Die nächsten ÖVP-Blamagen

23.10.2024

Mittlerweile ist es in dieser Republik üblich und beinahe schon Tradition bzw. gelebte Praxis, dass die ÖVP kaum einen Tag vergehen lässt, an dem sie sich nicht blamiert; sie ist, vor allem unter der Obmannschaft von Karl Nehammer, sozusagen zum österreichischen Inbegriff aller Peinlichkeit verkommen.

Quelle: https://kurier.at/politik/inland/oevp-ermittlungen-oevp-regierungsmitglieder-bleiben-nur-mit-kurz/401762328

Angefangen hat das groteske Schauspiel mit der "gemeinsamen Erklärung der ÖVP-Regierungsmitglieder" vom Oktober 2021; dort ist wörtlich zu lesen: "Aus tiefster demokratischer Überzeugung stellen wir als Bundesministerinnen und Bundesminister der Republik Österreich hiermit klar: Eine ÖVP-Beteiligung in dieser Bundesregierung wird es ausschließlich mit Sebastian Kurz an der Spitze geben" – unterschrieben wurde diese selbsterklärende Solidaritätsbekundung u.a. auch von Karl Nehammer, Alexander Schallenberg, Karoline Edtstadler & Magnus Brunner.

Was danach geschehen ist, dürfte bekannt sein: Die ÖsterreicherInnen mussten feststellen, dass das Wort von Nehammer & Co nichts wert ist; bereits am 11.10.2021 ließ sich Alexander Schallenberg als Bundeskanzler angeloben und seit dem 06.12.2021 turnt an der Spitze der Verwaltung Karl Nehammer herum; mit Wortbruch & Charakterlosigkeit haben die offenbar rückgratlosen Kurz-Nachfolger eine neue Ära eingeleitet und es sich auf Basis der von Sebastian Kurz mit dubiosen Machenschaften errungenen Wahlerfolge (die diesbezüglich anhängigen, strafrechtlichen Ermittlungen dauern immer noch an) gemütlich gemacht.

Quelle: https://www.buzzfeed.at/news/meinung/oesterreich-innenpolitik-regierung-stress-neid-deutschland-91178618.html

Darauf, was sich all die Genannten während der Corona-Zeit "geleistet" haben, will ich nicht noch einmal eingehen; ebenso wenig auf ihren schludrigen Umgang mit der inflationsbedingten Teuerungswelle samt verheerenden wirtschaftlichen Folgen.

Es hätte auch keinen Sinn, den von Nehammer initiierten "Was ist noch normal"-Diskussionsschwachsinn aufzuwärmen, seine berühmt gewordene McDonalds Rede anlässlich der Salzburger Festspiele oder das bizarre Exen gepantschten Bieres beim Altausseer Kirtag; es lohnt sich auch nicht, seinen peinlichen "Alkohol & Psychopharmaka"-Hinweis erneut vor den Vorhang zu holen, seine bornierte Anbiederung an Figl, die verschrobene Lederhosen-Kultur-Initiative oder gar die Inszenierung seiner undefinierbaren "Mitte".

Quelle: https://weltwoche.de/daily/oesterreich-hat-seinen-bierskandal-bundeskanzler-karl-nehammer-gab-sich-volksverbunden-und-trank-ein-grosses-bier-auf-ex-der-jubel-war-gross-nun-ist-aber-klar-im-glas-war-z/

Interessanter, weil aktueller, ist da z.B. schon sein 500 Millionen Euro Deal im polnischen Breslau (vor der NR-Wahl), bei dem sich jetzt (nach der NR-Wahl) herausstellt, dass bei Nehammer in Wroclaw etwas nicht ganz gepasst hat bzw. schiefgelaufen ist; entweder hat er einfach gelogen, wurde, was nicht auszuschließen ist, in Polen über den Tisch gezogen oder er war mangels ausreichender Kenntnisse der englischen Sprache nicht in der Lage, sinnerfassend zuzuhören – anderer Möglichkeiten fallen mir nicht ein, Erklärungsbedarf besteht aber allemal.

Quelle: https://exxpress.at/politik/kritik-an-bundeskanzler-nehammer-almosen-fuer-oesterreichische-hochwasser-geschaedigte/

Allen Warnungen und Prognosen zum Trotz haben Finanzministrant Brunner und Nehammer (vor der NR-Wahl) immer wieder betont, Österreich würde 2024 die Budgetdefizitobergrenze von Maastricht (3%) nicht überschreiten; erst Anfang Oktober (nach der NR-Wahl) haben sich Nehammer & Brunner dazu durchgerungen einzugestehen, dass sie es (formulieren wir es wohlwollend) vor der Wahl mit der Wahrheit nicht allzu ernst genommen hätten; manche schreiben und reden jedoch davon, dass Nehammer & Brunner mit ihrem Verschweigen der tatsächlichen Wirtschaftslage die Wähler betrogen und so die NR-Wahl zugunsten der ÖVP beeinflusst hätten.

Brunner: https://www.vol.at/zivilstreife-zieht-finanzminister-brunner-bei-dornbirn-aus-dem-verkehr-fuhrerschein-fur-vier-wochen-weg/8498287

Klar ist in diesem Zusammenhang jedenfalls, dass u.a. der Präsident des Fiskalrates, Christoph Badelt, bereits im April 2024 wusste, dass 2024 das Budgetdefizit jedenfalls über der 3%-Marke liegen wird; im Finanzministerium war (welch Wunder) Badelts Aussage hingegen nicht nachvollziehbar (https://www.trend.at/news/budgetdefizit-2024-fiskalrat).

Im "Trend" war damals u.a. auch zu lesen: "Dass das Finanzministerium auf nur 2,9 Prozent erhöht, finde er "witzig", so Badelt. Zu den vom Ministerium für 2024 veranschlagten 2,7 Prozent Defizit käme die schlechtere Ausgangslage "plus die Konjunkturlage" dazu. "Insofern möchte ich gerne wissen, wie sie das rechnen wollen."

Es hat also den Anschein, dass man im ÖVP-geführten Finanzministerium laufend nur mit Fantasiezahlen herummanipuliert und sich alles so lange schönredet, bis der passende Zeitpunkt (nach der NR-Wahl) gekommen ist; inwiefern dieses Verhalten redlich, anständig, charakterlich in Ordnung bzw. staatspolitisch angemessen ist, können die Leser selbst beurteilen.

Vor der NR-Wahl hat Karl Nehammer das sog. "Kanzler-Duell" ("Er oder ich") ausgerufen bzw. hochstilisiert; jedes Duell hat, ganz nebenbei, am Ende die blöde Angewohnheit, nur einen Sieger und einen Verlierer zu kennen; aus diesem "Duell" ist (nach der NR-Wahl) Nehammer als klarer Verlierer hervorgegangen; bis heute hat man kein Wort von ihm gehört, wie sich seine persönliche Niederlage anfühlt und wie man als Verlierer dem Volk erklären will, dass es auch künftig von einem Loser verwaltet wird.

Quelle: https://www.vienna.at/nr-wahl-ovp-wahlkampfauftakt-mit-kritik-an-kickl-und-eye-of-the-tiger/8928715

Böse Zungen behaupten ja mittlerweile, Nehammer habe beim "Wahlkampfauftakt" sein Lieblingslied von Survivor "Eye oft he Tiger" nur deshalb ertönen lassen, damit er im Nachhinein seine absehbare Niederlage einfacher erklären kann: "Just a man and his will to survive" – also, nur ein Mann und sein Wille zu überleben – die Niederlage im Duell hat Nehammer überlebt, seine politische Zukunft hingegen steht auf wackeligen Beinen; wie man allerdings vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Sieger und Verlierer (vor der NR-Wahl) längst festgestanden sind, dennoch ein "Duell" ausrufen kann, erklärt sich mir nicht; ich muss das aber auch nicht verstehen; vielleicht war es eine Verzweiflungstat oder einfach nur der Ausfluss hilfloser Selbstüberschätzung.

Was dann am Abend des 29.09.2024 zu sehen und zu hören war, wird in der türkisschwarzen "Erfolgschronik" kaum Erwähnung finden; hätte man das vorläufige Ergebnis der NR-Wahl nicht bereits gekannt, wäre man geneigt gewesen zu glauben, die ÖVP hätte klar gewonnen; von einer unglaublichen Aufholjagd war die Rede, vom (auf Salzburg bezogen) besten Bundesländerergebnis in ganz Österreich als klare Nummer 1 (Wortspende von Karoline Edtstadler); und Christian Stocker meinte gar "wir müssen ja wissen, woher wir gekommen sind; Karl Nehammer hat die Partei am Bundesparteitag bei 21% übernommen".

Quelle: https://derstandard.at/adblockwall/story/2000113258475/eu-ministerin-karoline-edtstadler-fordert-verstaerkung-des-aussengrenzschutzes

Um das alles richtig einzuordnen: Die ÖVP hat das historisch schlechteste Ergebnis in der 2. Republik erzielt; im Bundesland Salzburg hat die ÖVP sage und schreibe 14,8% verloren und damit österreichweit (neben Tirol) mit Abstand am schlechtesten abgeschnitten und die 21% von Stocker sind das, was man gemeinhin Realitätsflucht (Eskapismus) bezeichnet, die u.a. auf traumatische Erlebnisse, Schock, Drogen- oder Alkoholmissbrauch zurückgeführt wird; zumindest bis heute regiert die ÖVP mit jenen 37,46%, die Kurz bei der NR-Wahl 2019 mit fragwürdigsten Methoden "erschlichen" hat und jenen 71 Nationalräten im Hintergrund, die die Koalition mit den Grünen erst möglich gemacht haben.

Gestern, am 22.10.2024, hat die ÖVP gleich zweimal "zugeschlagen"; einerseits hat der steirische LH Christopher Drexler Österreich wissen lassen, dass der Auftrag an seinen Parteichef durch Van der Bellen, Karl Nehammer möge eine Regierung zustande bringen, "völlig falsch" gewesen wäre und der Bundespräsident vielmehr Herbert Kickl ("als Vertreter der stimmenstärksten Partei") zu beauftragen gehabt hätte; man wird sich bei der ÖVP daher parteiintern die Frage stellen müssen, warum Drexler Kickl Nehammer vorzieht und den, der ÖVP durchaus wohlgesonnen, Präsidenten dermaßen massiv angreift.

Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=mWbXJnkaUVY

Andererseits hat Karoline Edtstadler dem Volk ausrichten lassen, dass die ÖVP von einer Nichtigkeitsklage gegen das "EU-Renaturierungsgesetz" Abstand nimmt; das ist insofern bemerkenswert, als Edtstadler, vor allem aber Nehammer und Stocker, noch im Juni dieses Jahres der "Solotänzerin" Leonore G., "der Kickl der Grünen", alles angedroht haben, was bei einem Bruch von Gesetzen oder der Verfassung an juristischen "Geschützen" aufzubieten gäbe; blöd ist nur (auch das wurde geflissentlich verschwiegen), dass das von der ÖVP, respektive Stocker & Edtstadler, initiierte Strafverfahren wegen Amtsmissbrauches von der zuständigen Staatsanwaltschaft längst eingestellt wurde; die beiden "Hobby-Juristen" (Edtstadler als Richterin u. Stocker als Rechtsanwalt) müssen demnach einsehen, dass es zwischen "Amtsgeschäften" und "Akten der Gesetzgebung" einen gravierenden Unterschied gibt, der die Anwendbarkeit des § 302 StGB ("Amtsmissbrauch") schon rein objektiv ausschließt – peinlich, peinlich (so etwas lernt man im ersten Semester eines Studiums der Rechtswissenschaften).

Quelle: https://www.vienna.at/koalition-bleibt-nehammer-rechnet-mit-gewessler-ab/8791423

Noch viel peinlicher ist die Begründung dafür, keine Nichtigkeitsklage erheben zu wollen: "Die Antwort auf den Gesetzesbruch der Klimaschutzministerin Gewessler darf kein weiterer Gesetzesbruch sein. Als Verfassungsministerin ist es für mich keine Option, mich über die Vorgaben des Bundesministeriengesetzes und die Staatspraxis hinwegzusetzen" meint Edtstadler dazu.

Ganz im Ernst: Wenn ich für eine Klage (aus welchem Grund und gegen wen auch immer) die Zustimmung des vermeintlichen Prozessgegners benötigte, wäre es mit der Rechtsstaatlichkeit ohnedies längst vorbei; es dürfte eher so gewesen sein, dass Nehammer, Stocker & Edtstadler realisiert haben, rechtlich auf einem falschen Dampfer unterwegs zu sein und daher, um nicht (wie mit ihrer Strafanzeige) noch einmal Schiffbruch zu erleiden, die Reißleine gezogen haben; dass Nehammer vom Rechtlichen keine Ahnung hat ist verständlich; bei Stocker und Edtstadler sieht das, im Lichte ihrer jeweiligen Ausbildungen betrachtet, aber doch etwas anders aus.

Chr. Brugger

23/10/2024