Die Bilanz des Grauens – Teil III

06.09.2024

"Crisis in Austria!" – als der legendäre Thomas Bernhard diese Wortfolge in den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts in seinen "Monologe auf Mallorca" verwendet hat, wurde er nicht ernst genommen, vielmehr belächelt wie verhöhnt; heute ist die "Krise in Österreich" aktueller als je zuvor.

Immer dann, wenn Politiker von Krisen sprechen, meinen bzw. bezeichnen sie damit jene unliebsamen Ereignisse, die ihnen das Verwalten des Landes nicht eben erleichtern; mittlerweile sprechen sie, die selbsternannten Hüter allen Gemeinwohls, meist sogar von sog. "multiplen" Krisen; auf die Idee, sie könnten selbst (als Personen) das krisenauslösende Moment sein, ist dabei noch nie jemand gekommen.

Quelle: https://www.kleinezeitung.at/kaernten/6326359/Nach-NehammerVideo_Gastronom-verkauft-Mc-Karli-Burger-um-140-Euro

Setzte man ein Mindestmaß an Selbstreflexion voraus, müsste es sogar jedem Parteipolitiker absolut klar sein, dass der Zustand des Landes untrennbar mit all jenem parteipolitisch infiltrierten Schwachsinn verbunden ist, der die Republik in den letzten Jahrzehnten dorthin manövriert hat, wo sie sich heute wiederfindet.

Der Befund ist ebenso ernüchternd, wie die Verantwortlichkeiten evident sind: Alle rechtlichen Grundlagen, die das Fundament des heimischen Politgebildes bilden, stammen aus den Federn jener Parteien, die seit Jahr & Tag behaupten, das Land regieren und für eben dasselbe nur das Beste zu wollen; wenn dem so wäre und man die Selbstbeurteilung der parteilichen Protagonisten ernst nehmen könnte, dürfte es folglich keine "großen Baustellen" geben; hätten die federführend tätig gewordenen Politiker recht, dürfte es daher weder im Bereich der Integration noch bei der Sicherheit, den Fachkräften, der Bildung oder im Bereich der Wirtschaft ernste Probleme geben und schon gar keine Schäden an der Basis des heimischen Staatsgebildes: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit & Solidarität.

Das Dilemma ist nur, dass das gesprochene Parteipolitikerwort nicht einmal das Schwarze unter dem Fingernagel wert ist; speziell im Vorfeld nationaler Wahlen ist die Neigung evident, der Bevölkerung alles zu versprechen, Besserung zu geloben, Reformen anzukündigen und "unter dem Strich" zu suggerieren, man würde nach dem Tag der Wahl alles insofern besser zu machen, als es dem Volk zum Vorteil gereichte.

Quelle: https://www.craiyon.com/image/vM-Mwo35SEK5kF9BSzReOA

Vor allem die ÖVP, die seit dem 21.01.1987 Regierungsverantwortung tragen sollte, ist scheinbar einem pathologischen Zwang verfallen, mit Vorwahlankündigungen vieles zu versprechen, um am Tag nach der Wahl damit zu beginnen, nichts zu halten; nüchtern betrachtet könnte man das auch gut & gerne einen glatten Wahlbetrug nennen; keinen klassischen gewerbsmäßigen Betrug im Sinn des § 148 StGB also, vielmehr eine absichtliche Täuschung über Tatsachen, um dadurch nachfolgend Funktionen ausüben zu können, im Rahmen derer das Volksvermögen geschädigt bzw. die nationale Verschuldung erhöht wird, wobei die handelnden Personen davon selbst noch finanziell massiv profitieren.

Vor dem Hintergrund dieser Szenerie kann das "Wahlprogramm" der ÖVP analysiert und auf seine Plausibilität hin überprüft werden …

Was also verspricht Karl Nehammer u.a.?

  • "Unser Ziel ist, dass die Wirtschaftskraft in den nächsten 5 Jahren um 10 Prozent steigt und unser BIP um 50 Milliarden größer ist", sagt Nehammer. Das würde jeder Österreicher spüren, denn "umgelegt auf das BIP/Kopf ist das ein Plus von 5.500 Euro."
  • "Vor allem jene die Vollzeit arbeiten, sollen für ihre Kinder einen Ganztagsbetreuungsplatz haben."
  • "Steigerung der Eigentumsquote auf 60 Prozent, etwa durch einen günstigen Eigenheim-Kredit für junge Familien."
  • "Leistung in der Arbeitswelt soll durch einen "Vollzeitbonus" von 1.000 Euro herbeigeführt werden, Arbeit und Pension sollen steuerlich entlastet werden. Strengere Regeln fordert die ÖVP hingegen für Arbeitslose durch ein degressives Arbeitslosengeld."
  • "Kein Kind, dass nicht lesen oder rechnen kann, soll die Schule verlassen."
  • "Außerdem soll der Nikolaus ins Schulunterrichtsgesetz, um "die österreichischen Werte durch Abhalten der Fest- und Feiertage zu sichern". Auch Weihnachten soll in dieses Gesetz."

Quelle: https://www.reddit.com/r/Austria/comments/16udvrd/hat_jetzt_langsam_jeder_seinen_unlustigen/?rdt=62247

Lassen Sie mich mit jenem Punkt beginnen, dessen "Analyse" alleine schon ausreicht, das nehammerische Kartenhaus implodieren zu lassen, seine Traumtänzerei bzw. parteipolitisch motivierte Geisterfahrt zu beenden:

"Kein Kind, dass nicht lesen oder rechnen kann, soll die Schule verlassen."

Dieses bildungspolitische Schmankerl läuft bei der ÖVP unter dem Slogan "Bildungspflicht" ("Einführung einer Bildungspflicht als Garantie am Ende der Schulpflicht" – "wer diese standardisierte Prüfung nicht besteht und diese Kompetenzen nicht nachweisen kann, soll sie im Rahmen eines eigenen, verpflichtenden Bildungsprogramms erwerben").

Quelle: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=412315103553072&id=113272186790700&set=a.115510296566889

Nun ist mir naturgemäß nicht bekannt, welche Bildung der Vorsitzende der Verlassenschaft nach Sebastian Kurz genossen hat – es interessiert mich auch nicht (die Lektüre seiner Master-Thesis genügt vollauf); Karl Nehammer hat seine bisherige Funktion ja keiner Wahl zu verdanken, vielmehr einem "saublöden" Zufall; dennoch ist er, was er laufend vorgibt zu sein; ob er dafür geeignet ist oder nicht, soll das Wahlvolk beurteilen; meine Zweifel an seiner Funktionstauglichkeit sind ohnedies bekannt.

Offenbar ist es aber doch viel schlimmer um Hr. Nehammer bestellt, als ich das bislang vermuten konnte; wäre ihm die "Bildungspflicht" nämlich tatsächlich so wichtig, wie er nun vorgibt, dass sie es sein soll, hätte er nur das hauseigene Regierungsprogramm ("Aus Verantwortung für Österreich") lesen bzw. ernst nehmen müssen; dort wird auf Seite 203 just das gefordert und versprochen, was sich nun in seinem Plan für Österreich (Seite 136) wortident wiederfindet; sinnerfassendes Lesen und Verstehen ist seine Sache also nicht – sonst müsste er nicht jetzt wieder etwas fordern, was bereits vor 5 Jahren versprochen wurde.

Noch viel größeren Handlungsbedarf dürfte es bei Nehammer jedoch im Bereich der Mathematik geben; wenn es nach ihm und seinen Plänen geht, ist die Finanzierbarkeit seiner intellektuellen Geisterfahrt dadurch bedingt bzw. davon abhängig, dass sich das BIP in den nächsten 5 Jahren um jeweils 2% p.a. erhöht; er verknüpft sohin seine absurden Heilsversprechen mit einer unbekannten Variable, auf deren Eintrittswahrscheinlichkeit er keinen unmittelbaren Einfluss hat. Der geschulte Mathematiker spräche in diesem Zusammenhang von einer unlösbaren Gleichung mit endlos vielen Variablen, ein durchschnittlich Intelligenter jedoch von einem illegalen Hütchenspiel.

Wie auch immer: Mit den von Nehammer ob seines mathematischen Zaubers erwarteten "Mehreinnahmen" sollen Steuersenkungen, die Senkung der "Lohnnebenkosten" sowie milliardenteure Projekte (Sky-Shield, Kinderbetreuung etc.) finanziert werden, ein jährlicher Vollzeitbonus und sonstige "Vergütungen" bzw. "Investments" (2% des BIP p.a. für die Landesverteidigung etc.).

Quelle: https://www.tt.com/artikel/30865617/empoerung-ueber-nehammers-burger-video-kanzler-verteidigt-aussagen

Das Problem dabei ist, dass allein Vollzeitbonus, Landesverteidigung, Lohnnebenkostensenkung, Kinderbetreuung und Sky-Shield in etwa 20 Milliarden Euro p.a. kosten – das soll lt. Nehammer mit Geld bezahlt werden, das bislang weder erwirtschaftet wurde noch "auf der hohen Kante" vorhanden und von dem völlig zweifelhaft ist, ob es jemals zur Verfügung stehen wird – das nehammerische Hütchenspiel ist daher eine Denksportaufgabe für ein noch nicht geborene Mathematik-Genie oder Propheten von einem anderen Stern – regierungstauglich bzw. mehrheitsfähig ist es jedenfalls nicht; es handelt sich dabei aber vor allem um eine Verhöhnung all jener ÖsterreicherInnen, die mit Fug & Recht von sich behaupten können, die Bildungspflicht erfüllt zu haben – davon ist Karl Nehammer meilenweit entfernt; lesen und rechnen kann er jedenfalls nicht.

Chr. Brugger

06/09/2024