„Impfstrategie“ made in Austria
Seit mehr als einem Jahr darf man die österreichische "Impfstrategie" bewundern, deren Umsetzung uns, möglichst schonend, durch die Covid-19-Pandemie geleiten soll.
"Impfstrategie"? Nun scheint klar, was dabei unter Impfung verstanden werden soll; unklar ist hingegen, was, vom Bundeskanzler abwärts, unter Strategie gemeint ist.
Es hat den Anschein, als verwendete man das Wort "Strategie" nur deshalb, weil zumindest der Anschein erweckt werden soll, dass sich diejenigen, die sich dieses Wortes bedienen, bei der Verwendung desselben etwas gedacht haben. Das Wort Strategie klingt irgendwie gut, ist überwiegend positiv konnotiert und erweckt, als annehmbare Zugabe, den Anschein staatstragender Verantwortlichkeit; insbesondere in Verbindung mit dem Wort "Impfung" und im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie.
Was aber ist die Strategie der politisch für die "Bekämpfung" der Pandemie Verantwortlichen?
Die Strategie ist, nüchtern betrachtet, eben die Impfstrategie - die Strategie trägt den Namen Impfung; erst durch die Verknüpfung der beiden Worte ist die "Impfstrategie" entstanden und nun allumfassende Antwort auf die Frage, wie man der Covid-19-Pandemie gegenüber bestmöglich gegenübertritt.
Quelle: https://www.sozialministerium.at
Was man allerdings, neben anderem, nicht bedacht hat ist, dass sich knapp 40% derjenigen Österreicher/innen, die geimpft werden könnten, aus unterschiedlichen Gründen, nicht impfen lassen, sich gegen alle Empfehlungen, Ratschläge, Anprangerungen etc. als resistent erweisen.
Für diesen Teil der Bevölkerung haben bislang weder unsere Kanzler noch Bundesminister/innen, nicht einmal der Bundespräsident, ein Mittel gefunden, keinen Plan. Eher rat- und planlos steht daher die Politik, landauf landab, diesem Anteil an der Gesamtbevölkerung gegenüber. Da nützen auch millioneneuroteure Werbemaßnahmen nichts, keine noch so dramatischen Werbespots im Staatsfernsehen oder Appelle anlässlich von Pressekonferenzen oder Interviews.
Nun steigt, seit ein paar Wochen, die Zahl der mit dem SARS-CoV-2 Virus Infizierten wieder sprunghaft an, die Spitalsbetten auf den Intensivstationen sind zunehmend besser, vor allem von Covid-19-Patienten, ausgelastet, die Inzidenzkurven gehen ebenfalls in die Höhe und an der "Strategie" ändert sich nichts. Die Antwort auf diese Entwicklung lautet unisono "Impfstrategie".
Am Allerheiligentag dieses Jahres tritt die 3. COVID-19-Maßnahmenverordnung - 3. COVID-19-MV in Kraft; weitere Verschärfungen wurden bereits angekündigt; z.B. 2½ G für bestimmte Anlässe bzw. an bestimmten Orten (z.B. am Arbeitsplatz) oder, und das erregt die Volksseelen bzw. diejenigen, die sich bislang nicht impfen ließen, noch viel mehr: Ein Ausgangsverbot für Menschen, die der "Impfstrategie" nicht allzu viel Positives abgewinnen können. Ein Lockdown für Ungeimpfte als Antwort auf die Antwort der "Impfstrategieverweigerer" auf die "Impfstrategie".
Allem Anschein nach beeindruckt das die Schar der Ungeimpften wenig - sie lassen sich deshalb nicht eher oder eben gar nicht mehr impfen. Das Androhen von "Sanktionen" wird die Impfbereitschaft also nicht wesentlich erhöhen können, ist insofern vermutlich sogar kontraproduktiv.
Ewas anderes ist den Verantwortlichen bislang nicht eingefallen. Impfen, impfen, impfen hat man sich spiegelverkehrt auf die Stirn tätowiert - dort ist das jetzt, gut sichtbar vor allem auf hohen Stirnen, laufend nachzulesen.
Mangels Alternativen verkommt so die gut gemeine "Impfstrategie" zu einem "Impflarifari", einer politischen Groteske im Sinne österreichsicher Operettentradition.
Sinnbildlich-signifikant ist dabei die Ansicht von Schallenberg, Mückstein & Co, dass man "strengere Maßnahmen" mit dem Auslastungsgrad von Intensivbetten in Krankenhäusern verknüpft. Je höher die Auslastung, desto strenger die Maßnahmen lautet das Credo der heimischen Bundesregierung. Das ist insofern bemerkenswert, als erst eine hohe Intensivbettenauslastung zu weiteren Maßnahmen führt, zu einem Zeitpunkt also, zu dem es längst zu spät ist, um zeitadäquat, gar präventiv, reagieren bzw. agieren zu können. Einen noch schlechteren "Referenzwert" hätte man sich kaum ausdenken können. Vergleichbar wäre das nur damit, dass der Sirenenalarm für Feuerwehren erst dann ausgelöst werden soll, wenn ein Haus bereits lichterloh brennt. Sinnvoller wäre es allenfalls, wenn die Sirenen bereits dann heulten, wenn der erste Rauch aufsteigt.
Spätestens seit einem halben Jahr müsste bzw. sollte man wissen, dass der veranschlagte Prozentsatz der "Durchimpfungsrate" von ca. 80% niemals erreicht werden kann. Reagiert hat man auf diesen Umstand allerdings nicht; man hat es vorgezogen, weiterhin der "Impfstrategie" treu zu bleiben, nicht davon abzugehen oder sich zumindest Alternativen zu überlegen.
Nun versteigt sich der Nachfolger von Kurz sogar dazu, eine "Pandemie der Ungeimpften", die seiner Meinung nach problemlos vermeidbar wäre, auszurufen; nach Ansicht von Schallenberg sei Österreich gleichsam eine Republik der Ungeimpften. Sehr viel dummdreister hätte man das kaum zum Ausdruck bringen können. Man verunglimpft damit einen erheblichen Teil (ca. 40%) der Bevölkerung, stigmatisiert diesen und stellt ihn gleichsam an den Pranger. Die Rechnung für diesen unlauteren Versuch, jemandem die Verantwortung für die "vierte Corona-Welle" in die Schuhe schieben zu können, wird unser "Kanzlergraf" hoffentlich und spätestens bei der nächsten Nationalratswahl überreicht erhalten.
Ähnlich dämlich wirkt, vor dem Hintergrund der Ereignisse der letzten Wochen, das Verhalten unseres Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Dominic Thiem. Dieser junge Mensch, dekoriert mit dem silbernen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, hat sich insofern selbst einen Bärendienst erwiesen, als er seinen Impfstatuts öffentlich preisgegeben hat. Nun ist Thiem bislang nur dadurch auffällig geworden, dass er besser Tennis spielen kann als andere Österreicher; mit seinem Outing (nicht gegen Covid-19 geimpft zu sein) hat es der rekonvaleszente Thiem aber geschafft, auf einem anderen, fremden, Spielfeld, dem der Politik, aufzuschlagen.
"Ich kann ihn nur auffordern, sich impfen zu lassen", richtet Mückstein dem Würdenträger aus, der noch Bedenk- oder Wartezeit zu benötigen scheint.
Nur: Was geht die Haltung von Thiem zur Covid-Impfung den Gesundheitsminister an? Warum fordert Mückstein Thiem auf, sich impfen zu lassen? Was bildet sich Mückstein ein, wenn er so handelt? Glaubt er tatsächlich, dass sich das ungeimpfte Österreich impfen lässt, wenn ein Herr Thiem tatsächlich einer ministeriellen Aufforderung nachkommen sollte.
In Wirklichkeit interessiert das ohnedies niemanden - es ist nur ein weiterer, verzweifelter und noch dazu untauglicher Versuch, dem hausgemachten "Impflarifari" zu entkommen. Über Mückstein wird, ob seiner unsinnigen Aufforderung, gelästert, über Thiem, ob seines Outings, gewitzelt. Win-win sähe selbst in ministeriellen Vorstellungen etwas anders aus.
Es wird interessant sein zu beobachten, was Schallenberg, Mückstein & Co noch so alles einfällt, um die Österreicher von der Sinnhaftigkeit der Impfung überzeugen zu können. Das das Bisherige nicht ausreicht, nicht den gewünschten Erfolg zeitigt, dürften selbst die dümmsten Politiker Österreichs verstanden haben - hoffentlich, oder auch nicht. "Schau´n mer mal" würde Kaiser Franz sagen; "Abwarten und Tee trinken" hieße eine Alternative - das wäre zumindest eine Floskel aus dem medizinischen Umfeld. Wiewohl: Ein ehemaliger Fußballstar als Impfbotschafter, der noch dazu der "besonders vulnerablen" Bevölkerungsschicht zuzuordnen ist, das wäre eine Überlegung wert und nicht von vorneherein aussichtslos, einen weiteren, hoffnungsfrohen Versuch wert.
Quelle: https://www.franz-beckenbauer-stiftung.de/de/id-2020-112.html
Quelle: Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Gallup
Als Ultima Ratio steht "Mückschalli" immer noch das Instrument der zwangsweisen Impfung zur Verfügung - auch das werden wir, geduldig wie wir Österreicher nun einmal sind, problemlos und eher erwarten als Weihnachten. So schlecht würden die diesbezüglichem Basisumfragewerte sicherlich nicht aussehen. Dazu noch ein geeignetes bzw. gewogenes Meinungsforschungsinstitut, eine paar tausend Euros an Spenden für einen guten Zweck und man läge im absolut sicheren Umfragebereich, wäre mehrheitstauglich und solcherart "safe".
Bis es soweit ist, lauschen wir lieber den flotten Tönen der heimatlichen Regierung, die - inspiriert von den "Tiroler Spatzen" - weiterhin fröhlich trällern werden: "Gut Ding braucht Weile, wozu denn diese Eile, was bringt es dir, du hast noch Zeit, versuch es mit Gemütlichkeit; gut Ding braucht Weile, wozu denn diese Eile, was andre sagen ist egal, man lebt doch nur einmal (...)".
Chr. Brugger
30/10/2021