Im Schatten des Oceanus
Liest man die "Erklärung von Rom der Staats- und Regierungschefs der G20" kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, hier würde eine vermeintliche "Wirtschaftselite" den Versuch unternehmen, dem Rest der "Welt" erklären zu wollen, wie Biden, Merkel & Co gedenken, das Leben der Bewohner auf diesem Planeten weiterhin zügellos zerstören zu wollen.

Quelle: https:// www.faz.net/aktuell/politik/ausland/g-20-in-rom-ernuechterndes-gipfeltreffen-17611825.html - Bild: DPA
Anders kann man das 21-seitige Dokument nicht verstehen. Man wollte es sich scheinbar nicht einfacher machen und lapidar erklären, dass es diesen Staats- und Regierungschefs nicht darum geht, etwas verbessern zu wollen, sondern einzig und allein darum, alles beim Alten zu belassen. So hat man auf diesen 21 Seiten etwas zu Papier gebracht, was seinesgleichen äußerst schwer finden bzw. vergeblich suchen wird.
Dieses Papier wurde und wird in den Medien als das abgekanzelt, was es, nicht unerwartet, ist: Nichts wert. "G20-Staaten versagen bei den großen Themen", "Die größten Industriestaaten der Welt sind offensichtlich unfähig, der Zerstörung eben dieser Welt als Gemeinschaft zu begegnen. Das ist die brutale Erkenntnis nach der Abschlusserklärung am Sonntag", "Obwohl sie für 80 Prozent der Emissionen verantwortlich sind, fehlen im Abschlusskommuniqué neue Zusagen, konkrete Pläne oder verbindliche Zielvorgaben. Was ursprünglich rein sollte, wurde im Zuge der Verhandlungen wieder gestrichen", "Im Laufe des Gipfels wurde es immer unerträglicher. Von Version zu Version wurde das Papier verwässert" lautet, zusammengefasst, der Befund. Von einem ernüchternden Gipfeltreffen ist in der FAZ zu lesen, von einem schwachen Signal im Handelsblatt, von einem schwachen G20-Treffen auf CNN, von bescheidenen Schritten berichtet Aljazeera, G20 biete wenig Neues schreibt Reutters.
"Wir erkennen die Bemühungen einer Reihe von Ländern an, sich an das Bekenntnis der Staats- und Regierungschefs zur Natur (Leaders' Pledge for Nature) zu halten und sicherzustellen, dass bis 2030 mindestens 30 % der globalen Landfläche und mindestens 30 % der Weltmeere erhalten oder unter Schutz gestellt werden, und wir werden dazu beitragen, dass im Einklang mit nationalen Gegebenheiten Fortschritte im Hinblick auf dieses Ziel erreicht werden", ist beispielsweise auf Seite 7 der erwähnten Erklärung zu lesen.
Bevor kurz auf den Inhalt dieses Absatzes eingegangen wird, darf daran erinnert werden, dass sich die Verfasser desselben, um fotografiert zu werden, vor dem Fontana di Trevi eingefunden haben, dem größten und populärsten Brunnen Roms. Ohne dass es ihnen bewusst gewesen wäre, versammelten sich Dragi, Merkel & Co vor Oceanus, dessen Figur die Szenerie auf der Piazza di Trevi dominiert. Oceanus war in der griechischen Mythologie die göttliche Personifikation des weltumfließenden Wassers, des Ozeans; gemeinhin gilt Oceanus als Titan des Meeres.

Quelle: https://www.italy-villas.de/in-italien/2015/sehenswuerdigkeiten/trevi-brunnen-rom
Nun stellt sich die Frage, was der Hüter des Meeres, so es ihn gab oder gäbe, zu den Worthülsen der Staats- und Regierungschefs gesagt hätte.
"Mindestens 30% der Weltmeere sollen erhalten oder unter Schutz gestellt werden" - was soll das? Ist mein Geist bereits so versteinert, dass ich das nicht verstehen kann? 30% meines Reiches sollen erhalten bleiben - was ist mit dem Rest? Wem fällt so ein Schwachsinn ein, wer sind diese Witzfiguren unter mir? Wer demütigt mich, wirft Münzen in das Wasser, das mich umgibt? Ich Bin es gewohnt, Tag und Nacht von jungen, hübschen Frauen bestaunt und bewundert zu werden - was wollen diese alten Tattergreise samt zusammengeschrumpftem Anhang?
Da Oceanus auf Antworten vergeblich wartete, war ihm rasch klar, wie er seinen Besuchern künftig begegnen würde. Er würde Poseidon, den olympischen Gott des Meeres bitten, mithilfe dessen Nichte Artemis, der Göttin der Natur, eine bilaterale Vereinbarung zwischen dem Anstieg der Meere und dem Klimawandel einzugehen, um so den selbsternannten Hütern der Umwelt veranschaulichen zu können, was das für Dörfer und Städte in Meeresnähe bedeutet: Deren Untergang. Alsbald würden die vermeintlichen Chefitäten dann mit nassen Füssen vor ihm stehen und um Vergebung bieten. Dazu würde dann Apollon, der Gott der Künste und der Musik, "Land unter" von Herbert G. singen: "Der Himmel heult, die Wellen wehren sich (...)".
Selbst die Dümmsten unter ihnen werden spätestens dann verstanden haben, wie ernst sie mich nehmen, nicht mit meinem Schicksal spielen, mich nicht herausfordern sollten.
Es ist aber zu befürchten, dass sie selbst dann, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals reicht, immer noch vermeinen, es besser zu wissen. Ein kurzer Anruf im Olymp und weder Athene noch Aphrodite, die Göttinnen der Weis- und Schönheit werden sie heimsuchen, sie werden vor der Tür des Hades stehen und devot um Einlass in die Unterwelt bitten, sie würden den Anblick dessen, was sie auf Erden verbrochen haben, nicht länger ertragen, um Erlösung bitten.

Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/land-unter-am-markusplatz-enorme-schaeden-an-venedigs-kulturdenkmaelern/25231146.html FOTO: https://CLAUDIO FURLAN/LAPRESSE/DPA
Oceanos wird darob milde lächeln, seine Fluten werden sich nach und nach beruhigen, der Meeresspiegel wird langsam zurückgehen, verschwundene Städte werden wieder zu sehen sein und neues menschliches Leben wird entstehen; idealerweise mit mehr Vernunft ausgestattet wie die in der eigenen Überheblichkeit ertrunkenen, unbelehrbaren, Ignoranten.
Chr. Brugger
01/11/2021