Der LASK, "Buhmann der Nation"

18.05.2020

Konkurrenz, Medien, ÖFB & Bundesliga sind sich einig: Im österreichischen Fußballsport ist der LASK neuerdings nicht stolzer, vielmehr geschmähter, Besitzer des "Schwarzen Peters". Die Verantwortlichen des ältesten Bundesligisten gelten neuerdings, nicht nur oxymoronisch betrachtet, als die "alten Knaben", man lässt sie nebenbei auch sprichwörtlich "alt aussehen".

Ob schwarzer Peter, Old Maid ("alte Jungfer") oder Vieux Garçon("alter Knabe") - es geht bei diesem Spiel einzig darum, einen Verlierer zu bestimmen, der die Rechnung zu bezahlen hat.

Die selbsternannten bzw. - von wem auch immer - zu solchen geadelten "Sportanwälte" (die es im Übrigen ebenso wenig gibt wie den oft genannten Tatbestand des "Sportbetruges"), vermeinen, das Ergebnis des "ersten Senates", der für die verbandsinterne Untersuchung und Bestrafung aller Vergehen nach dem einschlägigen Regelwerk des ÖFB zuständig sein sollte, bereits zu kennen: Zumindest eine hohe Geldstrafe, wahrscheinlich ein Abzug von Punkten - oder beides gemeinsam.

Das würde aber voraussetzen, dass ein Verstoß gegen § 111a der ÖFB-Rechtspflegeordnung vorliegt. Die vorauseilend "Allwissenden" haben sich dabei längst auf einen Verstoß gegen "die Prinzipien des Fairplay" eingeschworen.

Klar dürfte sein (das wird von den Vertretern des LASK auch nicht bestritten), dass ein Verstoß gegen § 8(2) Z 2 COVID-19-LV vorliegt (197. Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vom 30.04.2020 betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden).

Dieser Verstoß gegen die genannte Bestimmung ist den dafür zuständigen Behörden bekannt; sie sind demnach verpflichtet, amtswegig tätig zu werden (§§ 24 VStG, 37, 39(2) AVG).

Das führt aber dazu, dass es - im Sinne rechtsstaatlicher Grundsätze - zur "Konkurrenz" eines behördlichen Verwaltungs(straf)verfahrens mit einem "verbandsinternen" Ermittlungsverfahren kommt, wobei in beiden Verfahren über ein und denselben Vorwurf zu entscheiden ist. Damit befindet man sich zwangsläufig auch im Anwendungsbereich von Art. 4 des Protokolls Nr.7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Recht, wegen derselben Sache nicht zweimal vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden), des Verbotes einer Doppelbestrafung bzw. des allgemein anerkannten Rechtsgrundsatzes "ne bis in idem". Diese rechtsstaatlichen Prinzipien gelten auch für die zuvor angesprochene Konkurrenz. Dass einem behördlichen Verwaltungsverfahren gegenüber einem Verfahren nach der Rechtspflegeordnung des ÖFB der Vorzug einzuräumen ist, muss an dieser Stelle wohl nicht näher erläutert werden.

Eine Parallelität der Verfahren würde nebenbei zwangsläufig dazu führen, dass sich der LASK für ein Verhalten vor zwei, noch dazu mit unterschiedlicher Rechtsqualität ausgestatteten, "Instanzen" zu verantworten hätte.

Dazu kommt (erschwerend) hinzu, dass das oft zitierte bzw. strapazierte "Fairplay" weder im Regelwerk des ÖFB noch der österreichischen Bundesliga (ebenso wenig wie im FIFA- bzw. UEFA-Reglement) transparent bzw. überhaupt geregelt wird. Alle (ÖFB, Bundesliga, Medien, "Experten") reden darüber, aber niemand weiß, worum es eigentlich geht. Es gibt keinen Katalog von "Fairplay"-Vorgaben, keine Begriffsbestimmungen, keinen Anhaltspunkt dafür, was darunter (tatbestandsmäßig) tatsächlich verstanden werden soll.

Der LASK soll also für etwas bestraft werden, wofür es lediglich eine einzige, "nichtssagende" Formulierung, eine nebulöse Wortfolge, gibt: "Verstoß gegen Prinzipien des Fairplay".

Auch das viel (meist von den Protagonisten selbst) gelobte "COVID-19 Präventionskonzept der Österreichischen Fußball-Bundesliga" enthält dazu keinen Hinweis. 

Dabei hätte man nur folgenden Satz formulieren bzw. in das Konzept mitaufnehmen müssen: "Die Vereine verpflichten sich ausnahmslos zur Einhaltung sämtlicher gesetzlichen Regelungen betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19; diese Verpflichtung gilt ausdrücklich als Fairplay-Prinzip i.S.d. § 111a der ÖFB-Rechtspflegeordnung".

Ein solcher Satz hätte zumindest die zuständigen Gremien und Vertreter des ÖFB / der Bundesliga vom jetzigen Dilemma befreit, im Nachhinein erst einen Tatbestand konstruieren bzw. erfinden zu müssen, der die (vom ÖFB-Präsidenten abwärts) geforderte Bestrafung des LASK zu rechtfertigen vermag.

Nun ist von den dafür Zuständigen mit den gängigen Interpretationsregeln zu klären, was tatsächlich unter "Fairplay" zu verstehen sein soll. Das wiederum ist mit weiteren, kaum bis gar nicht lösbaren, Rechtsfragen verbunden. Im Zweifel profitiert davon aufgrund der aktuellen Rechtslage jedenfalls der LASK.

Man wirft dem LASK u.a. vor, der Verein hätte durch den Verstoß gegen die Bestimmung des § 8(2) Z 2 COVID-19-LV einen Wettbewerbsvorteil erlangt. Schlösse man sich dieser Meinung an, dann stellte sich auch die Frage, ob die Transferpolitik gewisser Vereine, vor allem bezogen auf Nachwuchsspieler, nicht ebenso den Wettbewerb verzerrt, wenn man flächendeckend in ganz Österreich junge Fußballspieler von anderen Vereine (unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel) mit unlauteren Methoden abwirbt.

Dann wäre auch die Frage berechtigt, wie es sein kann, dass man in der Vergangenheit, vollkommen unbeanstandet, vereinsbezogene Lizenzen erwerben kann, um an höherklassigen Wettbewerben teilnehmen zu dürfen. Das Zulassen solcher Praktiken verzerrt den Wettbewerb mit wesentlich höherer Wahrscheinlichkeit als das vermeintlich kriminelle Vorgehen des LASK.

Man könnte dann mit Fug und Recht hinterfragen, ob nicht auch (zumindest teilweise) die Reaktionen von "sportlich Verantwortlichen" in Richtung strafrechtlich vorwerfbaren Handelns (Stichwort "absichtlicher(!) Sportbetrug", "betrügerisches Verhalten"), ethisch-moralisch betrachtet, zumindest nach dem ÖFB-Regulativ, Konsequenzen zur Folge haben müssten.

Wenn man sich schon (wenn auch mit keinem vernünftigen Satz verschriftlicht) dazu aufschwingt, "Fairplay" auf seine eigenen Fahnen zu heften, dann sollte das auch für alle, vom Anwendungsbereich der ÖFB-Rechtspflegeordnung umfassten, Personen gelten. Würde man nicht mit zweierlei Maß messen (wollen), dann müsste man aufgrund der Aussagen des Leopold Windtner vor laufenden Kameras, vor allem was das von ihm persönlich "erwartete" Strafausmaß betrifft, tätig werden, gegen den Präsidenten des ÖGB ein Ermittlungsverfahren einleiten.

Es wiederspricht einer zivilisierten, werteorientierten, Gemeinschaft sowie dem Recht auf ein faires Verfahren (im Sinne maßgeblicher Prinzipien jeder Rechtsordnung), wenn der Präsident des Verbandes, in dessen Verantwortungsbereich der "Senat 1" tätig werden und zu einem Ergebnis kommen soll, bereits am ersten Tag, an dem ein Vorwurf erhoben wird, öffentlich die "Höchststrafe" fordert. Das wäre (was in Österreich undenkbar erscheint) durchaus und ohne Übertreibung mit dem Fall vergleichbar, dass der Präsident eines Straflandesgerichtes für einen potenziellen Straftäter (Geständnis hin oder her) bereits vor dem Beginn staatsanwaltschaftlicher Erhebungen die höchstmögliche Strafe einfordert.

Durch diese vollkommen sinnentfremdete, jeder Realität wie Rechtsstaatlichkeit widersprechende, Vorgangsweise, insbesondere in Person des ÖFB-Präsidenten, liegt eine glasklare Vorverurteilung, garniert mit einem "vorgeschlagenen" Strafausmaß vor, die man ruhigen Gewissens als den eigentlichen Skandal in dieser Causa bezeichnen könnte, das tatsächlich, auch von Minister Anschober in den Raum gestellte, "schwere Foul" am österreichischen Fußball darstellt.

Fußball mag allenfalls die wichtigste Nebensache der Welt sein; er ist aber eben nur eine Nebensache und wirkt damit, gemessen an der derzeitigen Situation, den damit verbundenen Problemen, schon begriffsimmanent als trivial, belang- und bedeutungslos.


Ich weiß, ich wiederhole mich - dennoch (das gilt nicht nur für den Präsidenten): Vor dem Sprechen zu denken hat noch niemandem geschadet. Insbesondere dann nicht, wenn man gedenkt, das Ganze nicht hinter vorgehaltener Hand, sondern vor laufenden Kameras und Mikrophonen tun zu müssen, wohlwissend, dass das wortgewaltige, offensichtlich auch von Bluthochdruck dominierte, Tönen, noch dazu im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, von hunderttausenden Menschen mitangehört werden kann. Damit wird aber letzten Ende auch die immer wieder betonte, medienwirksam vorgetragene, solcherart künstlich hochstilisierte, Verantwortung des Fußballprofisports in und für Österreich (im Sinne einer Vorbildfunktion) mit beiden Füssen getreten.


Chr. Brugger

18.05.2020