Es kann auch sein, was nicht sein darf

28.10.2022

Irgendwie gehört es, zumindest in Österreich, zum guten Ton, wenn sich die "Staatsspitze" rund um einen Feiertag im Oktober jeden Jahres scheinbar genötigt sieht, Gedanken zur Demokratie, zum Befinden Österreichs und zu allerlei sonstigen Problemen öffentlich zu äußern.

Auch medial wird Stellung bezogen, wobei in den letzten Tagen der Eindruck erweckt wurde, die heimische Demokratie stünde auf dem Spiel, zumindest stehe sie unter "Beschuss", wären doch auch in etablierten Demokratien besorgniserregende Trends erkennbar (SN vom 22.10.2022).

Quelle: https://www.dolomitenstadt.at/2022/10/26/nationalfeiertag-heuer-wieder-in-alter-normalitaet/

An der "Spitze" steht dabei der mit einer satten(!) Mehrheit von etwas mehr als einem Drittel aller Wahlberechtigten im Amt bestätigte Präsident des Landes; eine "Generalsanierung der Substanz" sei nötig, "glaubwürdige Garantien" zu erbringen, ginge es doch um die Demokratie in unserer Heimat und das verloren gegangene Vertrauen in unsere Demokratie - eine "interne Revision" stünde an und er denke sich, "dass dürfe alles nicht wahr sein".

Quelle: https://www.vienna.at/nationalfeiertag-feierlichkeiten-starteten-mit-kranzniederlegung-in-wien/7711894/

Der Chef der türkis Schwarzen, bei der letzten Nationalratswahl mit respektablen 366 Vorzugsstimmen bedacht, nähme die Worte des Präsidenten zwar "sehr ernst", habe aber derzeit Wichtigeres zu tun, als sich der Korruption, dem präsidialen, "lähmenden Gift" zu widmen; er habe sich um die "echten Probleme der Menschen" (Teuerung, Inflation, Krieg in der Ukraine, Energieversorgung) zu kümmern.

Wenn seine Partei, wie Nehammer nicht müde wird zu betonen, kein "Korruptionsproblem" habe, bestünde denklogisch auch kein Handlungsbedarf im sog. "Korruptionsstrafrecht"; "volle Aufklärung oder Transparenz" werden folglich auch nicht, im Sinne des präsidialen Wunschdenkens, garantiert, sind dann eben "nur" wichtig.

"Glaubwürdige Garantien, dass das, was sich in diesem Sittenbild angedeutet hat, nicht der Normalität entspricht" als "Bringschuld der Verantwortlichen"? - Weit gefehlt, Herr Präsident; Ihr Versprechen, keine Ruhe zu geben, bis wir uns von "dieser Last" befreit haben und "das Vertrauen wieder hergestellt ist", mag gut gemeint sein, halten können Sie es, nicht allein altersbedingt, mit Sicherheit nicht.

Quelle: https://www.meineabgeordneten.at/Abgeordnete/karl.nehammer

Ganz ehrlich: Nehammer bringt mit seinem missmutig-liederlichen "Ja, ich nehme die Worte des Bundespräsidenten sehr ernst" lediglich zum Ausdruck, dass ihn VdB am untersten Ende seines Steißbeins wie eine Briefmarke behandeln könne, geht es doch vorrangig um sein eigenes politisches Überleben und dann auch noch um das seiner eigenen Partei, der er alles zu verdanken hat, was er ist, andernfalls nie wäre; Van der Bellen sieht, entgegen seiner diesbezüglichen Wortwahl "auch ich sehe, was passiert" eben gerade nicht, was tatsächlich geschieht bzw. geschehen ist, verleugnet damit die Realität und vermeint, unser Rechtsstaat funktioniere: "Wir sehen ihm gerade alle gemeinsam bei der Arbeit zu. Wir sehen dem Rechtsstaat bei der Arbeit und beim Funktionieren zu!"

Zu Beginn: Wie gedenkt Nehammer, sich um Probleme zu kümmern, auf die er nicht den geringsten Einfluss hat?

Gegen die Inflation kann Österreich nichts, absolut gar nichts unternehmen; für den Krieg in der Ukraine gilt ebenso dasselbe wie für die Teuerung; um die Energieversorgung sollte sich, traute man Nehammer, die europäische Union kümmern; warum kauft dann Österreich, auf eigene Kosten und Rechnung, eine Schiffsladung Flüssiggas in den Vereinigten Arabischen Emiraten? Wo ist bzw. was ist der Inhalt dieses "grünen Deals"? Ich gehe jede Wette ein, dass Nehammer & Co nicht einmal ansatzweise wissen und abschätzen können, worauf sie sich dabei, alle damit einhergehenden Schäden eingerechnet, eingelassen haben.

Wir müssten, wären wir ehrlich, zur Kenntnis nehmen, dass wir bei Teuerung bzw. Inflation im besten Fall die Symptome "bekämpfen" können, auf die Ursachen der Probleme aber keinen wie immer gearteten Einfluss haben und daher die Behauptung Nehammers, er habe sich "um die echten Probleme der Menschen zu kümmern" lediglich seinem Spitznamen "Schmähhammer" bzw. seinem krankhaft anmutenden "Kasernenhofgehabe" gerecht wird.

Wären wir ehrlich, müssten wir auch zur Kenntnis nehmen, dass das wesentlichste Fundament für das Funktionieren unserer Demokratie, die Gewaltenteilung, im Laufe der Jahre dermaßen stark erodiert ist bzw. wurde, dass von einer solchen nicht mehr die Rede sein kann. Den "Weg eines Bundesgesetzes" kann jedermann (https:// www.parlament.gv.at/ZUSD/PDF/Weg_der_Bundesgesetzgebung_BF.pdf) ansehen um dann bei den "Gesetzesinitiativen" nachzulesen, dass Gesetzesentwürfe nahezu ausschließlich von der jeweils gerade im Amt befindlichen Regierung (derzeit noch ÖVP - Die Volkspartei/Die Grünen - Die grüne Alternative) herrühren, deren parteizwanghaft-abgesicherte Mehrheit im Nationalrat diese Entwürfe nachfolgend annimmt bzw. abnickt und im Wege eigener Verwaltungshoheit gleich selbst vollzieht bzw. exekutiert.

Wer käme z.B. auf die (absurde) Idee, im Nahbereich der Kleptomanie Angesiedelte mit Reformen betreffend "strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen", insbesondere der "Diebstahlsparagraphen", zu beauftragen? Dieser Idee verfiele vermutlich nur jemand, der den Diebstahl nicht länger als strafwürdig ansehen wollte.

Wer käme, um das Bild noch etwas klarer werden zu lassen, auf die Idee, einem Pyromanen die Reform des § 169 StGB ("Brandstiftung") anzuvertrauen, erwartete man sich dabei im Ergebnis nicht die Straflosigkeit aller Brandstifter?

Ganz ähnlich verhält es sich, was die Fragestellung am Ausgangspunkt des Ansinnens betrifft, vermutlich bei der allseits geforderten Korruptionsbekämpfung; wer käme auf die Idee, die Verschärfung des "Korruptionsstrafrechtes" jenen zuzutrauen, die zur Korruption zumindest ein fragwürdig-bizarres Verhältnis haben und gegen die bereits seit Jahr und Tag recht umfangreich in strafrechtlicher Hinsicht ermittelt wird?

Ähnliche Fragen könnten z.B. auch im Bereich "Transparenz der Finanzierung politischer Parteien" gestellt werden; nicht ganz unberechtigt wäre auch die Frage, warum wir, also der Staat, überhaupt politische Parteien finanzieren müssen, wenn sich am Ende herausstellen könnte, dass es genau jene politischen Parteien sind, die durch das Verhalten ihrer Proponenten dem Staat vorsätzlich massiven Schaden zufügen?

Welcher Unternehmer nämlich würde Mitarbeiter beschäftigen, die - hoch dekoriert & bestens bezahlt - dafür sorgen, dass sich sein tadellos funktionierender Betrieb kurze Zeit später mit Konkursanträgen konfrontiert sieht?

Quelle: https://www.bundespraesident.at/aktuelles/detail/angelobung#flickr-72177720303188789-1

In diese Richtung scheinen VdB & Co, die Spitzen unserer Verwaltung also, nicht zu denken; nun könnte man, ob der zumindest anzweifelbaren Legitimität unserer höchsten Vollzugsorgane, annehmen, ihnen sei am "Willen & Wollen" des Volkes recht wenig gelegen, da sie von diesem eben keinen klaren Auftrag erhalten hätten, was wiederum durchaus einleuchtend wäre. VdB kann sich, wie bereits geschrieben, zumindest auf 36,14% aller Wahlberechtigten berufen, Nehammer hingegen auf niemanden und nichts; die "Liste Kurz - die neue Volkspartei", sie ist nicht mehr.

Dann stellt sich aber zumindest die Frage, was das "Kabinett Nehammer" an der exekutiven Vollzugsspitze unseres Landes noch verloren hat; das Argument, in "Zeiten multipler Krisen" hätte man anderes oder besseres zu tun als uns, das Volk, wählen zu lassen, ist bereits insofern kein tragfähiges, als sich der Einfluss der heimischen Regierung im Bereich dieser Krisen gegen Null reduziert, ihr Weiterbestand in Folge dessen keinesfalls erforderlich ist, um uns (das Volk), weiterhin am "Selbstmord auf Raten" teilhaben zu lassen.

Quelle: https://www.krone.at/2842547#fb-10555-0e356ba5-1

Um z.B. in Abu Dhabi eine Schiffsladung Flüssiggas erwerben zu können, muss man weder Bundeskanzler sein noch Nehammer heißen; dafür genügte jeder X-Beliebige oder, noch kostengünstiger, ein einziger Anruf des OMV-Vorstandes bei Chaldun al-Mubarak, dem CEO der Mubadala Devolpment Company, die ohnedies mit knapp 25% am heimischen Erdöl-, Erdgas- und Chemiekonzern beteiligt ist.

Die Vereinigten Arabischen Emirate verfügen über dermaßen viel Erdgas, dass es dort seit geraumer Zeit sogar durchaus üblich ist, solches gewinnbringend verkaufen zu können und das auch zu wollen. Will allerdings ein "stinknormaler" Geschäftsvorgang in der Heimat als politischer Erfolg verkaufbar sein, ist es scheinbar zwingend erforderlich, dass Nehammer & Co im Orient so medienwirksam auftreten, als sei der Kauf eines Massenproduktes ganz plötzlich etwas ganz Spezielles; das wäre in etwa so, als würde ich mich in einer typisch italienischen Gelateria beim Kauf eines Eises selbst filmen, um damit tags darauf in meinem Geburtsort für Furore sorgen zu wollen - billiger (im Sinne von weniger teuer) wäre es, im Unterschied zur billigen (im Sinne von geistlos) Reise "Schmähhammers", allemal.

Das demokratiepolitische Problem Österreichs wäre, so die Verantwortlichen das tatsächlich wollten, selbst aus dem zuvor Geschilderten bereits problemlos erkennbar; wir benötigen weder eine Verschärfung von Korruptions- noch andere Transparenzbestimmungen sondern einzig und allein charakterlich integre Politiker, für die Anstand kein Fremdwort und das Wohl des Volkes nicht ein bloßes Lippenbekenntnis darstellt; was wir uns berechtigt erwarten könnten, wären Fairness & Redlichkeit, das ehrliche Bemühen unter Beweis stellen zu wollen, dass VdB Recht hatte, als er meinte, "so sind wir nicht".

Diesen Beweis haben Nehammer & Co bislang nicht im Mindesten erbracht, vielmehr kann problemlos das Gegenteil dessen, oder in Anlehnung an die Vorkommnisse auf einer Insel im Mittelmeer, behauptet werden, "genau so und nicht anders sind wir"; so, wie sich Nehammer & Co gerieren, erbringen sie täglich und mühelos den Nachweis dafür, dass Van der Bellens "These" völlig falsch und, in Bezug auf das Verhalten parteipolitisch Verantwortlicher, das Resultat einer absurd anmutenden Fehleinschätzung war.

Wenn es tatsächlich richtig sein sollte, dass Nehammer für seine sinnbefreite Reise nach Abu Dhabi u.a. deshalb nicht mit der Linienmaschine antreten konnte, sondern dafür einen, im Sinne Thomas Schmids, vom Pöbel befreiten Luxusflieger benötigte, da er am Nationalfeiertag den Feierlichkeiten am Ballhausplatz länger beiwohnen wollte als geplant, wäre das ein weiterer Beleg für sein dekadent-perfides Verhalten & Auftreten.

Quelle: https://www.krone.at/2842547#fb-10555-df2b71f6

Jeder einigermaßen Vernunftbegabte hätte es, nicht nur angesichts der angespannten Situation im Land, vermieden, wiederum mit einem solchen Fauxpas auffällig zu werden; aber immer dann, wenn es gilt, ins "Fettnäpfchen" treten zu müssen, steht Nehammer an der Front; immer dann, wenn es darum geht, dass jemand als Dümmster aller Dummen erscheinen soll, ist Nehammer nicht fern; und immer dann, wenn es darum geht, unter Beweis zu stellen, dass VdB mit seinem "so sind wir nicht" Recht gehabt hat, ist Nehammer der Erste, dem der Beweis des Gegenteiles mit naiv-vertrottelt anmutender Leichtigkeit nahezu spielerisch gelingt - weil er so ist, wie er ist und damit jedenfalls nicht so, wie VdB das in seiner Hofburgträumerei gerne möchte.

Insofern grenzt es beinahe an ein Wunder, dass Nehammer bei der Nationalratswahl 2019 ganze 336 Vorzugsstimmen erhalten hat; böse Zungen behaupten immer noch, im Falle einer Wahlanfechtung wären es sogar noch ein paar weniger gewesen.

Wenn mancherorts (auch in den SN vom 22.10.2022) der Bevölkerung eine "Teilschuld" an der aus den Fugen geratenen Demokratie zugemessen wird, weil sie an der Politik das Interesse bzw. in dieselbe und damit auch in die demokratische Staatsform das Vertrauen verloren hätte, ist das nicht weniger dumm als dreist; in einer Demokratie hat jeder Bürger das Recht, sich eben in dem Maß für Politik zu interessieren, wie er es für nötig und nützlich erachtet; angesichts der parteipolitischen Hauptdarsteller, die, aufsummiert und durch ihre Anzahl dividiert, nicht einmal das Niveau von Schmierenkomödianten erreichen, könnte die Alternative zur ablehnenden Missachtung alles Politischen entweder nur "freiwilliges Exil" heißen, oder "Sturm auf Hofburg & Kanzleramt" - mit allen damit verbundenen Konsequenzen.

Das Desinteresse des Volkes dient sohin und gottlob nur Zweierlei: Dem Selbstschutz der Bürger vor psychischen Erkrankungen und als friedliche Basis bestehender Machterhaltungsmechanismen in den Ausprägungen korrupte Ausschweifungen & sinnbefreites Handeln - beides jeweils unter den Prämissen "Ich bin mir immer selbst und bedingungslos das Wichtigste", "mir sind meine Parteigünstlinge immer näher als das Volk, dem ich zu dienen hätte und verpflichtet wäre", "Anstand & Verantwortungsbewusstsein sind mir völlig fremd", "wozu Ethik & Moral, wenn mir die Unschuldsvermutung mein politisches Überleben, das Ein- und Fortkommen sichert", warum ehrlich, wenn es verlogen viel einfacher geht" ...

Desinteresse wäre dem Volk allenfalls anzukreiden - allein, es gibt genügend Gründe, die das rechtfertigen und die Ablehnung gegen Politik an sich, gegen Parteien im Speziellen, in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen; das Volk schützt sich durch seine Distanzierung nur selbst.

Würde man dem Volk tatsächlich einen Vorwurf machen wollen, müsste man es gleichzeitig und konsequenterweise auch zu einem "Sturm auf Wien" auffordern; friedliche Botschaften beeindrucken unsere parteilichen Verwaltungsspitzen sichtlich nicht; im Gegenteil: Je weniger sich das Volk für Schwachsinn & Niederungen der Parteipolitik interessiert, sich von ihr angeekelt abwendet, desto höher steigt die Hemmschwelle derer, die eben dieselbe ausmacht; was nicht mehr gesehen wird, das gibt es auch nicht.

Es kann daher auch wahr sein, was eigentlich gar nicht wahr sein kann; so sind wir, Herr VdB, so und nicht anders - und die lebenden Zeitzeugen wurden von Ihnen angelobt!

Chr. Brugger

28/10/2022