Jaspers, Musil & die Schmähbruder

24.04.2023

Wenn Wunschdenken nicht Vernunftbegabtem erwächst, schnödes Kalkül - parteilich indoktriniert - zum Nährboden absurder Visionen verkommt, sind jene am Wort, die sich dem Fadenschein verschrieben haben, die heuchelnden Vertreter im "Namen des Volkes"; diejenigen, die vorgeben, es gut mit dem Volk zu meinen und für uns, rund um die Uhr und bis zum Ende von Perioden, arbeiten bzw. da sein zu wollen.

Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=lMHxtaiQzbo&ab_channel=GernotKulis

Es wäre der Ehre bei weitem zu viel, kontextuell eine Heerschar gestandener Philosophen (von Giambattista Vico über Kant und Jaspers bis zu Glucksmann) zu bemühen, um den heimischen Ostentativsten (blasierten Selbstdarstellern) argumentativ das Handwerk zu legen; einerseits verstünden sie nicht, was damit gemeint wäre; auf der anderen Seite wären sie für eine philosophischen Analyse weder Manns noch würdig genug; bei Matthäus (dem Evangelisten) finden sich für diese, meine Distinktion, die selbstschützende Abgrenzung hin zur parteilichen Niedertracht und auch für jene, die daran bereits intellektuell scheitern, jedenfalls passende Worte: "Gebt das Heilige nicht den Hunden und werft eure Perlen nicht den Schweinen vor, denn sie könnten sie mit ihren Füßen zertreten und sich umwenden und euch zerreißen."

Daher bzw. nicht zuletzt ob Matthäus 7,6: Keine philosophische Abrechnung, bloß ein kurzes, ernüchterndes Aufbegehren, ein notwendig scheinendes Zurechtrücken aus den Fugen geratener Präpotenz samt deutungshoheitlich-perverser Anhaftungen.

Während das Volk unter hohen Preisen, anhaltender Inflation, den Folgen der europäischen Kriegstreiberei in der Ukraine und letztlich an der eigenen Dummheit leidet, die es überwiegend dem bildungspolitischen Versagen der letzten Regierungen zu verdanken hat, rückt für den, ungeniert seinem Spitznamen "Schmähhammer" alle Ehre zuteilwerden lassende, Parteichef der ÖVP – nach einer elegisch anmutenden Zukunftsrede sowie der "Mission impossible" nach Marokko – das brennstoffverbrauchende Vehikel der Nation in den Fokus seines erbärmlichen Politdaseins: Das Aus für die heißgeliebten Verbrennungsmotoren (in Europa längst beschlossene Sache) will der türkise Dampfplauderer und Trittbrettfahrer deutscher Industrieinteressen nicht hinnehmen; folglich war sich seine hauseigene Propagandaabteilung nicht zu blöd, einen einwöchigen "Auto-Gipfel" zu inszenieren, der zwar ergebnislos geendet hat, dafür aber beweist, dass der Wahlkampf auf der Bundesbühne begonnen und die "Regierungsarbeit" längst eingestellt wurde.

Quelle: https://www.deutschland.de/de/energiewende-gruener-wasserstoff-aus-marokkowasserstoffstrategie

Nach der Chimäre vom "grünen Wasserstoff" aus afrikanischen Wüsten ist unser Schmähbruder nun dem synthetischen Kraftstoffwahn verfallen, einem nächsten Hirngespinst also, dessen Massentauglichkeit weder bewiesen noch, geht es nach der herrschenden Ansicht von Experten, in absehbarer Zeit erwartbar ist; im "Standard" ist, misstraute man mir, dazu am 22.04.2023 zu lesen: "Der Stoff, aus dem die Träume sind, ist erstens noch gar nicht richtig verfügbar, zweitens sündteuer, drittens von sehr schlechter Energiebilanz".

Kritiker meinen zwar, es wäre für das Land von Vorteil, arbeitete das Kabinett Nehammer, um das Land vor weiterem Schaden zu bewahren, möglichst wenig oder, im besten Fall, gar nicht; allein, irgendwie müssen selbst "Schmähammer" & Kumpanen wohl und zu unser allem Übel versuchen, ihr Salär zu rechtfertigen. Es dürfte folglich das schlechte Gewissen, gepaart mit Einsicht in die eigene Unfähigkeit sein, die den, den in Wahrheit niemand will, braucht oder ja gewählt hat, dazu veranlasst, auf der Klaviatur der Idiotie das Lied vom "Power-to-Fuel" zu intonieren; dazu das Nuscheln vom "richtig & wichtig" des unermüdlich für das Volk "arbeitenden" Nachfolgers des Kurzzeitkurzepigonen.

Quelle: https://twitter.com/SPOE_at/status/1648601105343938562/photo/1

Es sei die Frage erlaubt, woran der Quatschkopf arbeitet: An seiner zweifelhaften Reputation, an seiner Selbstdemontage, daran, in der Rangliste "dümmster Kanzler der Republik" Faymann, Kern, Kurz & Schallenberg die Poleposition streitig zu machen oder die Genannten in diesem Genre übertrumpfen zu wollen?

Genaues weiß man nicht – Anschein & Auftritte sprechen jedenfalls dafür – die Wahrscheinlichkeit hat der "Schmähhammer" sohin auf seiner Seite.

Sollte es, Jasmine Szabo zufolge, schon im Traum und in der Liebe keine Unmöglichkeiten geben, dann hätte dieser Satz umso mehr noch für die hausintern türkise Parteipolitik der Marke des "Versagens & Scheiterns" Gültigkeit.

Wer auf die drängendsten Fragen der Zeit (Inflation, Teuerung, Bildungsdefizit, Pflegenotstand, Mietpreisirrsinn, Umweltschutz, Fachkräftemangel, Transparenz, Medienvielfalt & Qualitätsjournalismus) keine adäquaten Antworten findet bzw. davon nicht die geringste Ahnung hat, sieht sich, wie "Schmähhammer" & Co, genötigt, sein Heil auf Nebenschauplätzen, im politischen Niemandsland oder mit irrelevant-populistischen Themen zu finden und damit eben genau das zu tun, was der Opposition zum Vorwurf gemacht wird.

"Entscheidend wird sein, dass wir den Menschen zuhören und ihnen zeigen, dass wir ihre Sorgen ernst nehmen; das war auch der Grund, warum ich die Rede an die Lage, zur Lage der Nation gehalten habe, das war der Grund warum ich einen Ausblick versucht habe zu geben, in das Jahr 2030 hinein, dass wir verstehen dass die Menschen viele Ängste haben; wir leben in einer Zeit der Veränderung, es ist der Klimawandel, es sind viele Sorgen eben aufgrund des Krieges und der Inflation und der Teuerung und unsere Aufgabe als Verantwortungsträger muss es sein, den Menschen zuzuhören und ihnen durch redliche Politik zu zeigen, dass wir sie ernst nehmen" meinte der -7,5% "Wahlsieger" am gestrigen Abend; immer dann, wenn seine Türkisen Wahlen verlieren (was laufend der Fall ist) meint das ÖVP-Obermännchen, die Menschen ernst nehmen zu wollen; immer dann, wenn das Volk Regierungen abwählt und ihnen solcherart mehr und mehr das Vertrauen entzieht, will er plötzlich den Menschen zuhören; immer dann, wenn es längst zu spät ist, will der türkise Witzbold in die Gänge kommen …

Redlich wolle man sein, rechtschaffen ehrlich und aufrichtig also?

Wenn es redlich sein soll, 11,66% der Salzburger als "Kommunisten" zu denunzieren, 25,75% der Salzburger hingegen als "Rechtsradikale", dann kann es sich dabei entweder nur um die semantische Umdeutung eines Begriffes handeln, oder den Beweis dafür, dass den Türkisen der Ausdruck "Redlichkeit" nur vom Hörensagen her bekannt ist; wenn es redlich sein soll, sich als Sieger zu wähnen, obwohl die ÖVP in Salzburg mehr als 20% ihrer Wähler verloren hat (38,1 : 100 = 30,4 : x), dann kann ich ruhigen Gewissens behaupten, die 10%-ige Inflation wäre reell ein namhafter Zinsgewinn.

"Das Leben bildet eine Oberfläche, die so tut, also ob sie so sein müsste, wie sie ist; aber unter ihrer Haut treiben und drängen die Dinge" schrieb Robert Musil gleich zu Beginn in seinem "Mann ohne Eigenschaften"; in einer hauseigenen Scheinwelt ohne Gespür für das "Darunter" zu leben, gleicht einer Realitätsverweigerung mit pathologischen Zügen, einer krankhaften Ignoranz dessen, was die Menschen "treibt und drängt": Es ist nicht diffuse Angst sondern die konkrete Furcht vor der Unfähigkeit der Regierenden, die die drängenden Fragen der Zeit nicht beantworten können und für treibende Probleme keine Lösungen haben; es liegt nicht an der behaupteten Komplexität von Herausforderungen, an denen Regierende anhaltend scheitern, vielmehr bzw. ausschließlich daran, dass Dummheit das Maß aller Dinge bestimmt und intellektuelle Defizite als Legitimationsgrundlage parteipolitischen Handelns herhalten müssen.

Als Karl Jaspers in einer seiner Reden 1964 meinte, dass sich der parteipolitische Machtwille bloß in den Schein der Wahrheit verkleide, um die Lüge zur Wahrheit zu machen und die Verlogenheit zum Lebensmedium, in dem der Machtwille den Vorrang beanspruche, ahnte noch niemand, wie aktuell seine Worte heutzutage auch in Österreich sein würden.

"Wie im persönlichen Leben, so wird in der Gemeinschaft aller der Gang der Dinge unwahr durch Verschweigen des öffentlich Wichtigen; die öffentliche Verlogenheit ist ein Spiegel der persönlichen" erklärte Jaspers vor rund 60 Jahren; und "es ist eine Schuld des sich selbst betrügenden Willens, die übermächtige Realität der Gewalt der Lüge nicht wahrhaben zu wollen".

Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=RyhUXawiKUI&ab_channel=GuteNachtÖsterreichmitPeterKlien

Eingedenk dessen ist es keine Überraschung, dass die heimischen Politschmähbrüder mit ihrem "Verschweigen des öffentlich Wichtigen" (respektive ihrem Schweigen zu allem, was den Menschen wichtig ist) Wahlen zu dem degradieren, was der deutsche Denker prognostizierte: Wahlen seien nicht mehr als die "Akklamation zur Parteienoligarchie" und Wähler sind folglich nichts anderes als willfährige Claqueure, die sich bei einem öffentlich veranstalteten Demokratie- bzw. Affentheater zwischen Pest & Cholera entscheiden könnten, um am Ende die Reise zwischen Charybdis & Skylla hindurch gerade noch zu überleben.

Chr. Brugger

24/04/2023