Handeln Sie rasch, Herr Bundeskanzler

14.11.2021

Gestern hat sich unser Bundespräsident, Dr. Alexander Van der Bellen, mit einem eindringlichen Appell sowohl an die Bundesregierung, als auch an die Landesregierungen gewendet. Die Lage sei bedrohlich, das Land brauche Klarheit, eine gemeinsame Vorgangsweise, rasches, konsequentes, verfassungskonformes Handeln und klare Entscheidungen. Es sei "die ureigenste Aufgabe von Entscheidungsträgerinnen und -trägern, das Richtige zu tun, auch wenn es vermeintlich unpopulär" wäre.

Quelle: https://www.heute.at/s/van-der-bellen-mahnt-corona-lage-ist-sehr-ernst-100173435 - picturedesk.com

"Und wir dürfen keine Zeit (mehr) verlieren. Wir müssen faktenbasiert handeln. Wir müssen auf unser Gesundheitspersonal achten. Wir müssen Menschenleben retten".

"Hören Sie auf den Rat unserer Expertinnen und Experten. Nehmen Sie deren Vorschläge ernst. Bitte handeln Sie rasch. Bitte handeln Sie klar und kommunizieren Sie nachvollziehbar".

Die Hochsprunglatte für Schallenberg, Mückstein & Co liegt also in weltrekordverdächtiger Höhe; wie man diese Höhe meistern kann, lässt Van der Bellen mehr oder weniger offen; es ist auszugsweise nur davon zu lesen, dass Maßnahmen erforderlich seien, die sehr kurzfristig wirken; Kontakte müssten um 30% reduziert werden. "Hören Sie auf den Rat der Expertinnen und Experten. Nehmen Sie deren Vorschläge ernst."

Am Ende heißt es dann noch staatstragend, solidaritätsbeschwörend: "Gemeinsam meistern wir das".

Nimmt man diesen bundespräsidialen Appell ernst, dann ist Folgendes erforderlich bzw. sind folgende Fragen zu beantworten:

  • Was ist, Stand heute, der Rat der Expertinnen und Experten?
  • Was sind, Stand heute, die Vorschläge der Expertinnen und Experten?
  • Wie eint man das zweifelsfrei gespaltene Land und stellt sicher, dass wir alle gemeinsam etwas meistern sollen?

In den letzten 1 ½ Jahren ist es, ähnlich wie vor allem im Umfeld der hiesigen Herrenfußballnationalmannschaft, zur unliebsamen Angewohnheit geworden, dass beinahe jede und jeder vermeint, sie oder er sei, zumindest bis zu einem gewissen Grad, Expertin oder Experte im Bereich der Covid-19-Pandemie. So, wie es der jeweilige Teamchef der heimisch-männlichen Fußballelite niemandem Recht machen kann und im Zweifel immer die falschen Entscheidungen trifft, können es auch die (tatsächlichen) Expertinnen und Experten niemandem recht machen, unsere Bedürfnisse nicht einmal im Ansatz befriedigen - daher machen sie, aus unserer Sicht und ähnlich wie derzeit Franco Foda, alles falsch.

Warum sollen dann die Oberhäupter/innen der 10 von Van der Bellen angesprochenen Regierungen auf diejenigen horchen bzw. denen vertrauen, die aus Sicht der Bevölkerung schon grundsätzlich nichts richtig machen können? Wenn das, wie vom Präsidenten angesprochen, noch dazu unpopulär wäre, dann würden Schallenberg & Co zumindest ziemlich naiv sein, folgten sie dem Rat Van der Bellens.

Nun hängt, Gott sei Dank, die Expertise der inländischen Expertinnen und Experten nicht von unserem laienhaften Befund, unserer anmaßenden Selbstüberschätzung in pandemischen Belangen, ab; damit haben Schallenberg & Co, selbst wenn sie sich diese Einsicht vergegenwärtigen, noch nichts gewonnen, zumal sich die Expertinnen und Experten untereinander auch nicht einig sind, was denn nun tatsächlich zu tun und richtig sei.

Infektiologen, Virologen, Komplexitätsforscher, Intensivmediziner, Molekularbiologen, Statistiker, Pharmakologen, Sozialpsychologen, Mathematiker, Rechtswissenschaftler, Medizinrechtkundige und zahlreiche andere Expertinnen und Experten teilen, nicht nur in ihrem jeweiligen Fach, keinesfalls die gleiche Meinung, sprechen daher und etwas einfacher formuliert, nicht dieselbe und demzufolge auch nicht die gleiche Sprache.

Jetzt können bzw. müssen sich Bundeskanzler, Bundesministerinnen und -minister sowie Landeshauptfrauen und -männer dafür entscheiden, wem sie ihr Vertrauen schenken, wessen Ratschlägen sie folgen.

D.h. also: Impflicht oder nicht, wenn ja, für wen, gar für alle oder nur für einzelne Berufsgruppen? Lockdown oder nicht, nur in einzelnen Bundesländern oder für die gesamte Republik, für alle oder nur für Ungeimpfte, wenn ja, wie lange bzw. an welchen Parametern macht man die Rücknahme der Zwangsmaßnahmen fest? G1, G2, G2+, G3, wo, wie lange, in welchen Bereichen?

Und das, darauf darf man auch nicht ganz vergessen, alles unter enormem "Zeitdruck", der bevorstehenden, wirtschaftlich immens wichtigen Wintertourismussaison und vor dem Hintergrund der kursierenden Antworten auf die Frage aller Fragen der Politiker, der sog. "Sonntagsfrage". 

"ÖVP stürzt massiv ab Der türkise Lack ist ab. Mit 24 % verliert die ÖVP mehr als ein Drittel ihrer Wähler von 2019. Erstmals seit 55 Monaten (!) ist sie nicht mehr Erster. Schlechter lag die Volkspartei zuletzt in der "Heute"-Umfrage im Jänner 2017 unter Kurz-Vorgänger Mitterlehner", darf man unter https://www.unique-research.at/post/heute-umfrage-politische-stimmungslage vernehmen.

Quelle: https://www.unique-research.at/post/heute-umfrage-politische-stimmungslage

Wenn es, wie Schallenberg zu sagen pflegt, am Ende des Tages keine Pandemie der Zauderer und Zögerer sein soll, ist unverzügliches Handeln unabdingbar; nicht, dass am Ende die Regierenden als die wahren Zauderer und Zögerer entlarvt werden und den "schwarzen Peter" im Spiel um die Gunst der Wählerinnen und Wähler nicht mehr loswerden. Die vom COVID-Prognose-Konsortium am 09.11.2021 publizierte "COVID-19 Prognose und Kapazitätsvorschau" wird den Regierenden bei ihrer Entscheidungsfindung nicht wirklich helfen können; würde man das, was dort prognostiziert wird, ernst nehmen bzw. entsprechend umsetzen, dann wären eine flächendeckende zwangsweise Impfung sowie und ein Lockdown für alle die logische Konsequenz; dazu wird es aber, allem Anschein nach, nicht kommen.

Einfach wird es für Schallenberg & Co sicher nicht; und richtig machen können sie das Ganze nur dann, wenn sie es allen beteiligten "Verkehrskreisen" recht machen, was wiederum denkunmöglich erscheint; insofern relativieren sich zumindest Zeitdruck als auch festzulegende Maßnahmen. Egal was und wofür sie sich Schallenberg & Co entscheiden - die Verlierer stehen jedenfalls schon jetzt fest.

Übrigens: Auf die zuvor gestellten (3) Fragen gibt es keine Antwort; dadurch gleicht die Entscheidung der Regierenden sprichwörtlich dem Resultat einer Kaffeesudleserei, die man ihnen zwar nicht zum Vorwurf machen kann, wofür sie aber am Ende politisch die Rechnung zahlen dürfen. All das wird daher, so oder so, eine teure bzw. bittere Angelegenheit - für uns alle wohlgemerkt.

Chr. Brugger

14.11.2021