Cash oder doch die harte Pritsche?
Im Fernsehsender von oe24 wird heute die Frage gestellt, ob sich Verwaltungsstraftäter nach dem Inkrafttreten des "Impfpflichtgesetzes" lieber einsperren lassen wollen oder die zu erwartenden Verwaltungsstrafen doch lieber bezahlen. Diese Frage mag für den einen oder anderen ganz "witzig" sein, in Wirklichkeit dürfte sie aber gar nicht gestellt werden.
Verwaltungsstraftäter haben per se keine Wahlmöglichkeit, ob sie bezahlen oder die Haft antreten. Haft ist die "ultima ratio", das letzte Mittel also und darf nur verhängt werden, wenn die Verwaltungsstrafe nicht bezahlt werden kann bzw. uneinbringlich ist. Dies wird, je nach Höhe der Strafe, nur in Ausnahmefällen zutreffen.
Im Umkehrschluss bedeutet das, dass sich besser Verdienende den "Luxus", sich der bevorstehenden Impfpflicht beharrlich zu verweigern, einfacher leisten können als diejenigen, deren Einkommen sich, vergleichsweise, eher bescheiden ausnimmt.

Quelle: linkewende.org/im-visier-karoline-edtstadler/ - Bild: © Johannes Zinner / Parlamentsdirektion
Wenn nun in den letzten Tagen allenthalben darüber gemutmaßt wird, wie hoch die "Höchststrafe" tatsächlich sein soll oder wird, diese letztlich davon abhängig gemacht werden soll, was mit der Impflicht an sich erreicht überhaupt werden soll (z.B. "Hinführen zu einem Überdenken der bisher ablehnenden Haltung"), dann erhellt, wie ahnungslos die Verantwortlichen im Dunklen tappen, wie dringend nötig ein Funken Hausverstand wäre. Dazu kommt, dass politisch Übereifrige bzw. scheinbar Übermotivierte, wie Frau Edtstadler, darüber faseln, ob man das Verwaltungsstrafdelikt nicht als "Dauerdelikt" ausgestalten könnte; das würde, so es möglich wäre, was jedoch nicht der Fall ist, dazu führen, dass ein (auch mehrfacher) Verstoß gegen die Impfpflicht nur ein einziges Mal bestraft werden sollte.

Quelle: https://zackzack.at/2021/09/29/edtstadler-weissmann-tanz-fpoe-will-aufklaerung/
Nun hat es aber weder Frau Edtstadler noch die Bundesregierung in der Hand, ein solches "Dauerdelikt" zu kreieren; es gibt i.S.d. § 22 VStG (Verwaltungsstrafgesetz) aber bei Verwaltungsstrafbestimmungen keine Alternativen oder einen Handlungsspielraum. Lediglich die zuständigen Verwaltungsstrafbehörden, respektive der Verwaltungsgerichthof, könnten die Ansicht vertreten, dass "eine Reihe von Einzelhandlungen von einem einheitlichen Willensentschluss umfasst war und wegen der Gleichartigkeit ihrer Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhanges zu einer Einheit zusammentraten"; das Vorliegen einer solchen tatbestandlichen Handlungseinheit hätte zur Folge, dass die Täterinnen oder die Täter nur eine Tat verwirklich hätten und für diese auch nur einmal zu bestrafen wären.

Quelle: https://www.facebook.com/K.Edtstadler/posts/4039652972738580/
Das wiederum hätte logischerweise zur Folge, dass sich Wohlhabende mehr oder weniger von der Impfpflicht freikaufen könnten und finanziell schlechter Gestellte erst - nach erfolgloser Exekution(!) - die Haft antreten müssten. Wahlmöglichkeit gibt es diesbezüglich jedenfalls keine.
Allein daran sieht man, wie grotesk das, möglicherweise durchaus gut gemeinte, Ansinnen, "Impfmuffel" zur Impfung zu zwingen, ist. Das gilt auch für die "Frage zum Tag" auf oe24.
Wenn man nun, so wie Edtstadler das scheinbar meint oder verstanden wissen will, ein "Dauerdelikt" formulieren will, also ein "normales" Verwaltungsstrafdelikt, das vom Verwaltungsgerichtshof nachträglich auch tatsächlich als ein solches beurteilt wird, dann müsste man die "Höchststrafe" in einer Dimension ansiedeln, die sich auch "Reiche" nicht so einfach leisten können (z.B. € 500.000,00); die momentan kolportierten "Höchststrafen" (€ 3.600,00 / € 7.200,00) zahlen selbst Impfgegner mit mittleren Einkommen aus der Portokasse.
Sollte man die Bevölkerung nicht weiter spalten, die sich längst mobilisierende "Wutmasse" nicht weiter erzürnen wollen, wäre man ganz gut beraten, die vollmundig angekündigte Impfpflicht noch einmal zu überdenken bzw. zumindest angemessen vorsichtig zu sein.
Nicht zuletzt durch den wahnwitzig anmutenden Zickzack-Kurs der Bundesregierung, die mehrfach gebrochenen, nahezu pervers anmutenden, Versprechen, das anhaltende Schielen auf wöchentliche Meinungsumfragen und allfällige Chancen bei bevorstehenden Wahlen, wobei Letztere wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der heimischen Spitzpolitiker an einem seidenen Faden hängen, sitzt man jetzt abermals vor einer, selbst eingebrockten, brühend heißen Suppe. die man besser nicht auslöffeln sollte. Denn am Boden des Tellers oder der Tatsachen wartet nämlich die "bittersüß-heißblütige Rache des Volkes", das Weihnachtsgeschenk des "Pöbels", wie man in türkis-schwarzen Zirkeln zu sagen pflegte.

Quelle: https://www.geo.de/geolino/mensch/1780-rtkl-weltveraenderer-sigmund-freud - © Hulton-Deutsch Collection/CORBIS
Nun kann man nicht erwarten, dass die österreichische Bundesregierung bzw. deren einzelne Mitglieder, noch dazu in Zeiten wie diesen, sich mit den von Elias Canetti oder Sigmund Freud erläuterten Massenphänomen auseinandersetzen würden; denn dann würden Edtstadler & Co vielleicht verstehen, was es bedeuten kann, die Masse nicht mehr hinter sich wissen zu können. Wenn sich die Masse bis jetzt im Sinne der Bundesregierung manipulieren und blenden ließ, dann kann das morgen oder nächste Woche bereits ganz anders sein.

Quelle: https:// www.krone.at/1870485 - Bild: Tschepp Markus
Wenn ich mich richtig erinnere, schrieb Freud in seiner "Massenpsychologie und Ich-Analyse" auch etwas von "Prestige", davon, dass das vom Erfolg abhängig sei und durch Misserfolg verloren ginge.
Nur zur Klarstellung bzw. um Missverständnisse zu vermeiden: Unter "Prestige" versteht Freud nicht Ansehen, Niveau oder Anerkennung, sondern "eine Art Herrschaft, die ein Individuum, ein Werk oder eine Idee über uns übt".
Chr. Brugger
01.12.2021