Köstinger vor der Ablöse – Eßl ante portas?
Die wohlinformierten Spatzen pfeifen es längst vom Dach: Die Lavantalerin Elisabeth K. steht unmittelbar vor der Ablöse als Landwirtschaftsministerin. Mancherorts wird sogar darüber gemunkelt, dass man auf ihren Abgang anlässlich der letzten Regierungsumstrukturierungen schlicht und ergreifend mehrfach vergessen habe - eine Schlamperei der ganz skurrilen Art.
So nimmt es nicht wunder, dass einige Tage nach der letzten bzw. bereits wieder vor der nächsten, unmittelbar bevorstehenden, Restrukturierung der Name Köstinger auf der Liste, der dann noch im Amt befindlichen Bundesminister, einfach und pragmatisch mit Korrekturlack übertüncht wurde. Man wolle endlich Nägel mit Köpfen machen, heißt es dazu aus dem seit längerem verwaisten Kanzleramt. Köstingers Eskapaden seien nicht länger hinnehmbar; dazu sollen, gut informierten Kreisen zufolge, insbesondere die tränenreichen Auftritte von K. zählen, wenn es darum geht, welcher Arbeit sie künftig denn nachgehen solle. Arbeitsminister Kocher habe zwar Hilfe via AMS signalisiert - dies sei Köstinger aber bei weitem zu wenig. Sie wolle weiterhin Ministerin bleiben, egal wofür; darüber hinaus scheiterte eine Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit als Bundesobfrau der österreichischen Jungbauernschaft an ihrem Alter - das sei, so Köstinger, etwas für junge Früchtchen und keinesfalls etwas für eine reife Pflaume. Als Model im Jungbäuerinnen-Kalender scheide sie naturgemäß aus, Assistenten bei der ehemaligen Kärntner Gebietskrankenkasse seien ebenso rar wie Hilfstätigkeiten im Umfeld der Kärntner Landjugend.
https://zackzack.at/2021/03/19/erdapfel-skandal-bringt-koestinger-unter-druck-oevp-systemversagen-zerstoert-bauern/
Auch die täglichen Trauerstunde Köstingers, die sie dem aus dem Amt geschiedenen "Maturanten der Nation" widme, stoße ihren ministeriellen Arbeitskollegen sauer auf, fänden diese auch während andauernder Ministerratssitzungen, jedenfalls laufend zur Unzeit statt.
Quelle: https://www.diepresse.com/5981921/oesterreich-oeffnet-wenn-politiker-zu-bier-und-kaffee-ausruecken
Wie auch immer - der unfreiwillige Rücktritt von Köstinger sei längst eine gemähte Wiese, wie man das ressortintern-witzelnd bezeichnet.
Auch bei der Suche nach einem Nachfolger sei man längst fündig geworden. Aus einer erklecklichen Anzahl geeigneter Nachfolger sei, auch das ist wenig überraschend, der NR Abgeordnete Franz Leonhard Eßl als geeignetster Kandidat hervorgegangen. Eßl sei, gleichsam in Personalunion, sowohl als Obmann der forstlichen Bringungsgenossenschaft Auffahrt Traning als auch der Güterweggenossenschaft Pöllitz äußerst erfolgreich wie umsichtig tätig, zudem noch Vorstandsmitglied des Bürgerlichen Schützenkorps Tamsweg. Eßl zeichne sich im Nationalrat vor allem durch seine überragende Eloquenz, sein schier unerschöpfliches Repertoire an rhetorisch-stilistischen Geniestreichen aus; nicht umsonst habe man ihn dafür, quasi in einem parteiübergreifenden Schulterschluss, mit dem Spitznahmen "der edle Schweiger" geadelt. Eßl sei zudem, ein nicht zu vernachlässigender Bonus, seit 10.01.2020 Schriftführer im Finanzausschuss des Nationalrates, müsse folglich zahlenaffin und schriftkundig sein, so einer seiner Befürworter.
Quelle: https://www.sn.at/wiki/Datei:FE.jpg
"Wenn Eßl das Rennen macht, werden wir einen Landwirtschaftsminister erleben, wie ihn die 2. Republik noch nicht gesehen hat", streut eine Ortsbäuerin aus dem Waldviertel Eßl Rosen; ein weiterer seiner zahllosen Befürworter macht aus seinem Herzen ebenfalls keine Mördergrube und lobt Eßl über den grünen Wiesenklee: "Eßl hat nicht nur das Format zum Minister - schwächelt Karl, ist Franz bereit, daran führt kein Waldweg vorbei"; Eßl könne man zwar nicht als Rohdiamanten verkaufen, als parteipolitische Wunderwaffe oder als adretten Newcomer; man könne ihn, dessen ungeachtet, aber ebenso wenig als Notnagel oder Ladenhüter titulieren; über geschliffene Strahlkraft verfüge er allemal, er sei fachlich topp und Köstinger in allen sonstigen, relevanten Belangen bei weitem überlegen.
Quelle: https://www.meinbezirk.at/salzburg-stadt/c-leute/landwirtschaftskammer-praesident-franz-essl-feierte-seinen-60er_a2195990
Aus dem, wie Ex-Nationalratspräsident Andras Kohl nicht müde werdend betont, nahezu unerschöpflichen ÖVP-internen Reservoir geeigneter Reflektanten ist Eßl jedenfalls als klare Nummer 1 emporgestiegen. Bislang verkanntes Talent, verschlampte Ressource, verspätete, längst fällige Erhöhung oder bloß ein schicksalsträchtiger Wink mit einem Zaunpfahl aus dem Tal rund um die Lavant? - Einerlei: Mit Eßl setzt die marode ÖVP ein deutliches Ausrufezeichen. Erfahrung zahlt sich aus, Loyalität wird honoriert, Beharrlichkeit ist en vogue. Frei nach dem Motto "steter Tropfen höhlt den Stein" ist Eßl also bald und verdientermaßen auf der vorletzten Stufe eine Bilderbuchkarriere angekommen.
Quelle: https://© Parlamentsdirektion / Johannes Zinner
Es hätte aber auch durchaus Charme, gelänge dem sympathisch-umtriebigen Bauern noch der Sprung auf die letzte Stufe - weit ist er davon jedenfalls nicht mehr entfernt. Bei der Halbwertszeit heimischer Bundesregierungen wird es nicht länger als ein paar Wochen dauern und wieder einmal wird man weißen Rauch aus einem der Kamine am Objekt Ballhausplatz 2 aufsteigen sehen - an diesem Tag werden sich dort allerdings nicht zehnhausende Demonstranten gegen die Impfpflicht aufhalten, sondern jene, die dem menschgewordenen Inbegriff einer unbeschwerten Zukunft in Österreich die Ehre erweisen. Ja, es wird ein Festtag sein, an dem sich Franz L. Eßl den Weg durch die jubelnde Masse hin zur Hofburg bahnt. Fröhlich, lächelnd, alle einvernehmend; mit Spannung dürfen dann alle, die Eßl noch nicht kennen oder gehört haben, auf seine erste Ansprache warten. Wer einen Jörg Haider als brillanten Rhetoriker verehrt hat, Herbert Kickls Reden inspirierend und ausgefeilt findet, wird spätestens an diesem Tag verstehen, was Worte tatsächlich vermögen.
Quelle: https://meinklub.at/wir-setzen-auf-information-motivation-und-anreize/
Ein hilfreicher Hinweis: Taschentücher bereithalten - ein Charismatiker wird am Rednerpult stehen, ein Akrobat im Umgang mit Worten uns allen erscheinen; einer, der dazu in der Lage und berufen ist, am helllichten Tag ein Feuerwerk der Wortgewandtheit zu zünden, den Startschuss zu einer dann bereits absehbaren Legendenbildung auszulösen. An Kurz, Schallenberg und Nehammer wird sich spätestens ab diesem geschichts- wie hoffnungsträchtigen Tag ohnedies niemand mehr erinnern; alles, was bis zu dieser staatsprägenden Zäsur geschehen ist, an Komödiantischem aufgeführt wurde, werden Herr und Frau Österreicher im Rückspiegel des Dienstwagens des dann inthronisierten Kanzlers, eingehüllt in einen Nebel aus Mitleid und Ressentiments, nur noch als Makulatur, als Treppenwitz der 2. Republik, erspähen und wahrnehmen. Der Blick wird nur noch nach vorne gerichtet sein; in den verblichenen Erinnerungen werden die Vorgänger im Amt noch unbedeutender erscheinen, als sie es zu ihren parteipolitisch aktiven Zeiten ohnedies schon waren.
Quelle: https://www.buergerliches-schuetzenkorps-tamsweg.at/index.php/fotos/
Man wird dann nicht mehr vergessen oder verdrängen müssen, was uns angetan wurde, es wird uns gelingen, all das Ertragene aufzuarbeiten, uns, psychologisch betrachtet, von dem zu verabschieden, das friedvoll loszulassen, was uns ab Scharlatan Kurz angetan wurde. Die Symptome des kollektiven Traumas werden sich wohlgefällig aufzulösen beginnen, des Kanzlers neue Strahlkraft wird wie Balsam in unser aller Seelen fließen. Sogar die nationale Hymne wird man anders interpretieren und gedanklich umschreiben müssen: "Land der Äcker, Land der Hämmer" darf man künftig getrost in einem anderen Kontext betrachten, "Heimat großer Söhne" wird palingenetisch anders auszulegen sein. "Heiß umfehdet, wild umstritten" werden wir als dunklem Kapitel über die letzten 3 Jahre den richtigen Platz zuweisen, "hoher Sendung Last" wird auf staatstragenden Schultern ruhen, "arbeitsfroh und hoffnungsreich" wieder Sinn ergeben; über ein "vielgeprüftes Österreich" können wir dann, wohlwollend verzeihend, in Reminiszenzen sinnieren. Einig werden wir alle gemeinsam, Halleluja-ähnlich, in Jubelchören" dem Kanzler ewig "Treue schwören".
Ein Satz, der dem französischen Erzähler, Lyriker, Kritiker, Historiker und Nobelpreisträger François Anatole Thibault zugeschrieben wird, erklingt im ländlichen Umfeld des Neo-Übergangs-Ministranten Eßl in einem, jahreszeitgemäß beweihräucherten, Odeon im Stil eines Theodoros von Samos, völlig anders, als es unsereins bislang vermeinen konnte: "In der Politik ist es wie in einem Konzert: Ungeübte Ohren halten das Stimmen der Instrumente schon für Musik".
Es bzw. durch ihn wird klar werden, was ein staatsdramatischer Wendepunkt zu bewirken in der Lage ist: Hatten wir es bislang mit dilettantischen Stimm(ungs)versuchen zu tun, die unser aller Ohren schmerzhaft zudröhnten, wird ab einem bestimmten, zuvor beschriebenen, Zeitpunkt, wohltuend Harmonisches zu hören sein. Wir werden uns dessen gewahr werden, realisieren dürfen, wie schön ein gut gestimmtes Ensemble zu orchestrieren in der Lage ist, selbst wenn es sich tatsächlich um einen a cappella Solo-Auftritt eines, von Musen beseelten, Ausnahmekönners handelt. Auf den Punkt gebrachter, sphärischer Wohlklang wird unser aller Gehörgänge delektieren, hin bis zur Ekstase. Das lavantalerische Sensengetingel wird ebenso Makulatur sein, wie die bemitleidenswerten, disharmonischen Rap-Plattitüden-Kurzexperimente verderbter Berner- oder Wienerwürstel.
Selbst die bekannte a cappella Formation der "Flying Pickets" wird im Limelight von Alain Parsons Project, korrelierend zur eßlschen Stimmgewalt, sinnbildlich zu einem Schattendasein degradiert werden: "Only you" wird allerdings zur Reservehymne aufsteigen, zumindest in den heimischen Charts eine stilvolle Reinkarnation zelebrieren. Man stelle sich vor, dass hunderttausende Menschen am Ballhausplatz, kurz nach den Iden des Juli 2022, unter den Fenstern der Frontfassade, die Pop-Ballade des ehemaligen Depeche Mode Keyboarders Vince Clarke intonieren. Einem 65er mit Esprit wurde stilvoll ehrensalutiert wie gehuldigt, wird tags darauf in unseren Gazetten zu lesen sein.
Spätestens dann werden wir begreifen, wie schön und harmonisch Politik sein könnte. Diese Aussicht stimmt, einen Tag vor Weihnachten, positiv, ist das Zeichen einer hoffentlich bald bevorstehenden Wende im angehäuften Sammelsurium parteipolitischer Kurzauftritte sowie türkis-schwarzer Quickies absurder Provenienz.
Chr. Brugger
23.12.2021