Machiavelli lässt grüßen

10.12.2021

Wenn man sich, als mehr oder weniger unbeteiligter Staatsbürger dieser Republik, die aktuellen Wortspenden der heimischen Politspitze ansieht bzw. anhört, stelle zumindest ich mir die Frage, womit wir das verdient haben, was wir getan haben, dass wir all das über uns ergehen lassen müssen, ohne die Möglichkeit zu haben, uns dagegen zur Wehr zu setzen.

Bild: Niccolò Machiavelli in einem Bildnis von Santi di Tito

Eine Möglichkeit wäre zwar, auf die angeborene Staatsbürgerschaft zu verzichten; das geht einerseits rein rechtlich zumindest so lange nicht, bis wir über eine alternative Staatszugehörigkeit verfügen, andererseits hätte man bzw. jeder Einzelne von uns damit nichts gewonnen. An den Zuständen hierzulande würde sich dadurch auch nichts ändern.

Was durften wir also zuletzt hören?

Einen Ex-Innenminister, der den Dialog sucht, das Trennende vergessen lassen, die Gesellschaft wieder einen will.

Dasselbe war im Wesentlichen von Vizekanzler Kogler zu hören.

Anders sieht das naturgemäß die Opposition; das Pandemie- bzw. Krisenmanagement sei in den letzten 1 ½ Jahren dermaßen schlecht gewesen, dass an Neuwahlen kein Weg vorbeiführe; dass das mit unterschiedlicher Intensität bzw. Wortwahl geschieht, ist keine allzu große Überraschung. Die einen (Neos) weniger, andere etwas heftiger (SPÖ), andere wiederum deftig (FPÖ). Die oppositionelle Botschaft ist aber klar: Neuwahlen spätestens im ersten Halbjahr des kommenden Jahres.

Umgarnt bzw. überlagert wird das Ganze von zwei Themen: Dem Ende des 4. Lockdowns sowie die bevorstehende Impfpflicht.

zum Ende des Lockdowns:

Allenthalben ist von einem "Fleckerlteppich" die Rede; gemeint ist damit das unterschiedliche "Öffnungsbemühen" der einzelnen Bundesländer. "Quod erat expectandum" ist eingetreten. Anderes war ob der Renaissance, der Reinkarnation föderalistisch geprägten Denkens und Handelns auch nicht zu erwarten.

zur Impfpflicht:

Wochenlang hat man auf den ersten Entwurf, die Diskussionsgrundlage im Vorfeld des parlamentarischen Gesetzwerdungsprozesses gewartet; nun haben Edtstadler, Mückstein und Meinl-Reisinger einen entsprechenden Vorschlag präsentiert; auch dabei gilt: "Quod erat expectandum".

Und nun zu den frappierenden Aussagen einzelner Politiker:

Wer Hr. Mückstein bei seinem Auftritt in der ZiB 2 am 08.12.2021 erleben durfte, dem muss spätestens seit 09.12.2021 klar sein, dass hier jemand am Werk bzw. Amt ist, dessen Gesundheits- und Geisteszustand ernsthaft zu hinterfragen wäre. Ich habe mir dieses Interview mir Armin Wolf mehrmals angesehen; nicht, weil ich es so lustig gefunden hätte, sondern weil mich interessierte, wie jemand, der allem Anschein nach nicht zu den Dümmsten gehört, die dieses Land zu bieten hat, so tief sinken kann. Dabei wäre es für Mückstein ein Leichtes gewesen, das Ganze zu verhindern; er hätte nur sagen müssen, dass vereinbarungsgemäß über Details im Zusammenhang mit dem Gesetz, mit dem die Impfpflicht eingeführt werden soll, solange nichts gesagt wird, bis der diesbezügliche Entwurf fertiggestellt ist. Diesen Satz hätte Mückstein erforderlichenfalls fünfmal oder noch öfter wiederholen können. Niemand hätte sich darüber lustig, Mückstein zum Gespött gemacht.

Quelle: https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.en

Die Glanzleistung von Mückstein wurde am 09.08.2021 (zu sehen auf oe24) noch getoppt; was kaum vorstell- nahezu undenkbar war, hat Fr. Köstinger locker hinbekommen. Was sie in ihrem Interview von sich gegeben hat, ist mit Worten nicht mehr beschreibbar. Man kann sich das anhören oder nicht - erhellend ist aber jedenfalls, wie es um das Gesundheitliche im obersten Körperdrittel bei Köstinger bestellt sein muss. Kommentieren will ich das aber nicht näher. Auch für die Wortspende von Fr. Köstinger gilt: "Quod erat expectandum".

Dasselbe wie für Köstinger gilt auch für die Aussagen von von Fr. Schramböck im Interview mit Puls24. Es war nichts anderes zu erwarten.

Nun aber wieder zu jemandem, den man, so wie Mückstein, grundsätzlich ernst nehmen könnte. Fr. Edtstadler hat gestern als Erste zum Impfpflichtgesetzentwurf gesprochen; sie hat dabei kurz erläutert, worum es, zusammengefasst, inhaltlich geht. Dabei hat sie sich aber in einen Bereich verstiegen, der kaum jemandem aufgefallen sein dürfte; sie hat damit eine Grenzüberschreitung begangen, die nicht minder verwerflich wie noch spaltender wirkt: Edtstadler hat von "tätiger Reue" gesprochen; dadurch könne man sich, auch nachträglich, von der Zahlungspflicht von Verwaltungsstrafen befreien. Damit hat sie ein Gesetz, das noch nicht in Kraft ist und möglicherweise auch nie in Kraft treten wird, schon vor dessen Wirksamkeit gänzlich "vernichtet".

Tätige Reue ist dem gesamten Verwaltungsstrafrecht fremd - in diesem Bereich gibt es keine tätige Reue; diese ist vielmehr im Strafrecht (§ 167 StGB) angesiedelt. Ohne auf die Einzelheiten dieser Bestimmung eingehen zu müssen ist aber klar: Tätige Reue setzt jedenfalls eine "Schadenswidergutmachung" voraus.

Wenn nun Edtstadler meint, tätige Reue ins Spiel bringen zu müssen, verkennt sie völlig den Sinn und den Zweck des § 167 StGB, dessen Voraussetzungen bzw. Systematik im (Kriminal-) Strafrecht.

Welchen Schaden sollen diejenigen, die sich nicht impfen lassen, gut machen? Welcher Schade ist entstanden, wenn jemand in einem Verwaltungsstrafverfahren mit einer Geldstrafe konfrontiert wird, er sich dann - aus welchen Gründen immer - impfen lässt und das Verfahren eingestellt wird? Welcher Schade ist durch das Verhalten des Bestraften entstanden - vor allem: Wem ist dieser Schade entstanden? Was soll oder muss jemand überhaupt gutmachen? Wem gegenüber ist er zahlungspflichtig bzw. zu Widergutmachung verpflichtet?

Selbst wenn man Ex-Innenminister Nehammer Wohlwollen unterstelle, konterkariert Edtstadler mit ihrer Aussage dessen "Bemühen" in einer Art und Weise, die völlig unverständlich und inhaltlich falsch ist, jeder Rechtsgrundlage entbehrt. Damit gilt für das noch gar nicht existierende Gesetz: "Lex dubia non obligat".

Quelle: https://horvath.members.1012.at/machiavelli.htm

Nun mag sich Nehammer neuerdings moderaterer Wörter bedienen, weniger zynisch oder aggressiv wirken; es wird aber, außer dass er Innenminister gewesen ist, andere Gründe für seine bisherige Wortwahl gegeben haben. Nur weil man die Wortwahl verändert, ändert sich der Charakter nicht. Allzu gut sind noch die, jedes Mal medienwirksam vorgetragenen, Sätze in Erinnerung, in denen Maßnahmen und Kontrolle verschärft werden sollten, der Kontrolldruck erhöht und die Polizei verschärft vorgehen sollte.

Man ist geneigt zu sagen: Auch der "böse Wolf" in Grimms Märchen hat Kreide gefressen, die sieben jungen Geißlein aber dennoch nicht verschont.

Das größte Problem von Nehammer ist jedoch ein ganz anderes: Er selbst, der kaum nennens- oder erwähnenswerte Schallenberg aber allen voran Hr. Kurz haben das Volk - einzig und allein aus politischem Kalkül - auseinanderdividiert; Kickl hat folglich Recht damit, wenn er meint, nicht sehr viel tun zu müssen, damit die Lunte der Zwietracht weiterhin brennt und schlimmstenfalls zeitnah eine "Bombe" platzt ... es wundert mich ja, ganz ehrlich, warum nicht längst schon die Geimpften auf die Straße gehen und demonstrieren; sie sind es ja, denen man gebetsmühlenartig und über Monate hinweg versprochen hat, dass es keinen weiteren Lockdown mehr geben und man sie nicht mehr einsperren wird. Das waren allenfalls keine Lügen, dafür jedenfalls gebrochene Versprechen und, noch viel schlimmer, enttäuschte Hoffnungen. Freiwillige Impfung als Mogelpackung!

Mit dem Lockdown als Ergebnis der "Wahnsinnsnacht" vom Achensee hat man auch diesen großen Teil der Bevölkerung vor den Kopf gestoßen, sich deren Missmut zugezogen. Jetzt können sich, traut man Edtstadler, alle bislang Ungeimpften sogar nachträglich mit der Impfung "freikaufen" - von Verwaltungsstrafen, dem Makel, für die verheerende Situation mitschuldig gewesen zu sein. Das möge man plausibel jenen Menschen erklären, die sich freiwillig impfen haben lassen und sich so verhalten, wie man das gemeinhin in einer Zeit wie der momentanen tun sollte.

Quelle: https://www.gonnelli.it/it/asta-0017-1/machiavelli-niccolandograve-il-principe-.asp

Diesen Spagat wird Nehammer nicht hinbringen ... die Zeit heilt zwar Wunden, nicht hingegen Enttäuschung und das Gefühl, "verarscht" worden zu sein. Dazu kommt, dass es, dazu habe ich mich bereits geäußert, Ex-Innenminister Nehammer & Co an der demokratischen Legitimation mangelt. Das Volk hat Kurz gewählt, im besten Fall noch die Liste Kurz und dessen neue, türkis ÖVP. Mit dem Abgang von Kurz ist, im Sinne der vielstrapazierten clausula rebus sic stantibus á la Machiavelli, der heutigen ÖVP die Grundlage ihrer Regierungstätigkeit abhandengekommen; jetzt, wo es angebracht wäre, ist von geänderten Umständen oder Vorzeichen jedoch nicht mehr die Rede. Jetzt, wo sie anzuwenden wäre, die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage, will niemand etwas von ihr wissen oder hören. Leider - zu schwach ist scheinbar das Erinnerungsvermögen.

Chr. Brugger

10.12.2021