Dialektik und Dichotomie
Dass es hierzulande in vielen, um nicht zu schreiben, fast allen, politisch relevanten, Belangen nicht zum Besten steht, ist offensichtlicher denn je; selbst in den zentralsten Bereichen (Bildung, Gesundheit, Wohnraumbeschaffungssituation, Arbeitsmarkt, Umweltschutz, Familien, Fiskal- u. Finanzpolitik) ist seit geraumer Zeit allenthalben bloß das, bereits sprichwörtlich gewordene, "Multiorganversagen" absurd verkommener Parteipolitik feststellbar – ein Desaster auf allen Ebenen.
Quelle: https://www.profil.at/kultur/thomas-bernhard-todestag-weggefaehrten-10643555
So, wie ich zuletzt (23.07.2023) den Dichterfürsten Th. Bernhard am Ende eines Beitrages zitiert habe, erhält er heute zu Beginn das Wort erteilt:
"Ob schwarz oder rot, Politiker sind immer dasselbe Gesindel".
Zum Thema bzw. Titel dieses Beitrages:
Der Begriff "Dialektik" hat über die Jahrhunderte hinweg und nicht zuletzt durch die laufend vorgenommene, interpretative Verwässerung, in Relation zu seiner ursprünglichen Bedeutung, an Gewicht verloren; ich verwende das Wort im klassischen Sinn, als das, was er ursprünglich war, einfach eine Form der "Gesprächsführung".
Dichotomie bedeutet "Entzweischneiden", trennen oder teilen bzw. das Einteilen in verschiedene Gruppen oder Kategorien.
Die Überschrift könnte also auch, bezogen auf die anfänglich beschriebene Situation, "das verkommene Geschwätz von der Spaltung" lauten; das klänge aber weniger einladend oder noch uninteressanter.
Nun denn: Vielleicht können sich manche noch an die Zeit der Covid-19 Pandemie erinnern, im Besonderen an jene Maßnahmen der Kabinette Kurz II, Schallenberg & Nehammer, die diese, ab Mitte März 2020, über uns, die Bevölkerung, verhängt haben.
Ausgangsverbote, Maskenpflicht, Quarantänevorschriften, Aufenthaltsverbote an bestimmten Orten, Begegnungsverbote, Abstandsvorschriften am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit sowie in Gastronomie & Hotellerie, Aus- und Einreiseverbote, Testregime, Lockdowns für Geimpfte und/oder Ungeimpfte und – zu guter Letzt – die Impfpflicht.
Aus dieser Zeit stammt auch das als devot zu bezeichnende Verhältnis der Parteipolitiker zur Wissenschaft bzw. den sog. "Experten"; anerkannte oder namhafte "Experten" waren dabei aber immer nur jene, die den parteipolitischen Wünschen willfährig, wenn auch hoch dotiert, entsprachen; am Ende war "man" dann eben viel zu lange den Experten hörig und diese wiederum schuld am Pandemiedesaster der Regierungen.
All das hat, ob man es anerkennen bzw. wahrhaben will oder nicht ist einerlei, zu einer Zerrüttung und, was wesentlich schwerer wiegt, zu einer Zwei- oder Mehrfachteilung der Gesellschaft geführt; von den psychischen, teilweise traumatischen Folgen, vor allem den Konsequenzen für den jüngsten Teil der Bevölkerung (Kinder, Schüler, Studenten etc.) ganz zu schweigen.
Quelle: https://kinderzeitung.kleinezeitung.at/regierungskrise-in-oesterreich-alles-was-du-wissen-musst/
Selbst die dümmsten Parteipolitiker und sogar jene, denen Empathie nur vom Hörensagen her bekannt ist, haben bereits während der Pandemie feststellen und einsehen müssen, dass all die erwähnten Maßnahmen in der Bevölkerung etwas bewirkt haben, namentlich deren eigene Zerstückelung; plötzlich gab es, welch Wunder, Geimpfte & Ungeimpfte, Gute & Böse, Impfverweigerer, Covidleugner, "Covidioten", das Demonstrationsrecht Missbrauchende, Verschwörungstheoretiker, "Schwurbler", Systemleugner, Illoyale, Feinde der Gesellschaft, "Zauderer & Zögerer", Rechtschaffene & Rechtsbrecher, die "Wut der Geimpften auf die Ungeimpften", "Intolerante", selbst eine eigene (politische) Partei für Menschen, Freiheit & Grundrechte (MFG); und, zum Ende des Jahres 2021 hin, war es (Interview der Karoline Edtstadler bei PULS 24, 10.12.2021) nicht einmal mehr denkunmöglich, als Ungeimpfter Österreich verlassen zu müssen: "Es ist richtig, dass natürlich mit der Impflicht es eigentlich rechtswidrig ist, in Österreich zu wohnen und nicht geimpft zu sein"; zudem wäre es "wahrscheinlich auch möglich, jemanden zu kündigen, der nicht geimpft ist" – wer das Aufenthaltsrecht in Österreich von einer (fragwürdig-bzw. verfassungswidrigen) Impflicht abhängig macht und für eine Kündigung auf einen Grund insistiert (der nach der aktuelle Rechtslage gar nicht erforderlich ist) hat weder das österreichische Rechtssystem verstanden noch darf er sich wundern, wenn er nicht ernst genommen und als "Kabinettsdrache" verunglimpft wird.
Quelle: https://kurier.at/politik/inland/edtstadler-oevp-geht-mit-nehammer-in-naechste-wahl/402249798
Die "Spaltung" der Gesellschaft, wie das gemeinhin genannt wird, haben wir weder der Pandemie an sich noch dem oppositionellen Widerstand zu verdanken, sondern einzig und allein den Maßnahmen der jeweiligen Regierungen (Kurz II. Schallenberg & Nehammer).
Irgendwann wurde dann begonnen, das Märchen vom Zuschütten der Gräben zu erzählen; allein, von einem "Zuschütten" konnte keine Rede sein bzw. wollte niemand, der das gefordert hat, etwas davon wissen; längst war der nächste dichotomische Anschlag auf die Gesellschaft im Gange; Putins russische Armee hatte die Ukraine überfallen und dieser den Krieg erklärt; wieder gab es, scheinbar wie aus Trotz, nur noch Gute & Böse; jene, die das durchaus fragwürdige europäische Sanktionssystem befürworten und die Heerschar der "Putin Versteher", Russophile und Russophobe sohin.
In neuester Zeit will man nun (vielleicht angesichts des Krieges in der Ukraine und aus Solidarität zu den tausenden Soldaten in diversen Schützengräben) keine Gräben mehr zuschütten, sondern die Gesellschaft "in der Mitte vereinen", um sie gegen die rechten und linken Ränder zu schützen.
Dazu bedient sich vor allem der angelernte schwarz-türkise Parteipolitiker der Aufteilung in "normal" und eben "nicht normal".
Da durchaus anzunehmen ist, dass selbst der perfideste Parteipolitiker weiß, dass die Unterteilung in "normal" und "anormal" zwangsläufig mit der Frage verbunden ist, wer dem einen und wer dann aber zwingend dem anderen Lager zuzuordnen wäre, nimmt jeder, der sich an dieser Diskussion beteiligt, billigend in Kauf, die Gesellschaft ein weiteres Mal zu spalten; "normal" ist, so sagt und hört man, die "schweigende Mitte", "anormal" hingegen seien die rechten und linken Ränder.
Wer also die "kommunistische Linke" (Babler) hofiert ist ebenso anormal wie die Sympathisanten der Rechtsextremen (Kickl); jeder, der also "normal" sein möchte, müsste, sozusagen im Umkehrschluss, der Volkspartei anhängen – das aber sind, Stand heute, maximal 20% der wahlberechtigten Bevölkerung!
Nun sollte, um für heute zum Ende zu kommen, zumindest an dieser Stelle die Frage erlaubt sein, was sich Parteipolitiker, allen voran (wieder einmal) Karl Nehammer & Karoline Edtstadler, denken, wenn sie erneut den völlig untauglichen, unlauteren wie unerträglichen Versuch unternehmen, das Volk in das "gut & böse" ihrer, wohl bloß einer kranken Fantasie entspringen könnenden, unheilvollen türkisen Welt zu teilen?
Wer so viel "Dreck am Stecken" hat wie die ÖVP des Karl Nehammer, sollte zumindest den Anstand haben, sich nicht als Moralapostel aufzuspielen oder gar den Versuch unternehmen, aus parteilichem Kalkül bzw. hausgemacht-persönlicher Schwäche ein allgemein gültiges "normal" zu verordnen; "normal" hat unter anderem mit "Moral" und "Anstand" zu tun, mit "Fairness" und "Ehrlichkeit", "Worttreue", "Empathie" und "Hausverstand"; an all diesen "Werten" mangelt es, vor allem innerhalb der ÖVP, gewaltig.
Quelle: https://www.meinbezirk.at/c-politik/internet-reagiert-mit-kritik-auf-nehammer-video_a6175679
Das "ich sage euch" des Hr. Nehammer (nachzuhören unter https://m.facebook.com/nehammerkarl/videos/was-ist-normal/1365927190945733/) ist daher nichts anderes als ein Insolvenzantrag im eigenen Namen und gegen die eigene Intelligenz, ein Zurschaustellen dessen, was die Mehrheit dazu veranlasst, sein Kabinett samt ihm selbst nicht länger ertragen zu wollen.
Chr. Brugger
27.07.2023