FIS-, ÖSV- u. ORF-Absurditäten rund um Olympia

24.01.2022

Die XXIV. olympischen Winterspiele sollen planmäßig ab 04.02.2022 in Chinas Hauptstadt stattfinden.

Quelle: https://www.20min.ch/story/china-schottet-jetzt-tausende-olympia-helfer-komplett-von-der-aussenwelt-ab-118084738651

Sieht man sich das Bewerbungsprozedere bzw. die Bewerbungsbemühungen im Vorfeld dieser Veranstaltung etwas genauer an, darf man feststellen, dass zumindest anfangs der Wunsch, als Veranstalter aufzutreten, in einigen Gebieten recht groß war. Insgesamt 17 Bewerber gab es zu Beginn des Ausleseverfahrens hin zum Bewerbungsstichtag des 14.11.2013; einzelne Länder, Städte, Regionen oder Kombinationen daraus, haben in der Zeit vor der ersten Deadline ernsthaft überlegt, sich das durchaus zweifelhaft-anrüchige Ausleseverfahren anzutun.

Quelle: https://www.20min.ch/story/china-schottet-jetzt-tausende-olympia-helfer-komplett-von-der-aussenwelt-ab-118084738651

So ist es keine große Überraschung, dass 7 von 9 offiziellen Bewerbern ihr Ansinnen vor der finalen Entscheidung bzw. Abstimmung am 31.07.2015 in Kuala Lumpur aufgegeben haben - aus unterschiedlichen Gründen: Kostenprognosen und die ablehnende Haltung der betroffenen Bevölkerungskreise waren die maßgeblichen Gründe dafür, nicht mehr als Organisator zur Verfügung stehen zu wollen.

Letztlich waren in Malaysia nur noch zwei ernsthafte Interessenten verfügbar: Peking und Almaty standen zur Disposition - der Abstimmungsprozess erwies sich dennoch als schwierig, gab es doch beim ersten "Wahlgang" 89 ausgezählte Stimmen, obwohl nur 85 Wahl- oder Abstimmungsberechtigte anwesend waren.

So kam, was kommen musste: Für nur zwei(!) vorhandene Kandidaten gab es eine zweite Abstimmung - seit damals ranken sich zumindest Gerüchte um das fragwürdige Auswahlverfahren; wie auch immer, Peking erhielt den Zuschlag, Almaty wurde ausgeschieden, was im Nachhinein betrachtet und angesichts der momentanen Schräglage in Kasachstan allenfalls kein Fehler gewesen sein dürfte.

Je näher der Zeitpunkt der Eröffnungsfeierlichkeiten rückt, desto größer wird die Skepsis gegenüber dem Veranstalter, obwohl man seit 6 ½ Jahren weiß, dass die olympischen Winterspiele in China ausgetragen werden und sich dort genau in eben diesem Zeitraum zumindest politisch nichts verändert hat.

Kritiker des chinesischen Systems kriechen aus ihren Löchern, vermeinen, ihrer Systemkritik dadurch Ausdruck verleihen zu müssen, indem vor allem Politiker zahlreicher Länder ankündigten, den Spielen fernbleiben zu wollen.

Allein: Das wird in China, von Xi Jinping abwärts, niemanden sonderlich stören, gar interessieren oder Aufregung verursachen.

Völlig unaufgeregt und mit entsprechendem Pomp wird man im "Vogelnest", dem nationalen Stadion Chinas, die Eröffnungszeremonie feiern, fernab von all jenen Schauplätzen, an denen man der Volksrepublik systematische Menschenrechtsverletzungen, Genozid und sonstiges Substrat repressiven Staatsgedankenguts vorwirft.

Quelle: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/uiguren-in-china-deutlich-mehr-haftanlagen-als-angenommen-16970589/umerziehung-durch-16970591.html

Unbeeindruckt von diesen latent vorhandenen Vorhalten wird IOC-Präsident Thomas Bach, selbst nicht frei von Korruptions- und sonstigen Vorwürfen, an der Seite seine Freundes Xi dem "mögen die Spiele beginnen" strahlend applaudieren - beobachtet und kommentiert von der globalen Öffentlichkeit; wie immer werden ihn bzw. Xi mahnende Worte oder missbilligende Äußerungen nicht sonderlich ergreifen. Für 22 Tage wird China die friedlichste Gegend der Welt sein - kriegsfrei, sportlich, einem höheren Ziel dienend wie verpflichtet: Dem olympischen Gedanken, der olympischen Charta, die gleichsam die offizielle Verfassung alles Olympischen, des "Olympismus" an sich, darstellt.

Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/asien/china-umerziehungslager-101.html

Den Feldzug gegen uigurische und muslimische Minderheiten wird man vorrübergehend einstellen, die Umerziehungslager in Xinjiang für etwas mehr als 3 Wochen zu Wohlfühloasen umfunktionierten, Zwangsarbeit und Folter aussetzen, auf systemimmanente Vergewaltigungen werden junge Uigurinnen vergebens warten. Zudem soll, zumindest dem Vernehmen nach, der Schichtbetrieb für systematische Sterilisierungen und Schwangerschaftsabbrüche per Verordnung der Internierungslagerleiter nach Nordkorea ausgelagert werden.

Quelle: https://www.domradio.de/artikel/folter-vergewaltigung-zwangssterilisierung-china-millionen-muslime-unschuldig

Vor dem Hintergrund dieser idyllischen Szenerie werden auch österreichische Sportler an den Start gehen bzw. an den einzelnen Bewerben teilnehmen, wobei die Anzahl derjenigen, die nach Peking zureisen dürfen, noch nicht endgültig feststeht. Vor allem was die alpinen Skirennen betrifft, dürfte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein, zumindest dann, wenn es nach den Worten des ÖSV-Sportdirektors Anton Giger geht.

Der vertritt in einer heiter anzusehenden, an Waldbrunn - Farkas erinnernden "Doppelconférence" mit dem Moderator Pariasek (ebenso wie der zuletzt Genannte) die Ansicht, Exoten aus Osttimor und Eritrea hätten bei Olympia nichts zu suchen, diese hätten sich Startplätze zum Nachteil "großer Nationen" erschlichen; geht es nach Giger, dann "stinkt das gewaltig".

Quelle: https://olympics.com/ioc/news/historic-visit-by-chinese-president-xi-jinping-emphasises-strong-ties-with-ioc

Die beiden Alpinhampelmänner echauffieren sich also öffentlich über eritreische Olympioniken, Teilnehmer aus Inselstaaten in Südostasien, da sich diese ihre Tickets für Peking auf unlautere Art und Weise sozusagen ergaunert hätten - und das, zu allem Ungemach noch dazu - auf Kosten einer "großen Nation" wie Österreich.

Sowohl bei einem zwar anhaltend nur schwadronierenden ORF-Auskaufmodell als auch bei einem studierten "Pädagogen" könnte man an und für sich davon ausgehen, sie wären in der Lage, sinnerfassend zu lesen und in Vorbereitung auf die olympischen Spiele zumindest die aktuelle Lage in China zur Kenntnis zu nehmen wie auch, parallel dazu, die "Olympische Charta" zu lesen.

Auf die verheerende menschenrechtliche Lage in China haben die beiden sicherlich keinen Einfluss; sie könnten aber zumindest die ohnedies längst verwaschenen, zur Staffage verkommenen Prinzipien der "olympischen Verfassung" anerkennen bzw. respektieren.

Grundlegende Prinzipien des "Olympismus" sind dabei u.a. "die Möglichkeit zur Ausübung von Sport ohne Diskriminierung jeglicher Art", "gegenseitiges Verstehen im Geist von Freundschaft, Solidarität und Fairplay"; "Jede Form von Diskriminierung eines Landes oder einer Person aufgrund von Rasse, Religion, Politik, Geschlecht oder aus sonstigen Gründen ist mit der Zugehörigkeit zur Olympischen Bewegung unvereinbar". Ebenso sind "Maßnahmen zu ergreifen, um die Einheit der Olympischen Bewegung zu stärken, deren Unabhängigkeit zu schützen und die Autonomie des Sports zu wahren" und "gegen jede Form der Diskriminierung vorzugehen, die die Olympische Bewegung beeinträchtigt".

Nun mögen zwar dubiose nationalstaatliche Quoteninteressen oder eine nationalistisch angehauchtes Interessensgemengelage diese durchaus hehren Überlegungen überlagern; solch hanebüchene, abstruse und perverse Überlegungen berechtigen Leute wie Giger & Parisasek deshalb noch lange nicht, Olympioniken aus Osttimor oder Eritrea öffentlich zu diskreditieren, lächerlich zu machen und deren Teilnahme an olympischen Wettkämpfen in Frage zu stellen. Selbst bzw. speziell dann nicht, wenn man damit nur die eigenen Befindlichkeiten in den Vordergrund zu stellen versucht, damit andere Menschen abqualifiziert, diffamiert und als Exoten stigmatisiert.

Quelle: https://www.lapresse.ca/voyage/destinations/asie/emirats-arabes-unis/201508/04/01-4890248-la-plus-grande-station-de-ski-couverte-au-monde-a-dubai.php

Diese, noch dazu in einem öffentlich-rechtlichen Sender stattgefunden habende, Selbstinszenierung des ÖSV mit ORF-Begleitung ist nicht fragwürdig, sondern schlichtweg eine Frechheit der besonderen Art. Eine völlig absurde Geisteshaltung mag allenfalls in der Lage sein, so etwas zu ersinnen - wird dieser Schwachsinn aber anlässlich des global bekanntesten und bedeutsamsten Skirennens öffentlichkeits- und publikumswirksam live präsentiert, erhellt daraus, dass die dafür Verantwortlichen und damit auch die beiden fragwürdigen österreichischen Gestalten nicht besser sind als ein Thomas Bach oder Johan Eliasch (Präsident der FIS).

Letzterer war und ist es, der die Veranstaltung von offiziellen FIS-Qualifikationsveranstaltungen für die bevorstehenden olympischen Spiele in einer Skihalle in Dubai befürwortet und durchgesetzt hat, bei denen sich u.a. auch die von Pariasek und Giger als Exoten apostrophierten Olympioniken letztlich ihre Startberechtigungen "einfahren" konnten. Zu solchen Indoor-FIS-Skirennen im arabischen Raum kann man stehen, wie man will - jedenfalls haben sie stattgefunden, folglich sind auch deren Ergebnisse zu respektieren.

Ein letzter Satz: Bei uns unterhalten sich der ÖSV-Sportdirektor und ein ORF-Reporter über Quotenplätze, während in China hunderttausende Menschen, insbesondere Uiguren um ihr Leben fürchten, Mädchen systematisch vergewaltigt und anderweitig missbraucht werden; bei uns geht es um 2 Startplätze für ein Skirennen in einem Land, in dem Menschenrechte weder etwas wert sind noch respektiert werden; bei uns echauffieren sich zwei Männer über Exoten, wohingegen im Land des Veranstalters alles, was nicht parteikonform ist und folglich exotisch erscheint, vernichtet werden soll. Wie abartig vertrottelt müssen solche Menschen erst jenen erscheinen, denen seit Jahrzehnten der Zugang zu einem Leben ohne Angst, Repressalien und körperliche Gewalt verwehrt wird?


Chr. Brugger

24.01.2022