Co gilt, muss wohl auch für mich gelten; was die dürfen, muss auch mir erlaubt sein, dachte ich anfangs.

Je länger ich las, desto klarer wurde mir, dass insbesondere Schallenberg, Kogler, Kocher, Edtstadler und Köstinger scheinbar ganz einfach das getan haben, was ich für mich bislang nicht in Anspruch genommen habe: Eine nicht vorhandene Lücke in der Verordnung zu finden, durch die ich das eine oder andere Mal entwische und mir etwas Verbotenes erlaube, mir selbst etwas Gutes zumute - unabhängig davon, ob es verboten und mit Strafe bedroht ist.

Nun bin ich mir sicher (die mediale Resonanz gibt mir Recht), dass ich nicht der Einzige bin, der so denkt. Schallenberg mag allenfalls der verschrobenen Meinung sein, dass das "aliud homini, aliud bovi" Ciceros nur für sich und seine Artgenossen Geltung hat. Wer aber am Ende tatsächlich als Rindvieh angesehen wird und wer als Mensch, wird unser Möchtegernkanzlerversatzstück alsbald erfahren. So dummdreist wie Schallenberg & Co werde ich sicher nicht gegen die Mückstein´sche Verordnung verstoßen - vor allem nicht im Licht der Öffentlichkeit, sondern so, dass es niemanden, auch nicht Charlys Häschern, auffallen wird. Man mag die Zügel anziehen wollen, den Kontrolldruck erhöhen oder was auch immer: Solange nicht mehr Licht das Dunkel in den heimischen Politikerdenkzentralen erhellt, haben wir, das Volk, recht wenig zu befürchten. Insofern war die ORF-Gala ein Glücksfall; sie ist mehr oder minder ein Freibrief für alle potenziellen Nachfolgetäter.

Gut gemacht, liebe Bundesregierung - und das sogar mit präsidialem Segen.  Alle Achtung!

Chr. Brugger

29.11.2021