Historische Dimension?

28.11.2021

Josef Cap hat in einem seiner letzten "Duelle" mit Peter Westenthaler auf oe.24 einen Satz verwendet, der vermutlich kaum jemandem aufgefallen sein dürfte: "Wie lange willst du unsere Geduld noch missbrauchen?" Gerichtet war diese, fraglos rhetorische, Frage an Kanzler Schallenberg.

Bild: Cicero klagt Catilina an (Fresko von Cesare Maccari)

Nun stammt die ursprüngliche Aussage von Marcus Tullius Cicero, dem großen römischen Politiker, Anwalt, Schriftsteller und Philosophen, dem berühmtesten Redner Roms; die Frage Ciceros richtete sich an seinen politischen Kontrahenten Lucius Sergius Catilina, der mit einem Staatsstreich (der sog. "catilinarische Verschwörung") die Macht in der römischen Republik an sich reißen wollte. "Quo usque tandem abutere, Catilina, patientia nostra?" soll Cicero gefragt haben: "Wie lange noch, Catilina, willst du unsere Geduld missbrauchen?"

Schallenberg wird, ebenso wie Catilina, nicht auf der Anklagebank Platz nehmen müssen; der eine hat sich durch Flucht entzogen, um in der Schlacht bei Pistoria ein grausames Ende zu finden, der andere wird zurück- oder beiseitegetreten werden, es sei denn, er käme seiner Abwahl zuvor.

Tragbar war weder der eine, noch ist es der andere; von historischer Bedeutung ist die fiktive Anklage gegen Schallenberg allerdings nicht. Josef Cap ist mit Cicero nicht vergleichbar, Schallenberg will sich vermutlich die Republik Österreich nicht gewaltsam unter den Nagel reißen. Überdies benötigt er keinen Staatsstreich, um an die Macht zu kommen; dort ist er bereits angekommen.

Quelle: https://exxpress.at/die-schallenbergs-seit-mehr-als-400-jahren-dienen-sie-herrschern-in-noeten/

Amtsmissbrauch wird man Schallenberg ebenso wenig vorwerfen können wie Amtsanmaßung; Missbrauch politischer Macht in Form befremdlich-kruden Ansinnens ist zwar als absurd einzuordnen, dafür aber wiederum nicht strafbar. Insofern hat Schallenberg wenig zu befürchten. Allerdings wird er in der Liste derjenigen Kanzler, die mit der Pandemie nichts anzufangen wussten bzw. an ihr kläglich gescheitert sind, zumindest den guten zweiten Platz einnehmen. Das mag für uns, das Fußvolk, ein Trost, für ihn, den mittelalterlich-adelig anmutenden Lehnsherren, vielleicht sogar eine Ehre sein.

Historisch betrachtet wird Schallenberg, im besten Fall, gut genug für eine Randnotiz sein; geschichtsträchtige Bedeutung wird er nicht erlangen; das steht bereits heute fest.


Chr. Brugger

28.11.2021