Die Dekadenz der Dilettanten
Die Begeisterung der "Erfinder" der Demokratie, bzw. deren prominentester Befürworter, Solon, Kleisthenes und Perikles (samt nachträglichem Überbau von Aristoteles) würde sich angesichts der momentanen Krise dieser mehr als 2.500 Jahre alten Herrschaftsorganisation vermutlich in Grenzen halten; John Locke, der Verfasser von "Zwei Abhandlungen über die Regierung", Charles Montesquieu mit seinem "Geist der Gesetze", letztlich aber vor allem Jean-Jacques Rousseau mit dem "Gesellschaftsvertrag" – sozusagen die "Urväter" aller europäischen Demokratien – würden mit Sicherheit nicht schweigen; was spätestens gegen Ende des 20. Jahrhunderts hin begonnen hat, setzt sich mit unverminderter Geschwindigkeit fort: Die "Staatsform" Demokratie verliert weltweit an Bedeutung & Befürwortern; der Niedergang demokratischer Prinzipien & Werte ist untrennbar mit der ernüchternden Tatsache verbunden, dass viele von denen, die das demokratische System hervorgebracht, an die Oberfläche und in maßgebliche Ämter gespült hat, den hehren Vorstellungen von dem, was unter Demokratie gemeinhin verstanden wird, nicht länger gerecht werden.
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"Demokratie" war von Anbeginn an ein Reizwort oder Kampfbegriff und mit idealisierenden Vorstellungen davon verbunden, was den "Wert" einer solchen Staatsform ausmachte; es ist ob dessen keine Überraschung, dass die "großen Denker" der Antike, alle voran Platon und Aristoteles, nicht das "hohe Lied" auf die Demokratie angestimmt, sondern sich überwiegend recht kritisch geäußert haben; erst Baruch de Spinoza hat, rein begrifflich, der Demokratie zu einem positiveren Image verholfen.
Heute wird, das ist das eigentliche Dilemma, das Wort "Demokratie" nur noch dafür verwendet, zwischen "gut" und "böse" unterscheiden zu wollen, vermeintliche "Populisten" zu delegitimieren, um sich am Ende selbst ins rechte Licht zu setzen; undemokratisch sind immer nur die anderen, nie ist man das selbst.
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An dieser Stelle ist es Zeit, auf den "Verfassungskreislauf" des Polybios aus Megalopolis, der in 6. Buch der "Historíai" nur fragmentarisch vorhanden ist, Bezug zu nehmen; der Geschichtsschreiber vom Peloponnes hat sich dort u.a. mit dem Begriff der "Ochlokratie" auseinandergesetzt, einer Spielform "aus den Fugen geratener" bzw. "entarteter" Demokratie; in der sog. "Pöbelherrschaft" ist das Gemeinwohl sekundär; Eigennutz und Habsucht bestimmen das Handeln derjenigen, die sich als demokratisch legitimiert erachten.
Und genau dort, im Zeitalter der "Herrschaft des Pöbels" (im Sinne des Polybios), sind wir mittlerweile (auch in Österreich) angekommen; diese "Ära" wird durch ein Phänomen grundlegend gekennzeichnet: Dekadenz – der Verfall aller Tugenden, die massiv nachlassende Orientierung am Gemeinwohl und das Korrumpieren der Verfassungsordnung; Chaos, wirtschaftlicher Niedergang, Unzufriedenheit, Misstrauen und politische Machtkämpfe leiten eine neue Periode ein; die nächste Phase des Verfassungskreislaufes beginnt.
Es muss nicht detailgetreu wiederholt, sondern bloß daran erinnert werden, mit welch unlauteren Mitteln & Methoden die immer noch im Amt befindliche Regierung überhaupt "an die Macht" kommen konnte; und für die nächste, derzeit im Entstehen befindliche, gilt eben dasselbe; vor dem "Hochamt" jeder "Demokratie", der Wahl, wurde – ganz im Sinne und Stile Machiavellis – geheuchelt und gelogen, was das "Zeug" hergegeben hat; der florentinische Philosoph hält ja den "Wortbruch des Fürsten" für nahezu unausweichlich und zulässig: "Ein kluger Fürst kann und darf daher sein Wort nicht halten, wenn die Beobachtung desselben sich gegen ihn selbst kehren würde, und die Ursachen, die ihn bewogen haben, es zu geben, aufhören – und einem Fürsten kann es nie an Vorwand fehlen, es zu beschönigen, wenn er es bricht".
Quelle: https://www.museivaticani.va/content/museivaticani/de/collezioni/musei/stanze-di-raffaello/stanza-della-segnatura/scuola-di-atene.html
Das moralische Verhalten sei hingegen, so Machiavelli, ohne Belang; mehr "Schein" als "Sein" samt Lügen als legitime Mittel zur Erreichung des Zwecks – so in etwa lautet das "Credo" der heimischen Parteien, die in der Summe ihrer personellen "Bestandteile", unter Verwendung machiavellistischer Methoden, das anstreben, was Polybios bereits vor mehr als 2000 Jahren unter Pöbelherrschaft verstanden wissen wollte – das Tätigwerden völlig degenerierter, parteipolitischer Wichtigtuer mit, das kommt erschwerend hinzu, doch recht bescheidenem Intellekt – Dilettanten eben, wie man gemeinhin sagen würde.
Diese mutmaßlich "degenerierten Dilettanten" treffen just jetzt auf eine längst erodierte Gesellschaft, um sich mit dieser in einer unseligen Allianz noch einmal verbinden zu wollen; während einem Charismatiker selbst Lügen und Fehler verziehen würden, führt dasselbe Verhalten bei schwachen Charakteren zu deren unverhohlener Ablehnung; mit diesem "Problem" müssen sich in Österreich vor allem Karl Nehammer & Andreas Babler herumschlagen; sie befinden sich, sozusagen, in einem doppelten Dilemma: Trotz oder gerade wegen ihrer Unredlichkeit sind beide unbeliebter denn je; in der, fiktiv beantworteten, Kanzlerfrage erreichen Sie – mit Mühe & Not – gerade einmal jenen Wert, den beider "Erzfeind" Herbert Kickl alleine aufweist.
Auf der anderen Seite stehen sich ihre ideologischen Wunschvorstellungen diametral gegenüber; dennoch sind sie, um ihrer "Ämter" nicht verlustig zu werden, zur Zusammenarbeit faktisch gezwungen.
Quelle: https://www.diepresse.com/18944506/nehammer-und-babler-suchen-atmosphaerischen-austausch
Gepaart mit Zeitdruck und mit reichlich niedrigen Instinkten durchtränkt, gerät der Koalitionspoker aber zur "Mission impossible" – zumal das Können dem Wollen nicht gerecht werden kann; wer mehr als zwei Monate nach der Wahl noch immer nicht weiß, wie sich die budgetäre Lage des Staates tatsächlich darstellt (obwohl die ÖVP seit mehr als 2 Jahrzehnten den Finanzministranten stellt), der hat entweder noch Schlimmeres zu verbergen oder ist schlichtweg zu blöd – eine andere Erklärung kann es nicht geben.
Chr. Brugger
03/12/2024