Ist das alles noch normal?

28.09.2023

Als "waschechter" Österreicher sollte man sich, nicht nur angesichts der "Ereignisse" der letzten Wochen & Monate, möglichst zeitnah die Frage stellen, ob das, was einem so alles "unterkommt" bzw. das, was wir über uns ergehen lassen müssen, tatsächlich noch normal ist.

Ich schreibe diesen Beitrag allerdings nicht als zorniger oder alles besser wissender Staatsbürger, vielmehr als Einwohner eines Landes, dessen aktuelle Entwicklung mir Anlass zur Sorge bereitet; im Unterschied zu den meisten Politikern, deren einziges Interesse mittlerweile ja darin besteht, bei anstehenden Wahlen entsprechend zu reüssieren, ist mir durchaus am Wohle Österreichs gelegen und viel mehr noch daran, dass alle hierzulande Lebenden von sich behaupten könnten, sie wären wenigstens zufrieden.

Quelle: https://www.demokratiezentrum.org/bildung/angebote/lernmodule/das-politische-system/parteien/

Zufriedenheit ist heutzutage ein Wort oder Begriff, der kaum noch Bedeutung für sich in Anspruch nehmen kann; vor 30 oder 40 Jahren allerdings war Zufriedenheit ein Wort mit Wert, hatte Gewicht und galt letztlich auch als Maßstab dafür, wie die Bewohner dieses Landes mit ihren (sie führenden) Politikern umgehen.

Es gab, was heute unvorstellbar ist, eine Zeit, als führende Politiker (im Sinne von "das Volk Anführende") von der Bevölkerung Respekt erwarten konnten und nicht damit rechnen mussten, für jede Aussage oder Entscheidung mit Spott und Häme bedacht zu werden.

Noch vor 30 oder 40 Jahren war es problemlos möglich, einem führenden Politiker (ohne persönlichen Begleitschutz) auf der Straße zu begegnen, ohne dass dieser befürchten musste, beschimpft oder gar körperlich angegriffen zu werden – solche Situationen sind heute kaum noch vorstellbar.

Damals hatten die Menschen Respekt vor Politikern, heute nur noch aggressive Missbilligung für sie übrig; früher konnte man sich mit dem, was Politiker taten, anfreunden, mittlerweile hingegen wird all ihr (möglicherweise gut gemeintes) Tun kommentiert und in den Dreck gezogen – ich nehme mich selbst nicht aus, denn dass Gegenteil ist der Fall: Sobald ein Politiker das Wort ergreift, gehe ich reflexartig davon aus, er (oder sie) würde wieder nur Schwachsinn von sich geben; weil er (oder sie) eben (aus meiner Sicht) gar nicht anders kann; meine "Abrechnung" mit ihm (oder ihr) ist gleichsam, von Anbeginn an, vorprogrammiert; ich erwarte mir nichts Vernünftiges, daher wäre alles andere (als der erwartete Unsinn) ein Widerspruch zu meiner eigenen Annahme. Gerechtfertigt wird diese "native" Haltung durch das, was ich täglich zu sehen und hören bekomme.

Diese, meine "Haltung" gegenüber Politikern ist vermutlich nicht nur mir eigen; alle aktuellen Umfragen betreffend das "Vertrauen in die Politik & Politiker" signalisieren deutlich, dass ich mit meinem "Dilemma" kein Einzelschicksal zu ertragen habe.

Offenbar haben uns "Zeit" und Erfahrung gelernt, erzogen und lassen uns so, in der Summe unseres Denkens, nichts Vernünftiges mehr von Parteipolitik erwarten – geistiger Widerstand hat weder Sinn noch Zweck und bewirkt vor allem nichts.

Selbst mein ernsthaftes Bemühen, Aussagen von Politikern bzw. deren nachfolgender "Umsetzung" etwas Positives abzugewinnen, scheitert immer und ausnahmslos daran, dass von einem führenden Politiker kaum noch Sinnstiftendes kommen kann – das eine schließt das andere scheinbar kategorisch aus.

Quelle: https://www.meinbezirk.at/c-politik/welchen-politikern-die-oesterreicher-am-meisten-vertrauen_a6015822

Nun gehe ich (ohne jeden Zweifel) davon aus, dass auch alle Politiker Kenntnis von jenen Werten haben, die das Vertrauen der Bevölkerung in sie betrifft. Würde dieses Misstrauen mir gelten bzw. ich mich davon betroffen fühlen, würde mir ganz sicher mein, ob all dessen, schlechtes Gewissen nahelegen, diese Werte zu verbessern; speziell dann, wenn ich in diesen Umfragen seit Jahren dermaßen schlecht abschneide und ich folglich wissen müsste, dass ich nur dann mit dem Wohlwollen meiner Mitbürger rechnen kann, wenn sie mir tatsächlich vertrauen.

Das Problem heutzutage ist aber, vor allem für Politiker, ein ganz anderes: Sie starten ihre "Karrieren" fast ausschließlich mit einem negativen "Vertrauenssaldo"; ehe sie sich das erste Mal geäußert haben oder gar für eine Entscheidung verantwortlich gewesen wären sind sie stigmatisiert.

Dieses Phänomen bzw. Schicksal verdanken Politiker allerdings der Tatsache, dass man von ihnen von Anfang an nichts mehr erwartet und sie folglich für etwas verantwortlich gemacht werden, wofür sie, rein persönlich, allenfalls gar nichts können; das Misstrauen ihnen gegenüber rührt einzig daher, dass sie eben der Neigung nachgegeben haben bzw. der Versuchung erlegen sind, politisch tätig werden zu wollen (von einem erlernten Beruf würde ich in diesem Zusammenhang nicht reden).

Verantwortlich für diese negative Grundhaltung der Bevölkerung gegenüber (fast) allen Politikern und der Parteipolitik an sich sind weder die kritische Medien noch die misstrauende Bevölkerung, sondern überwiegend parteipolitisch wie persönlich motivierte "Machenschaften", deren Vorhandensein lange Zeit bloß erahnt wurde; erst technische Neuerungen (Mobiltelefone, Internet & Co) haben einen groben, wenn auch bei weitem noch nicht gänzlichen, Blick auf all das ermöglicht, was ich nur als "Spitze eines Eisberges" bezeichnen würde: Das schamlos frivole Ausnutzen zeitlich befristet anvertrauter politischer Funktionen für sich selbst oder andere; manche nennen das "Freunderl- oder Vetternwirtschaft", andere Korruption oder Amtsmissbrauch; im Ergebnis reden aber alle vom selben:

Der Politiker hat vergessen, wem er eigentlich verpflichtet ist und wozu er sich verpflichtet hat: Ausschließlich dem Volk und allen gesetzlichen Regelungen, die seine Arbeit als Politiker betreffen (für Politikerinnen gilt im Übrigen dasselbe).

All das, was offensichtlich wurde und mittlerweile jedem bekannt ist (u.a. die Inhalte aus dem sog. "ÖVP-Korruptionsausschuss" oder der "Chat-Nachrichtenaffäre", das anhaltend massive Überschreiten der Höchstbeträge für diverse Wahlkämpfe, das laufende Intervenieren beim öffentlichen Rundfunk etc.) hat dazu geführt, dass das Volk sein Zutrauen in die parteiliche Politik gänzlich verloren hat und allem ablehnend gegenübersteht, was auch nur den Anschein politisch motivierter Parteilichkeit erweckt.

Daher hängt der Makel "eigen- oder fremdnützige Parteilichkeit" wie ein Damoklesschwert an einem seidenen Faden insbesondere über all jenen, die sich weder davon distanzieren noch nachhaltig und glaubwürdig etwas dagegen unternehmen, geschweige denn berechtigte Vorbehalte nachweislich ausräumen.

Welchen Sinn sollen beispielsweise selbstverordnete Compliance-Regelungen haben, an die sich niemand hält und Verstöße dagegen keine Konsequenzen haben?

Solange Politiker nicht mit "Fug & Recht" von sich und ihresgleichen behaupten können, sie betrieben Politik nicht für sich und ihren Klüngel, sondern ausschließlich und bedingungslos für diejenigen, denen sie sich (aus welchen Gründen immer) verpflichtet fühlen bzw. denen sie ihre Ämter verdanken, wird ihnen kein Vertrauen entgegenbracht werden; zu tief sitzt der "Stachel" des berechtigten Misstrauens "im Fleisch" der maßlos frustrierten Bevölkerung.

Allerlei Krisen waren, wie manche behaupten, keineswegs die Ursache für dieses berechtigte Misstrauens, sie haben die kritischen Vorbehalte des Volkes, auch angesichts der getroffenen wie umstrittenen Maßnahmen, lediglich verstärkt.

Während die Bevölkerung in allen Belangen laufend liefert bzw. Steuern abliefert, hinken die Politiker mit ihren Leistungen bei weitem hinterher; sie bleiben u.a. laufend den Nachweis dafür schuldig, tatsächlich so zu arbeiten, wie das von ihnen (vor dem Hintergrund der für sie maßgeblichen Rechtsvorschriften) erwartbar wäre. Wer in einer laufenden Legislaturperiode laufend nur Wahlk(r)ampf betreibt und mitleidig selbstlobhudelnd durchs Land pilgert, stellt damit lediglich unter Beweis, dass Politik eben seine (ihre) Sache nicht sein kann – mit (gut) bezahlter Arbeit hat das nicht das Geringste zu tun.

Wer für seine politische Tätigkeit mehr als das Fünffache eines durchschnittlichen Arbeitereinkommens erhält, der sollte zumindest wissen, wie man das Wort "ARBEIT" buchstabiert und nicht auch noch laufend bzw. vor laufenden Kameras den Nachweis dafür erbringen, dass ihm an seiner eigentlichen Arbeit wenig gelegen sein kann; dann drängt sich nämlich der Verdacht auf, dass er / sie das, wofür er / sie bezahlt wird, gar nicht leisten kann und will.

Vielleicht täusche ich mich aber auch und tue all jenen Unrecht, die sich durch diesen Beitrag angesprochen fühlen könnten; ich rechne aber nicht mit deren Besserung, Läuterung oder Einsicht; dafür fehlen mir, trotz redlichen Bemühens, sowohl Fantasie als auch Zuversicht; so, wie ich reflexartig bei Politikern immer nur die verwerflichsten Absichten vermute bzw. mit ihnen laufend nur geistige Schwächen in Verbindung bringe, gehen unserer führenden Politiker mit eben solcher Überzeugung davon aus, sie würden tatsächlich arbeiten, Gutes bewirken wollen und alles richtig machen.

Wer Recht hat, wird sich zeigen; für mich wäre es eine Genugtuung, käme ich zur Einsicht, ich hätte mich mit allem, was ich über Parteipolitik schreibe, getäuscht – dann gäbe es hierzulande zumindest ein funktionierendes staatliches Verwaltungssystem; mit der Schmach, mich gänzlich getäuscht zu haben, könnte ich durchaus leben.

Allein: Ich täusche mich eher selten – und diese "Routine" ist folglich kein Anlass an etwas zu glauben, von dem ich annehmen muss, dass es so etwas nicht geben wird.

Es wird nicht sein, was nicht sein darf; wäre es nämlich anders, würde in Österreich die hoheitliche Verwaltung funktionieren und wir würden uns nicht noch länger über parteiliche Politik oder gar Parteipolitiker unterhalten bzw. ärgern müssen – dieser Gedanke ist aber leider eine Illusion. Insofern ist das, womit wir uns täglich an Parteipolitischem auseinanderzusetzen haben, der normale Zustand – unabhängig davon, ob das, in unseren oder meinen Augen, tatsächlich noch normal ist – wer an so etwas tatsächlich glauben will, darf zumindest mit mir nicht rechnen.

Chr. Brugger

28/09/2023