Eiskalte Buberlpartie 3.0

08.04.2021

Jörg Haider hat sie ins Leben gerufen, Laura Rudas ist mit der Generation 2.0 kläglich gescheitert, Sebastian Kurz ist noch im Amt.

Jahrelang hat, ob zu Recht oder zu Unrecht mögen andere beurteilen, Jörg Haider mit seiner Buberlpartie einen Wahlsieg nach dem anderen eingefahren - auf Bundes- und Landesebene, mit FPÖ und BZÖ. Er hat ab 1986 die österreichische Innenpolitik dominiert wie kein Zweiter in der zweiten Republik. Ein politisches Phänomen, ein überdurchschnittlich intelligenter Politiker, ein hochbegabter Rhetoriker, einer, der "mit seismographischem Spürsinn und Instinkt jede (Volks-) Stimmung wittert und sie für sich (und seine Partei)" nütze und ausgenützt hat; jedenfalls und unbestritten ein Charismatiker, der Menschen begeistern, motivieren und in seinen Bann ziehen konnte. Dazu bedurfte es bei Haider keinerlei künstlicher oder antrainierter "Mechanismen" - er war ein Naturtalent, wenn man so will, ein Genie.

Laura Rudas ist in diesem Zusammenhang nicht weiter erwähnenswert; ihr dümmlich wirkender, hochnotpeinlicher Auftritt im innerstaatlichen Politgeschehen, war, Gott sei Dank, nur von geringer Dauer und noch geringerer Bedeutung bzw. Nachhaltigkeit geprägt.

Liest man aber, aus Interesse oder mangels momentan anderer, verfügbarer, Belustigungen, die seinerzeitigen Äußerungen zur politischen Vorgangsweise von Laura R., erlebt man vor dem Hintergrund, dem Wissen um die Ära Haider, heutzutage ein dyadisches Déjà-vu.

Kanzler Kurz umgibt sich ebenso mit (s)einer Buberlpartie, der Version 3.0, gleichsam also einer drittklassigen Kopie der Zweitklassigen, einem, so man das so sehen will, Abklatsch dessen, was Haider als Einzelperson verkörpert und zu Wege gebracht hat. Ein gravierender Unterschied: An der Kurz´schen Partie dürfen auch Mäderl teilnehmen.

Mit dem Rudaskurs verbindet Kurz viel mehr als mit Haider; Andrea Heigl, Harald Fidler und Gerald John haben das in einem Artikel der Standard-Printausgabe vom 15./16.1.2011 ("Laura und die Buberlpartie") vortrefflich beschrieben:

"(...) Die Kritiker aber erkennen kein einziges politisches Ziel außer der Eroberung der Macht - und legen das bisweilen zur Schau gestellte Selbstbewusstsein als Arroganz aus.

Niko Pelinka etwa, Sohn des News-Chefredakteurs, ist erst seit vier Jahren im Geschäft, "tritt aber mit dem Gestus eines Sektionschefs auf (ein Genosse). Für den früheren Sprecher von Unterrichtsministerin Claudia Schmied wurde bei den ÖBB im Juni 2010 ein "Public Affairs" - Posten geschaffen - was das heißt, wollen selbst Kollegen nicht so genau wissen, außer das Pelinka bei der Bahn aus und ein spaziere und erfahrenen Mitarbeitern erklärt, wie Kommunikation funktioniert. (...).

Rudas selbst werden im ORF Interventionen nachgesagt - Infodirektor Elmar Oberhauser über in Treffen mit ihr: "Sie machte mir unmissverständlich klar, dass sie Fritz Dittlbacher als den bestgeeigneten Kandidaten für die Funktion des Fernsehchefredakteurs betrachte". Rudas und Genossen dementierten Personalwünsche. Als Oberhauser gegen Dittlbachers Bestellung protestierte, wählten ihn zuvorderst Pelinkas rote Räte als Infodirektor ab (...).

Erfüllungsgehilfen ohne Scheu und Genierer schätzt der Kanzler, vor allem aber hundertprozentige Loyalität. Auch wenn ihm seine Personalauswahl die Nachrede einbringt, sich mit Ja - Sagern zu umgeben: Rudas & Co haben ihn nicht enttäuscht (...)."

Würde man Datum und Namen ändern, es wäre eine passende Beschreibung der Partei des Volkes bzw. könnte es sich um einen Teil der heutigen Kurzstrategie handeln. Erfüllungsgehilfen, Jasager, uneingeschränkte Loyalität und steter Gehorsam; willen-, gedanken- und gnadenlos treu dem Kanzler - das Credo der schwarz-türkisen Kurzgefolgschaft, Mindestbedingung und Eintrittskarte in das Kanzlerkabinett, Voraussetzung der Familienmitgliedschaft, für Posten in staatlichen Betrieben oder solchen, an denen die Republik beteiligt ist.

Dabei sind Machtstreben, Machterhaltung sowie die Besetzung von möglichst vielen Spitzenpositionen in der staatlich beeinflussbaren Wirtschaft, deren Nahbereichen, Eckpfeiler und Fixpunkte im volksparteilichen Glaubensbekenntnis - koste es, was es wolle; der Auswahl der Mittel, der Vorgangsweise, kommt dabei keine wesentliche Rolle zu - der Endzweck heiligt die Methoden bzw. rechtfertigt alles; im vor- und nachhinein. Zumindest um Ausreden ist die Buberlpartie nie verlegen; im Zweifel kann man sich, der Einfachheit halber, nicht mehr erinnern, verweigert Antworten auf einfache wie konkrete Fragen; teilweise kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, es handle sich bei den Ministranten des Regierungschefs um Marionetten, subalterne Wesen, wohlgekleidete Vogelscheuchen, willfährige Handlanger oder speichelleckende Fetischisten krankhafter Humilität.

Die Gemeinsamkeiten des Politstils von Rudas (während der Kanzlerschaft des Dauerwahlverlierers Werner Faymann) und Kurz sind evident, wiewohl nur im Negativen - positive "Ausreißer" sind selten.

Anfangs ein Strahlemann, war rasch erkennbar, dass man hinter (s)einer stillosen Hochglanzfassade Substrat vergeblich sucht. Antonia Gössinger, ehemalige Chefredakteurin der "Kleinen Zeitung" in Kärnten, attestiert Kurz in einem Interview im "Standard" Kaltschnäutzigkeit und Hartherzigkeit. "Jörg Haider hatte eine extrem soziale Ader. Er war ein empathischer Mensch mit einem Herz für die kleinen Leute. (...) Empathie und soziales Mitgefühl fehlen Kurz zur Gänze".

Das Umfeld von Kurz unterscheide sich, so Gössinger vom Haider´schen Clan dadurch, "dass die jetzige Buberlpartie slim-fit geschmeidig ist. Bei Haider war sie kantiger und origineller."

Neben der Buberlpartie eint Haider und Kurz ein nicht unwesentlicher "Charakterzug" (um nicht eine psychische Krankheit ins Spiel bringen zu müssen): Selbstverliebtheit und grenzenlose Selbstbewunderung - gemeinhin auch als Narzissmus bezeichnet. Der gravierende Unterschied dabei ist, dass es sich bei Haider um einen brillanten "Kopf" mit einer unglaublichen Ideenvielfalt handelte, einen auratischen Volksverführer der besonderen Art, einen Politiker mit originären Fähigkeiten, noch dazu gepaart mit überdurchschnittlicher Intelligenz.

Kurz hingegen wirkt mittlerweile nur noch hilflos, überfordert, nicht mehr in der Lage, irgendetwas zu bewegen, umzusetzen, geschweige denn, selbst eine sinnvolle Idee zu entwickeln; seine medialen Auftritte spiegeln das in erschütternder Art und Weise wider: Immer dieselben Sätze, steif, spröde, nichtssagend, hohl. Nichts aus dem Stehgreif, nichts Unerwartetes, immer nur eine Aneinanderreihung von substanzlosen Worthülsen, vorformuliert, auswendig gelernt - es wirkt, als spräche ein Roboter zu uns, mechanisch, metallisch, unmenschlich, unmusisch im Sinne Thomas Bernhards.

Kurz, die personifizierte Hoffnungslosigkeit, der von sich selbst erfundene, herbei gerufene Scharlatan, der sich "strategisch" mit einem an Dilettantismus kaum überbietbaren "Projekt Ballhausplatz" in Stellung gebracht hat, sich seitdem nur noch inszenieren bzw. instrumentalisieren lässt.

Die ÖVP Vorgänger im Amt, Figl, Raab und Klaus, würden sich in Kenntnis dieser obszön-absurden Szenerie wohl "im Grab umdrehen".

Das Krude dabei ist, dass Kanzler Kurz immer noch auf einen Zuspruch von einem knappen Drittel der aktiv Wahlberechtigten verweisen kann; die Tendenz nach unten gleicht jedoch nur einem Gleitsinkflug; wünschenswert wäre hingegen ein sofortiger Totalabsturz; nicht zuletzt deshalb, damit nicht noch weiterer Schade angerichtet werden kann, Kurz & Co nicht wiederum Günstlinge positionieren, ihren Machtrausch ausleben und weiterhin Steuergeld beim Fenster hinauswerfen können. Scheinbar hat die türkise Meute den Sinn für die Realität, das, was man gemeinhin als anständig, sozial und verantwortungsvoll nennt, völlig verloren.

Das Sittenbild der ÖVP nach 2017 ("Ära Kurz" - oder: "Die neue Volkspartei") wird durch das, unbewusst oder (wahrscheinlich sinnbildlich) bewusst, ausgewählte, neue "Parteikolorit" abgerundet. Türkis - eine eisig-blaue Tönung mit grünen Einfärbungen, die als kälteste aller Farben gilt; dazu passend das Schwarz, Synonym für das Verbotene, Illegale und Unerlaubte, unbunt, lichtscheu, die Farbe eines Trauerspiels; schwarz wird, auch das fügt sich nahtlos in das beschriebene Bild ein, mit schädlichen, bösen Absichten sowie extremer Rückständigkeit konnotiert.

Diese, mit dem schwarz-türkisen Farbenmix verbundenen, Eigenschaften übererfüllt das kurz´sche Parteikonglomerat problemlos und bei weitem.

Buberlpartie ist insofern vielleicht sogar die falsche Bezeichnung; rotzfrech, naiv-dekadent, korrumpiert - Möchtegernyuppies träfe es in Summe wohl besser; abgehoben, ohne Hausverstand, selbstherrlich, dadaistisch verschroben, menschenverachtend, intellektuell überwiegend unterbelichtet: Anders kann man beispielsweise die publik gewordenen Chat-Darbietungen von Kurz, Blümel & Co nicht interpretieren.

Renate Graber stellt eingangs ihres Artikels "Causa Öbag: "So sind sie nämlich" in der Standardausgabe vom 31.03.2021 folgende Frage: "Kann es sein, dass Anständigkeit und Anstand, Verantwortungsgefühl und Sozialkompetenz gar keine Rolle mehr spielen?" - Die Antwort auf diese Entscheidungsfrage erhellt aus dem bisher in diesem Beitrag Geschriebenen. Kurz, Blümel & Co sind eine Schande für Österreich.

Kurz regiert unsere Heimat offenkundig nur nach zwei Prinzipien:

  • "Wer nicht für mich ist, ist gegen mich" oder treffender: Wer mir bzw. meinem Image schadet, wird entsorgt.
  • "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern".

Das erste Prinzip entstammt dem Evangelium nach Lukas, das zweite wird bisweilen Konrad Adenauer zugeschrieben. Dem Blümel´schen Chat-Verlauf zu Folge hat die "Neue Volkspartei" mit der katholischen Kirche, dem Christlichsozialen, ohnedies nichts mehr "am Hut" und Konrad Adenauer wird, über alle Parteigrenzen hinweg, als großer Staatsmann bezeichnet. Davon ist unser "heißgeliebter" "Momentanimmernochkanzler" (kurz: Mink) allerdings meilenweit entfernt; ihn kann man - Stand heute - bestenfalls als Bundeskasperl mit Maturaabschluss bezeichnen. Änderte Kurz sich und sein Umfeld radikal, eine Problemzone vermöchten selbst die findigsten Influencer nicht zu umschiffen: Kognitive Leistungsfähigkeit und Empathie sind nicht erlernbar - daran wird Kurz, wie in vielen anderen Bereichen ebenso, früher oder (hoffentlich nicht) später, scheitern.

Zum Ende hin:

Der Kurz geht solange zum Ballhausplatz, bis er vor einem verschlossenen Tor steht. Ein Lateiner würde, dieses Bild vor Augen, wohl, kurz und prägnant, mit "sicut bos ante portam novam" beschreiben.

Was uns von ihm bleiben wird?

Die anhaltend monoton-elegische Knabenstimme, sein künstlich wirkender Habitus, die Affektiertheit einer ganzen Person, vom (fehlenden) Scheitel bis zur Sohle.

Chr. Brugger

08.04.2021