Der letzte Aufschlag
Während sich Dominic Thiem in der südamerikanischen Metropole Santiago de Chile weiterhin die Erfolgsleiter hinab, hin zur völligen Bedeutungslosigkeit bewegt, öffentlich kaum noch wahrgenommen wird, wird im australischen Melbourne, im Unterschied zu den blasmusikalischen Aufwärmübungen einer chilenischen Provinzkapelle, tatsächlich die internationale Musik gespielt - die Australien Open befinden sich in der entscheidenden Phase.
Quelle: https://nypost.com/2022/01/19/photos-australian-open-2022/#1
Was dort auf den Courts zu sehen ist, ist auch ohne Đoković, Ruud, Federer & Thiem bemerkenswert, hochklassig und aller Tennisehren wert; wenn ich mich an die AO vor einem Jahr erinnere, fällt zuallererst in die Augen, dass nicht mehr ausschließlich eine stupide, langatmige und bisweilen langweile Spielweise à la Zverev oder Thiem dominiert, sondern reichlich "frisches Blut" die Szene befeuert. Von denjenigen, die ich als "Langweiler" bezeichne, sind im Wesentlichen nur noch, das allerdings auf einem äußerst hohen Niveau und einer bewundernswerten Konstanz, Daniil Medwedew und Matteo Berrettini vertreten.
Der Rest der Elite spielt attraktives, erfrischendes, abwechslungsreiches Tennis; allen voran sind Jannik Sinner sowie vor allem Félix Auger-Aliassime zu nennen, die bald dort angelangt sein könnten, wo Thiem und Zverev immer hinwollten, aber kläglich gescheitert sind: An der Spitze der ATP-Weltrangliste.
Quelle: https://edition.cnn.com/2022/01/22/tennis/stefanos-tsitsipas-benoit-paire-australian-open-spt-intl/index.html
Zu den beiden gesellt sich Tennisikone Nadal, der nichts unversucht lässt, das Turnier nach 2009 ein weiteres Mal zu gewinnen, dem im Halbfinale gegen Berrettini durchaus Chancen einzuräumen sind.
Die beiden besten Spiele waren, zumindest für mich, Tsitsipas gegen Sinner und Medwedew gegen Auger-Aliassime; mit einer vergleichbar ähnlichen Leistung ist dem Griechen durchaus zuzutrauen, dass er auch den stoisch anmutenden Turnierfavoriten aus Russland besiegen kann, was dem 21-jährigen Kanadier trotz einer fabelhaften Leistung im Viertelfinale noch verwehrt geblieben ist.
Quelle: https://www.sportschau.de/tennis/dpa-erstes-australisches-doppel-finale-seit--story100.html
Wenn es allerdings darum geht, in "Down under" die pandemiebedingt restlich noch vorhanden gebliebenen Massen zu begeistern, spielen zwei "Eingeborene" mit Griechenlandbezug, Nicholas Kyrgios und Athanasios Kokkinakis, die Hauptrolle. Sie haben es als "Ungesetzte" in den frühen MEZ-Morgenstunden jedenfalls bereits ins Herren-Doppel Finale geschafft, wo sie am Samstag dieser Woche im innerkontinentalen Duell Max Purcell und Matthew Ebden gegenüberstehen werden.
Kyrgios/Kokkinakis haben dabei auf ihrem Weg ins Endspiel, ausgestattet mit einer Wildcard, immerhin die Nummern 1, 15, 6 und 3 der Setzliste eliminiert und mit ihren sehenswerten Darbietungen nicht nur sich selbst, sondern vielmehr noch das Publikum begeistert. Nirgendwo ist der Zustrom der Massen, das mediale Interesse größer als bei Spielen der beiden "Greek Australiens", den Nummern 259 und 434 der aktuelle Doppel-Weltrangliste.
Quelle: https://www.tennis.com.au/news/2013/07/08/kyrgios-and-kokkinakis-claim-doubles-glory
Dennoch ist diese Paarung bei der finalen Entscheidung keinesfalls als Außenseiter anzusehen; Kyrgios/Kokkinakis haben eine durchaus bemerkenswerte wie erfolgreiche, wenn auch bereits länger zurückliegende Doppel-Historie aufzuweisen: Kyrgios gewann 2012 die Juniorendoppelturniere in Wimbledon und Paris und an der Seite von Kokkinakis, den er im Einzelfinale von Wimbledon 2013 besiegte, im selben Jahr noch einmal das Doppelturnier der Championships von London.
Den ultimativen Höhepunkt werden die diesjährigen Australien Open heuer aber weder im Herren- oder Damenfinale erreichen, noch am 29.01.2022 um 10:45 Uhr (MEZ) in der Rod Laver Arena, wenn Kyrgios und Kokkinakis den Court betreten.
Quelle: https://www.theguardian.com/sport/2021/sep/13/dylan-alcott-brings-fun-to-the-party-as-perspective-proves-key-to-tennis-success
Was hierzulande völlig unbeachtet geblieben ist, mangels Relevanz scheinbar nicht erwähnenswert war, dominiert in Australien die medialen Schlagzeilen: Der letzte Auftritt einer lebenden Legende; was weder Đoković noch Nadal oder Federer zustande gebracht haben, ist Dylan Martin Alcott längst gelungen: 22 Grand Slam Siege, dreimal Olympiagold und ein Abtritt von der Tennisbühne als Führender in der Weltrangliste. Der Rollstuhltennisspieler hat heute sein letztes Spiel bestritten.
Chr. Brugger
27.01.2022