Der böse Wolf

20.08.2020

Immer wieder bzw. noch ist der Wolf scheinbar das "Böse an sich"; vor allem für selbst ernannte Agrarökonomen oder solche, die genau das sein wollen.

Landwirtschaftskammerpräsidenten, Nationalräte, Agrarlandesräte, schlichtweg alles, was in der österreichischen Landwirtschaftspolitik Rang und Namen hat, verwendet sich im Kollektiv gegen das "Übel Wolf".

Besonders lautstark hat sich am Beginn der "Wolfdiskussion" der, ansonsten (vor allem im parlamentarischen Alltag) als äußerst wortkarg geltende, Ex-Präsident der Landwirtschaftskammer Salzburg und Nationalratsabgeordnete Franz Eßl zu Wort gemeldet: "Bei uns gilt es zu entscheiden, ob wir den Wolf oder die traditionelle Landwirtschaft mit Alp- und Weidevieh wollen. Wenn sich Wölfe bei uns ansiedeln, gefährdet das die Beweidung der Almen und Bergweiden, somit die Kulturlandschaft, den Tourismus und überhaupt die Prägung unserer Heimat. Wenn wir den Zeitpunkt für ein ordentliches Wolfsmanagement übersehen, dann ist es vielleicht zu spät. Wir brauchen einen wolfsfreien Alpenraum und dazu muss auf EU-Ebene die FFH-Richtlinie soweit geändert werden, dass der strenge Schutz des Wolfes fällt." - Zitat aus: https://www.waldverband.at/essl-fordert-aenderung-der-ffh-richtlinie-zum-wolf/

Einen, durchaus zu relativierendem Verhalten bereiten, moderater anmutenden Mitstreiter hat der Ex-Präsident scheinbar in der Person des Salzburger Landesagrarrates Josef Schwaiger (Agrarökonom mit abgeschlossenem Studium) gefunden ("Der Zeitpunkt für einen wolfsfreien Raum in den Alpen sei wohl noch nicht da"; "wenn Recht den Hausverstand zur Seite schiebe, bestehe die Gefahr, dass die Leute zur Eigeninitiative greifen").

Diese Aussagen (nachzulesen in den Salzburger Nachrichten "Aus Stadt und Land" vom 18.08.2020 - "Der Wolf darf in Salzburg bleiben") klingen aber wesentlich bedrohlicher als die, nicht ernst zu nehmenden, Eßl´schen Plattitüden.

Schwaiger will damit scheinbar zum Ausdruck bringen, man akzeptiere zwar (widerwillig) die auch für Österreich geltenden internationalen (z.B. das Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume vom 19.09.1979, das von Österreich am 02.05.1983 ratifiziert wurde und seit 01.09.1983 in Kraft ist; sog. "Berner Konvention") sowie europarechtlichen Regelungen (z.B. die Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen), die dem Wolf ein besonders hohes Artenschutzniveau einräumen; es sei aber nicht auszuschließen, dass "Leute" (vielleicht Nutztierbesitzer, motivierte Jäger, gar Wilderer?) - im frei erfundenen Zwiespalt Hausverstand gegen Recht - unter dem "Deckmäntelchen Selbsthilfe" gleichsam "Selbstjustiz" üben könnten.

Man kann versuchen, Schwaigers Ansicht zwar zu verstehen; nachvollziehbar wird sie dadurch aber nicht: jemand der, wenn auch nur unterschwellig, den Versuch unternimmt, geltendes Recht mit "Hausverstand" in Relation bringen zu wollen, führt jedes Rechtssystem ad absurdum bzw. unternimmt den absolut verwerflichen Versuch, dasselbe in Frage zu stellen.

Es gäbe zahllose Beispiele für sinnwidrig anmutende Ge- oder Verbote, Normen aller Art; wenn man so will, widerspricht jede gesetzliche Regelung vernünftigem Denken, "schiebt", um die Worte von Schwaiger zu verwenden, "Recht den Hausverstand zu Seite".

Die entscheidende Frage ist aber: Von welchem "Hausverstand" geht man aus, wer ist derjenige, der den Maßstab für den jeweiligen "Hausverstand" vorgibt?

Das logische Denkvermögen des Verbrechers wird mit den Strafdrohungen des Strafrechts ebenso wenig in Einklang zu bringen sein wie dasjenige des Rasers mit den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung; Fristen sind für den nicht nachvollziehbar, der sie versäumt hat, die Höhe der Steuern nicht für den, der sie bezahlen, Haftungen aus übernommenen Bürgschaften nicht für denjenigen, der sie übernehmen muss ... dieses Spiel ließe sich beliebig fortsetzen, führte aber am Ende nur dazu, dass das Rechtssystem nicht löchrig wie Schweizer Käse sondern zur Gänze abhandenkommen würde. Solche Zeiten hat es, dafür reicht die Kenntnis der Geschichte der österreichischen Geschichte des 20. Jahrhundert vollkommen, bereits gegeben.

Daher auch dieser Stelle der gut gemeinte Hinweis: Einfach denken - idealer Weise, bevor man etwas sagt.

Chr. Brugger

20.08.2020