Die Reise beginnt …
Am Flughafen Luchthaven Schiphol, immerhin der drittgrößte in Europa, wartet die erste unliebsame Überraschung auf mich - kein Coffeeshop weit und breit; das Amsterdam-Credo "rein in den Laden, ein Tütchen Super Haze, Laughing Buddha oder White Widow gekauft und ab geht es die Wallen" ist zwar von der Putzfrau bis hinauf zur Stewardess bekannt - Reiseproviant der genannten Sorten kann man hier allerdings, wenigstens offiziell, nicht erwerben.
https://kurier.at/style/neue-regel-bei-virgin-atlantic-stewardessen-duerfen-ohne-make-up-arbeiten/400426586
Bei einem doppelten Espresso erklärt mir die KLM Royal-Dutch-Airlines Flugreisebegleiterin mit Hochsteckfrisur, man wolle in der niederländischen Metropole den Kiffer- und Rotlichttourismus künftig eher vermeiden denn fördern. Gehörten früher vor allem Coffeeshops zu Amsterdam wie Rembrandt van Rijn und die Grachten, so will die Bürgermeisterin, obwohl grün, diese Art von Tourismus nicht länger dulden - der Cannabiskonsum solle den Einheimischen vorbehalten bleiben, meint Anaïs, die griechischer Herkunft sein soll, was ich allerdings bezweifle, hat sich doch starke Ähnlichkeiten mit einer guten Bekannten aus Toulon, die aber mütterlicherseits afrikanische Wurzeln (die Mutter stammt aus Togo) hat. Wie auch immer, das Lamento von Anaïs über den Niedergang der Cannabiskultur in der niederländischen Hauptstadt begeistert mich nicht im Geringsten - ob die Deutschen Städte wie Masstricht jahrzehntelang abgegrast haben oder nicht, interessiert mich viel weniger als die Handynummer der attraktiven Frau aus der Ägäis, genauer gesagt aus Amorgos, einer noch immer recht unbekannten Insel der Kykladen. Keine 10 Minuten später trennen wir uns - sie muss fliegend weiterarbeiten und ich darf nicht meinen Flug nach Lissabon versäumen - ohne Gras im Handgebäck, dafür mit einem zweckentfremdeten Amstel-Bierdeckel im Sakko samt einer darauf befindlichen ellenlangen Nummer - man weiß ja nie denke wohl nicht nur ich.
In Lissabon läuft prinzipiell alles planmäßig - am Aeroporto Humberto Delgado Lisboa herrscht beinahe unaufgeregte Betriebslosigkeit - Covid-19 bedingt meint eine Mitarbeiterin im Delta Café Zentral, in dem Fátima noch nicht auf mich wartet - busy sei sie, entnehmen ich einem kurzem SMS, muito ocupada, wie man das hier wohlklingend bezeichnet. Leider bedient die hübsche Garçonete nicht in einer traditionellen Pastelaria - was aber will man sich auf einem Flughafen auch erwarten? Einen "Café com Aguardente" gibt es aber allemal, dazu Pastéis de Nata-Variationen, ebenso wohlgeformt wie die schlanke Bedienung aus einem Provinznest an der Algarve .
Quelle: https://www.geo.de/reisen/reiseziele/ponta-da-piedade--spektakulaere-felsenkueste_30154734-30167872.html
Schön sei es dort allemal, meint sie, wild-romantisch, verdienen könne man allerdings nichts - aus Bensafrim sei sie, einem Drecksnest in der Município Lagos genauer gesagt und an der Ponta da Piedade, der "Spitze des Erbarmens" habe sie 1 ½ Jahre als Eisverkäuferin und "Mädchen für alles" gearbeitet bis sie dem Charme eins jungen Mannes erlegen und diesem nach Lissabon gefolgt sei; der hätte "Mädchen für alles" wohl falsch verstanden, in ihr ein einbringliches Callgirl erspäht, das jedermann hörig und willensbefreit zu allem bereit sei - so sei sie irgendwann hier, am Flughafen gestrandet und geblieben; sie würde ebenso fair behandelt wie bezahlt - die Hoffnung auf die große Liebe habe sie aber nie aufgegeben ... Graças a Deus erlöst mich Fátima von dieser Lebensgeschichte, bringt neben einer schlichten Kette noch ein Paar kunstvoll wie handgeschmiedete Kreolen mit - ein passendes Geschenk für meine "black magic woman" - Kreolen für eine Kreolin, tolle Idee.
Quelle: https://www.vogue.de/mode/galerie/kunstvolle-creolen
Die Anspannung stieg spürbar, Fátima hatte wenig Zeit, busy wie sie ist, wirkt drängelnd, hippelig, hippy-horny, würde sie über sich selbst sagen - allein, wohin?
Nicht jetzt, in einer Stunde sitze ich in einem Flugzeug, dessen Bestimmungsort, dem ich, was dort wartet, in den letzten Tagen meine wichtigsten Gedanken anvertraut habe und jetzt soll ich ... sie erkennt es, wünscht mir einen glücklichen Aufenthalt - sie hat verstanden, umarmt mich grußlos, da beginnt in meiner Hose das satellitennavigierte Handy zu vibrieren - "breaking news": "Elli Köstinger zieht für den Playboy blank - not confirmed: Update in 88 Minuten" - Fake News, bittere Wahrheit, bildgewordener blanker Wahnsinn ? Kaum bin ich ein paar Stunden nicht zuhause, schon soll sich Unglaubliches ereignen, könnten in weniger als 1 ½ Stunden erste Pics die internationalen Klatschspalten füllen, ein wahrer Albtraum zur Realität verkommen?
Wenn Nehammer endlich zurückgetreten wäre, hätte ich mir eine Falsche Schampus gegönnt; sollte sich aber bewahrheiten was mir soeben gezwitschert wurde, müsste ich meinen durchaus respektablen Fantasiehorizont um eine neue Dimension erweitern - von der Lavant- zur Ga(e)iltalerin oder die Metamorphose vom Landei zur IT-Glucke? Um die Vorfreude auf das Künftige nicht zu verlieren, muss ich mich zwanghaft von perversen Gedanken befreien - gratificantemente ist die Schicht von Inês soeben vorbei und im Deƨigual-Shop ein geräumiger Vestiário vorhanden; das Schlimmste muss jedenfalls verhindert werden - 5 ½ Stunden später lande ich im Paradies, erleichtert, befreit und zu vielem bereit.
Chr. Brugger
30.01.2022