Die Psychologie des Alltags

19.10.2022

Frühmorgens, damit meine ich die Zeit zwischen 03.30 und 05.00 Uhr, möchte man glauben, die Gedanken wären noch reichlich unbeeinflusst oder frei von dem, was vom Tag zu erwarten wäre.

Sitzt man allerdings um diese Zeit vor dem Computer und betrachtet retrospektiv all das, was internetmäßig und über die Nacht hin "infiltriert" wird bzw. wurde, wähne ich mich in einem Paralleluniversum, das mit der Wirklichkeit an sich recht wenig gemein hat.

Zählt im realen Leben ausschließlich das, was einen selbst und das nächste Umfeld betrifft, so beschäftigt sich die sich während des Schlafes - mag er auch noch so kurz sein - laufend erneuernde globale Parallelstruktur mit einer Geschwindigkeit, die einem beinahe schizophren erscheinen lässt.

Das solcherart destabilisierte Gefühls- und Gemütsleben suggeriert zumindest, irgendwie fremdgesteuert, nicht mehr Herr seiner eigenen Sinne zu sein; die Konzentration auf das Reale verliert ob all der "Breaking News", mit denen man sich konfrontiert sieht, mehr und mehr an Bedeutung, lässt insofern nach, als die Faszination des Irrealen Kinder, Arbeit, Zukunftsperspektiven sowie das Alltägliche an sich, in den Hintergrund drängt; die vorhandene Energie muss zu einem guten Teil dafür Verwendung finden, sich kosmischer Einflüsse (im Sinne von "universell auf die Menschheit einströmend") zu erwehren, um an diesen nicht zugrunde gehen zu müssen.

Mit dem verbleibenden Rest an energetischen Ressourcen gilt es, den "analogen" Kleingram gegen die "digitale" Übermacht zu verteidigen - ein kriegsähnlicher Zustand im Inneren, der zusätzlich Substanz verbraucht.

Um, vor dem Hintergrund der beschriebenen Schieflage, in der Lage zu sein, den Tag einigermaßen unbeschadet zu überstehen, bedarf es einer alltagstauglich-autonomen Seelenkunde bzw. radikal präventiven Selbstkontrolle - es sei denn, ich wollte einfach in den "Tag hinein" leben, mich zügellos allen Informationen hingeben, die mir digital zur Verfügung stehen und dabei auf das alltäglich Reale, meine Kinder, meine Arbeit, meine Ernährung und meine Interessen völlig vergessen.

Interessierte ich mich aber nur für das, was ich selbst beeinflussen kann, also das "alltäglich Reale", bliebe - in Relation zum unbeeinflussbaren Rest - recht wenig übrig; das Überangebot an Informationen, mögen sie nun sinnvoll sein oder nicht, hat, das muss ich zugeben, durchaus seinen Reiz, lenkt es doch von den Problemen und Fragestellungen ab, die der Alltag mit sich zu bringen pflegt.

Das, worauf ich naturgemäß keinen Einfluss habe, ist insofern erheblich reizvoller, als man das, ohne darüber nachdenken zu müssen, für bare Münze oder blanken Unsinn halten und am bereits feststehenden Ergebnis nichts mehr ändern kann. So ist alles, was man via Internet erfährt, quasi gesetzt und unverrückbar feststehend.

Man kann es kommentieren, hinnehmen, kritisieren, hinterfragen, für gut oder schlecht, falsch oder richtig halten - daran aber nichts ändern.

Durch die Fülle an Informationen, die sprichwörtliche "Informationsflut" ist man gezwungen, selektiv zu reduzieren oder reduzierend zu selektieren, wobei die Auslese zwangsläufig mit den eigenen Präferenzen korreliert.

Interessierte Politik nicht, wäre Thomas Schmids kolportiertes Geständnis ebenso belanglos, wie der Streit um die Zelte für Asylanten oder die Einschätzung österreichsicher "Militär und Russland Experten" zu Putin Feldzug in der Ukraine; wenn das Faible für Sport gering wäre, wäre Dominik Thiems Auftritt in Antwerpen nicht weniger bemerkenswert als das Schicksal einer Kletterin aus dem Iran oder der Gefängnisalltag von Boris Becker.

Man nimmt das Politische & Sportliche, wohl oder übel bzw. unreflektiert, zur Kenntnis und widmet sich reflexartig den wahrhaft wichtigen Themen oder Bereichen, dem, was einem, selektiv-reduziert, eben gerade und momentan richtig wichtig erscheint oder ist.

Quelle: https://www.playboy.de/coverstars/hanna-soekeland-interview-botschaft-shooting

Gäbe es das Internet nicht, wüsste ich beispielsweise nichts von der Existenz einer Datingshow namens "Princess Charming", dem lesbischen Pendant zu "Prince Charming", täte sich dadurch eine Informations- und Wissenslücke auf, die vermutlich vergeblich Zeit meines Lebens auf Füllung wartete.

So aber weiß ich bzw. bin up to date und happy: Hanna & Jessi sind bzw. waren(?) ein Paar, haben glückliche Tage in einer Villa auf Rhodos verbracht - Magic Moments inklusive - und schliefen zumindest bis Anfang August 2022 beim Telefonieren gemeinsam ein.

Quelle: https://www.spiegel.de/stil/princess-charming-star-auf-playboy-cover-hanna-soekeland-ueber-ihr-shooting-a-1a209d34-d4a9-4a0c-95f9-7673e6fbf33b

Hanna konnte sogar auf der Titelseite der Septemberausgabe des deutschen Playboys posieren - "In der 50-jährigen Geschichte des Magazins ist Sökeland die ersten offen lesbische Frau auf dem Cover" weiß der deutsche "STERN" (https:// www.stern.de/lifestyle/leute/-princess-charming--hanna-soekeland--sie-posiert-auf-dem-cover-des--playboy--32617578.html) zu berichten, um zum Ende hin auch Fr. Sökeland selbst zu Wort kommen zu lassen: "Ich wünsche mir, dass mehr Frauen ein Nackt-Shooting machen. Man arbeitet viel mit sich und seinem Körper, ist viel mehr man selbst - und wenn man dann sieht, wie schön das Ergebnis ist, ist das ein unglaubliches Gefühl", "schwärmt Sökeland. Sie glaubt, dass Nachtfotos viel zum Selbstbewusstsein und Wohlbefinden einer Frau beitragen können. Mehr Motive finden Sie exklusiv unter https://www.playboy.de/coverstars/hanna-soekeland-september-2022."

Quelle: https://www.bild.de/unterhaltung/musik/musik/michelle-im-playboy-mit-50-jahren-bin-ich-so-schoen-wie-noch-nie-79388954.bild.html

Einen schweren Schlag soll, hält man etwas auf www.vip.de, Schlagerkönigin Michelle erlitten haben; war diese Frau in der Playboy-Ausgabe 04/2022 noch "einfach ein Hit", "sexy wie nie", soll sie sich jetzt mit der Staatsanwaltschaft Bonn (wegen Steuerhinterziehung) auseinandersetzen müssen; dazu gesellen sich Rücken- und Bandscheibenbeschwerden, die mehrstündige Bühnenauftritte verunmöglichen sollen.

"Mit 50 Jahren bin ich so schön wie noch nie" titelte die "BILD" am 09.03.2022 - die Frau dürfe heute ihren Körper zeigen, freizügig sein; sie müsse sich nicht mehr verstecken.

Ganz anders klang das in der "BILD" vor einem Vierteljahrhundert:

... wie sich doch Zeiten und Berichterstattung ändern ...

Quelle: https://www.bild.de/unterhaltung/musik/musik/michelle-im-playboy-mit-50-jahren-bin-ich-so-schoen-wie-noch-nie-79388954.bild.html

Im "Kurier" wird über eine Motsi Mabuse (mir eine bis gestern unbekannte Profitänzerin und "Let's Dance"-Star - was immer "Let´s Dance" sein mag) und damit über das durchaus ernst zu nehmende Thema "Missbrauch in der Kindheit" berichtet: "Wenn man über Missbrauch spricht, neigen die Leute manchmal dazu, zu fragen: 'Ja, wo hat er dich geschlagen? Wie hat er dich geschlagen? Zeig mir Bilder'", zitiert die Daily Mail die Tänzerin. "Aber Manipulation und emotionaler Missbrauch, das sind Dinge, die man nicht sehen kann", fuhr sie fort. Einer ihrer Lehrer habe zum Beispiel immer wieder zu ihr gesagt: "Du tanzt wie mein Hund."

"Es gab einige Fälle, bei denen meine Mutter dabei war, und ich glaube, sie war selbst schockiert über das, was dort gerade passierte", erinnerte sie sich. "Aber niemand dachte daran, die Kinder aus der Sache herauszunehmen. Alle dachten, so disziplinieren wir Kinder, aber das ist es nicht", sagte Mabuse."

Quelle: https://motsimabuse-dietanzschule.de/meine_trainer/motsi-mabuse/

"Um andere Kinder vor ähnlichen Erfahrungen zu bewahren, würde in ihrer Tanzschule ein Therapeut arbeiten, der sich um das psychische Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler kümmert." - durchaus erwähnenswert, wie ich finde.

Quelle: https://www.bild.de/unterhaltung/leute/leute/schlager-star-melissa-naschenweng-der-mann-fuers-leben-ist-mir-noch-nicht-begegn-81662968.bild.html

Hätte ich nicht digitalen Support, wüsste ich auch nichts vom Dasein einer Melissa Naschenweng und deren "Problemchen": "Der Mann fürs Leben ist mir noch nicht begegnet" weiß scheinbar nicht nur die "BILD"; "Ich war mal mit einem Egomanen zusammen, der mich oft niedergemacht hat. Ich habe das zugelassen, weil ich als Trennungskind immer starke Verlustängste hatte. Irgendwann habe ich mich dann aus dieser toxischen Beziehung gelöst" wird die "I steh auf Bergbauernbuam"-Interpretin im deutschen Massenblatt zitiert - und nach der "Suche nach freiwilligen Helfern" (https:// www.heute.at/s/melissa-naschenweng-sucht-freiwillige-helfer-100212687) sei sie nun gar auf der Pirsch nach einem "Doppel-Alpha-Typen", den sie ob ihres jetzigen Selbstvertrauens bräuchte.

Quelle: https:// www.heute.at/s/melissa-naschenweng-sucht-freiwillige-helfer-100212687

Fr. Naomi Watts beschäftigt sich laut "InStyle" mit einer Schönheitsoperation, der sie sich allenfalls unterziehen wolle; "Ich habe viel recherchiert und war manchmal nahe dran und habe darüber nachgedacht, es zu tun. Und das heißt nicht, dass ich es nicht eines Tages tun werde. Wenn ich wüsste, dass ich großartig und wie ich selbst aussehen könnte, aber weniger müde, würde ich gerne tun, was getan werden muss. Aber ich glaube nicht, dass wir jemanden, der diese Entscheidung getroffen hat, beschämen sollten, denn jeder sollte sich der Sache auf seinem eigenen Niveau nähern." - dieser Sicht der Dinge ist durchaus Respekt entgegenzubringen, hat sie doch beinahe philosophischen Charakter, ist wohldurchdacht und bemerkenswert realitätsnah - allein, ich kenne weder sie noch einen derjenigen Filme, bei denen sie eine Rolle gespielt haben soll.

Quelle: https://vlc-uk.tumblr.com/post/126937085063/naomi-watts

Ehe sie im Alter von 54 über eine Beauty-OP nachdenken konnte, musste sich Watts aber scheinbar mit einem ganz anderen Problem auseinandersetzen; "Mit 36 Jahren: Naomi Watts stand kurz vor der Menopause" ist auf https://www.promiflash.de zu lesen.

"Nun berichtet Naomi ehrlich davon, wie schwer es für sie war, schwanger zu werden! In der Show "The New Pause Symposium" packte die King Kong"-Darstellerin über ihre vergeblichen Versuche aus, Nachwuchs zu bekommen. Ein Arzt sagte ihr dann mit 36 Jahren, dass sie nicht schwanger werden könne, da sie kurz vor der Menopause stehe: "Ich geriet in völlige Panik, fühlte mich sehr seltsam, sehr wenig wert und wie eine Versagerin" erzählt Naomi total ehrlich. Zwei Jahre tat sie dann alles in ihrer Macht Stehende, um ein Baby zu bekommen. Eine künstliche Befruchtung kam für sie nicht infrage. Doch schließlich hat Naomi es geschafft." - herzliche Gratulation (wenn auch leicht verspätet)!

So könnte man den ganzen Tag damit verbringen, wahrhaft Wichtiges zu lesen, zu kommentieren, zu recherchieren, was den Globus bzw. dessen Bewohner so alles zu bewegen in der Lage ist; mir war bis dato jedenfalls nicht bewusst, wie viele Menschen solche Informationen lesen, etwas dazu oder darüber schreiben und damit zu verstehen geben, dass es ihnen ein Anliegen ist, sich solcherart berieseln und den Tag für sich vorübergehen zu lassen; fernab von hoher Politik, wirtschaftlichen Problemen und allem, was uns scheinbar in diesen Tagen beschäftigen und das Leben verdrießen soll.

Es mag zwar sein, dass die Menopause-Flausen einer Watts oder die Männersuche einer Naschenweng vernachlässigbar sein könnten, die finanziellen Schwierigkeiten von Michelle eine Lappalie - beachtenswert sind solche Geschichten aber allemal, müssen es gleichsam sein, sonst berichtete darüber vermutlich niemand; Alltagspsychologie eben, um die Menschen abzulenken und von dem fernzuhalten, was die überwiegende Mehrheit ohnedies nicht will: An der Realität - und sei es ihre eigene - teilzunehmen.

Chr. Brugger

19/10/2022