Märchenstunde zum Frühstück

01.05.2020

Es passiert mir ziemlich selten am Sonntag, vormittags, Zeit für Radiosendungen in Ö3 zu investieren. Ein solches "Missgeschick" ist mir am 22.03.2020 passiert. An diesem Tag kam ich in den "Genuss", Claudia Stöckl sowie ihren Gästen Matthias & Tristan Horx zuhören zu können.


Dort (beim Frühstück) haben sich die beiden zuletzt Genannten (sie bezeichnen sich selbst als Zukunftsforscher) zum Thema "Die Welt nach Corona" geäußert.


Ihre dabei, gemeinsam entwickelte, Kernbotschaft: die Corona-Pandemie erzeuge bei den Menschen Trauer, Panik, Angst, Aggression (in dieser Reihenfolge), dann träte die Corona-Euphorie auf den Plan, gefolgt von innerer Erleuchtung, die wiederum einen Zukunftsprozess auslöse, mit dem der Mensch (in die Zukunft "gebeamt") in die Lage versetzt werde, die Welt anders wahrzunehmen.


Durch eine, als solche titulierte, "Transformationskrise" würde die Welt den Menschen anders erscheinen, es würde - über alle Kulturen hinweg (wie auch bei den Chinesen) - zu einer tiefen Kraft der Verbundenheit zwischen den Generationen kommen, zu einer "neuen Globalisierung von ethischen Systemen".


Dann käme noch Dopamin als euphorische Droge, die uns planen und selbst unsere Gehirne verändern lässt, ins Spiel; es würden sich neue Synapsen wie Erkenntnisse bilden - und all das bliebe dann dauerhaft in unserer Mentalität verhaftetet und ließe sich am Ende als neue Evolution bezeichnen; die Situation nach Corona ließe sich überdies mit der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg vergleichen ...


Zumindest nach dem aktuellen Stand wissenschaftlicher Forschung handelt es sich bei Dopamin um ein körpereigene Substanz, jedenfalls um keine Droge; hätte Horx Recht, wären, e contrario, alle Menschen von psychoaktiven Substanzen abhängig, damit die Weltbevölkerung unisono ein potentieller Fall psychiatrischer Behandlung (Klassifikation nach ICD-10-WHO Version 2019, Kapitel V, Gruppe F 10 - F 19).


Ich habe mir - zugegeben - dieses Märchenstunde, vom einzig Positiven, der Musik, befreit, noch ein zweites Mal angehört; nicht, weil mich der Inhalt des "Schmierentheaters" so sehr interessiert hätte, sondern vielmehr darum, da ich nicht glauben konnte, dass man - wenn auch zu zweit - in so kurzer Zeit (noch dazu im öffentlichen Rundfunk) - so viel Unsinn erzählen kann.


Wenn es sich scheinbar um "Futurologie" handelt, gehe ich von der, breite Akzeptanz genießenden, Definition der Zukunftsforschung als einer "systematischen und kritischen wissenschaftlichen Untersuchung von Fragen möglicher zukünftiger Entwicklungen auf technischem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet" aus; es geht - definitionsgemäß - sowie in Abgrenzung zu pseudowissenschaftlichen Überlegungen wie beispielsweise der "Trendforschung" neben anderen (tatsächlich wissenschaftlichen Kriterien) vor allem um die der Wissenschaft immanente Überprüfbarkeit.


Solange (pseudo-) wissenschaftliche Erkenntnisse nicht, logisch nachvollziehbar, überprüfbar sind, sind diese eben gerade nicht wissenschaftlich. Auch von Forschung kann, so man sie an der dafür anerkannten Definition messen sollte, keine Rede sein; es mangelt an Systematik, neuen Erkenntnissen, es fehlt, mangels Exploration - im Sinn von Erhebung soziologischer Daten - jedwede Dokumentation.


Es fehlen - nicht nur in diesem Zusammenhang - jedwede Nachweise (Studien, Aufzeichnungen darüber, wie viele Menschen man befragt, welche Fragen man gestellt, nach welchen Methoden man vorgegangen sein, recherchiert haben will; nichts, rein gar nichts, ist irgendwo nachlesbar; man kann daher - ob enttäuscht oder ernüchtert - ruhigen Gewissens davon ausgehen, dass das von Horx (Vater & Sohn) Geäußerte dem Gebiet der "Kaffeesudleserei" entstammt.


Von wissenschaftlichen, systematischen und kritischen Untersuchungen sind die Horx´schen Aussagen daher - schon im Ansatz - so weit entfernt, dass man sie, im Sinne des griechischen "pseudēs", nur mit falsch oder frei erfunden bezeichnen kann, gleichsam hochstilisiert bis unter das Dach eines auf tönernem Fundament basierenden, hohlen wie einsturzgefährdeten "Lügengebäudes"


Bei den Aussagen von M. & T. Horx handelt es sich, im besten Fall, um das Aneinanderfügen von pseudo-naiven, also lügenhaft-unwissenden, Wörtern oder Sätzen, denen jedwede wissenschaftliche Grundlage fehlt; ein erbärmlicher, bemitleidenswerter Scharlatanismus, bloßes Vortäuschen von Wissen, sinnentleertes Aneinanderreihen kruder Gedanken, ein wirres Konglomerat nicht verifizierbarer Behauptungen.


Selbst wenn man diese Pseudothesen ernst nehmen würde, müsste man - eins und eins zusammenzählen könnend - am Ende zur Einsicht gelangen, dass es sich bei diesen Behauptungen im besten Fall um sog. "Binsenweisheiten" (treffender wäre wohl "Binsenblödheiten") handelt; zusammenhanglos in den Raum gestellte Sätze ohne materiellen, informativen Wert, anspruchsloses Aneinanderfügen bereits hinlänglich bekannter Worthülsen.


Macht man sich noch die Mühe, im Internet auf www.zukunftsinstitut.de nachzulesen, darf man nicht verwundert sein, auch dort nur plakativ hingeworfene, substratlose Inhalte vorzufinden - dafür ist dort alles "megatrendig"; so z.B. der "Megatrend Urbanisierung": "Städte sind die Staaten von morgen. Immer mehr Menschen leben weltweit in Städten und machen sie zu den mächtigsten Akteuren und wichtigsten Problemlösern einer globalisierten Welt. Doch Städte sind mehr als Orte, Urbanisierung beinhaltet mehr als den Wandel von (Lebens-) Räumen. Durch die neuen Formen der Vernetzung und Mobilität wird Urbanität vor allem zu einer neuen Lebens- und Denkweise."


Das kann man sich, so man noch ausreichend Appetit hat, auf der Zunge zergehen lassen: weil immer mehr Menschen in Städten leben (das ist seit Jahrhunderten schon so), werden sie (die Städte!) zu den "mächtigsten Akteuren" und "wichtigsten Problemlösern" einer "globalisierten" Welt.


Man stelle sich also vor, wie beispielsweise die Stadt(!) Lagos (eine der bevölkerungsreichsten Städte der Welt) auf der Horx´schen Provinzbühne beginnt, über die wichtigsten Probleme der (selbstredend) globalisierten Welt, zu denen vermutlich neben Unterernährung, Umweltschutz und Flüchtlingsproblematik vor allem psychische Erkrankungen jedweder Art zählen, nachzudenken, einer Lösung zuzuführen (dasselbe gilt übrigens auch für Metropolen wie Mexiko-Stadt, Neu-Delhi, Islamabad aber auch für alle sonstigen Städte an sich).


Auf den Ausgang dieses (Kasperl-) Theaters bin ich gespannt; die beiden Zukunftsforscher Horx werden wohl auch darauf eine zukunftsweisende Antwort finden.


Dabei fügt es sich naht- wie problemlos ins Bild ein, dass der Name Horx vor allem dadurch Bekanntheit erlangt hat, als sich vor allem die Prognosen des Matthias Horx zu "Megazukunfsthemen" wie Internet, Facebook & E-Commerce nachweislich als grundlegend falsch erwiesen haben.


Wenn man bei Horx nun meint, aus der Corona-Krise dadurch Kapital schlagen zu können, dass man, gebetsmühlenartig, von sich gibt, Post-Corona würde das menschliche Gehirn, gar die menschliche DNA, nachhaltig zum Besseren, gleichsam zum "Gutmenschen", verändern, wird sich alsbald feststellen lassen, dass die selbsternannten Propheten Horx auch damit (wieder einmal) falsch liegen.


Dasselbe gilt im Übrigens für die Märe von Asylproblematik und dem damit einhergehenden Abgesang auf rechtspopulistische Strömungen. Auch diese These hat sich längst als unrichtig erwiesen.


Man kann mit seinen Ansichten, das ist auch Horx zuzugestehen, durchaus falsch liegen. Wenn aber scheinbar bewusst in Kauf genommene "Enten" (anders kann ich mir die Fehlprognosen nicht erklären) zur Angewohnheit, gleichsam zu einem "Geschäftsmodell" umfunktioniert werden, entbehrt das nicht nur einer gewissen Kuriosität, sondern führt, konsequent zu Ende gedacht, dazu, dass man das Tun von Horx nur unter die Definition von "Charlatan" im Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit von Heinrich August Pierer subsumieren kann:


Ein Scharlatan ist demnach jemand, der "es versteht, sich den Schein von Gelehrsamkeit u. Weisheit zu geben u. durch niedere Mittel die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen sucht, besonders wird darunter ein Quacksalber verstanden, welcher sich durch Marktschreierei ankündigt. Ein literarischer Ch. ist ein Schriftsteller, der ohne gründliche Studien, die Arbeiten Anderer zu Plagiaten benutzt u. die Meinung des Publikums über seine Fähigkeiten u. Leistungen zu täuschen weiß."


... und genau solchen "Quacksalbern" ist das dritte Hörfunkprogramm des Österreichischen Rundfunks (Ö3) mit Intendant Alexander Wrabetz sowie Programmchef Georg Spatt an der Spitze, "auf den Leim" gegangen ... aber das wird, vermutlich, eine eigene Geschichte (wert sein) ... der passende Anlass dazu wurde in Ö3 bereits geliefert - Alexander Wrabetz hat sein "Heimspiel" bei Claudia Stöckl bereits ausgetragen.


In diesem Zusammenhang daher vorab ein kurzes Zitat aus der Analyse der Universität Wien zur Situation des ORF aus dem Jahr 2009(!):


"Das Österreichische Fernsehen hat so wie der gesamte ORF aufgrund seiner Finanzierung aus Zwangsgebühren einen öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen. Der ORF ist dabei, sich selbst aufgrund dieser Konstellation in Frage zu stellen, denn immer mehr spielt die Frage der Quote bei der Programmgestaltung die Hauptrolle und die Frage, ob Kultur und Bildung in hohem Maß angeboten werden, tritt in den Hintergrund. Daher stellt sich auch die Frage der Daseinsberechtigung dieser öffentlich-rechtlichen Institution ..."


Chr. Brugger


23.03.2020