Das Dilemma der SPÖ
Zu beneiden ist der Bundesparteivorsitzende der SPÖ, Andrea Babler, Bundesrat und Bürgermeister von Traiskirchen, jedenfalls nicht; er ist seit 06.06.2023 im Amt und hat seitdem den Versuch unternommen, seine Partei neu zu positionieren; gelungen ist ihm das bislang nicht; viel zu heftig war bzw. ist der interne Widerstand und zu verständnislos der Blick von außen.
Babler hat zugegebenermaßen bereits ein fragmentiertes Parteikonstrukt übernommen; von der angestrebten Homogenität ist die SPÖ jedoch nach wie vor meilenweit entfernt; die einstige Großpartei hat sich mittlerweile, im Verlauf der letzten Jahre, auf den Kernbestand ihrer Parteigenossen reduziert – Tendenz fallend.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalrat_%28Österreich%29#/media/Datei:Wahlergebnisse_aut_FullHurde.svg (Johannes Kalliauer, CC BY 4.0)
Es ist ca. 7 Jahre her (17.10.2017), dass die SPÖ in einer Bundesregierung ihre Schlussvorstellung gegeben hat; seit damals müssen die Sozialdemokraten auf der Oppositionsbank Platz nehmen; trotz einer historischen Wahlpleite bei der Nationalratswahl vom 29.09.2024 wittern die Genossen Morgenluft – sie wollen wieder mitregieren und dazu ist ihnen scheinbar jedes Mittel recht.
Nur eines sollten Babler & Co nicht vergessen: Eine Regierungsbeteiligung werden sie sich teuer "erkaufen" müssen; der Preis für Macht ist ähnlich hoch wie die heimische Inflationsrate; Babler kann jedenfalls nicht allen Ernstes davon ausgehen, dass seine postkommunistischen Spinnereien beim einzig möglichen Koalitionspartner Anklang finden; was im Wahlprogramm der SPÖ ("Unser Plan für dein besseres Österreich") zu lesen ist, gleicht zudem eher einem Brief an das Christkind:
- Zinspreisdeckel für alle Häuslbauer (< € 300.000,00): Wie will Babler beispielsweise dem dunkelschwarzen Raiffeisenverband begreiflich machen, auf enormen Gewinn freiwillig zu verzichten? Wie will Babler Übergewinne von Banken abschöpfen?
- Mieterhöhungen aussetzen: Wie will Babler hunderttausende Eigentümer davon überzeugen, auf ihre vertraglich vereinbarten Mietzinserhöhungen freiwillig zu verzichten (pacta sunt servanda)?
- Bis 2030 soll jede Bezirkshauptstadt des Landes an ein höherrangiges Eisenbahnnetz oder eine Schnellbuslinie angeschlossen sein: Wie Babler das verwirklichen will, müsste er erklären; wie will er beispielsweise Murau oder Tamsweg an ein "höherrangiges" Eisenbahnnetz anschließen?
- Rechtsanspruch auf einen ärztlichen Behandlungstermin: Babler scheint zu vergessen, dass diesbezüglich vor allem am Land massive Defizite vorhanden sind; klingt gut, ist aber nicht zu verwirklichen …
- Regulierung der Energiepreise: Wie und mit wem will Babler das lukrative Merit-Order-Prinzip aushebeln?
- Temporäre Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel: Glaubt Babler allen Ernstes, dass diese Forderung mit der ÖVP umsetzbar ist?
- Millionärssteuer, Erbschafts- und Schenkungssteuer: Die ÖVP hat neue Steuern apodiktisch ausgeschlossen – die Forderung geht daher ins Leere
- Rücknahme der Senkung des Körperschaftssteuersatzes: Würde eine Steuererhöhung für alle Unternehmen bedeuten, die von der ÖVP ausgeschlossen wurde – Forderung geht ins Leere
- Anhebung der Bankenabgabe: Scheitert am Veto der ÖVP – Forderung geht ins Leere
- Finanztransaktionssteuer: Wäre ebenfalls eine neue Steuer – Forderung geht ins Leere
- Digitalsteuer auf Plattformumsätze: Scheitert am Veto der ÖVP – Forderung geht ins Leere
- Arbeitszeitverkürzung: Ist mit der ÖVP nicht umsetzbar – Forderung geht ins Leere
Quelle: https://www.derstandard.at/story/3000000238667/ein-flop-mit-vielen-erklaerungen-wie-bablers-kanzlertraum-geplatzt-ist
Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen; für die Einführung neuer Steuern gibt es keinen potenziellen Partner; alle anderen Parteien haben neue Steuern bzw. Steuererhöhungen kategorisch ausgeschlossen.
Blöderweise ist die Finanzierung aller SPÖ Vorhaben untrennbar mit der Einführung neuer Steuern verknüpft; wenn es aber das eine nicht gibt, kann das andere nicht realisiert werden.
Da die ÖVP der einzige mögliche Koalitionspartner für die SPÖ darstellt, wird sich Babler zur Befriedigung seiner Regierungsavancen vor Nehammer entblößen müssen; also: "Hose runter" und durch … ohne NEOS würde eine 2-er Koalition darüber hinaus zur Zitterpartie; speziell das Programm der pinken Community steht dem der SPÖ aber in zentralen Bereichen diametral gegenüber.
Dass Babler durch seine Machtgelüste der Partei weiteren Schaden zufügen wird, steht bereits jetzt fest; sobald er den Koalitionsvertrag unterschreibt, ist sein eigener und der Absturz der SPÖ vorprogrammiert; dieses Match kann und wird Babler nicht gewinnen; die Präpotenz, mit der Babler neuerdings auftritt, lässt befürchten, dass er bereit ist alles Ideologische zu verraten, um Bürgermeister Ludwigs Wunsch zu erfüllen zu können: Die SPÖ muss in der nächsten Bundesregierung vertreten sein, damit auch in Wien wieder die Kassen klingeln können - es gibt nicht wenige, die für Ludwigs Ansinnen die massive finanziellen Schräglage der Bundeshauptstadt verantwortlich machen; das sei demnach der einzige Grund dafür, dass Babler alles zu unternehmen hätte, dass die SPÖ Regierungsverantwortung erhält; mit den NEOS an Bord ließe sich die Wiener Stadtregierung gleichsam auf ein höheres Niveau anheben.
Babler sollte sich in einer stillen Minute aber vor allem daran erinnern, mit welchen Vorstellungen er am Wahlkampf teilgenommen hat: Er wollte die SPÖ auf Platz 1 führen, selbst Bundeskanzler werden und Österreich 5 Jahre lang regieren - all das haben ihm die WählerInnen nicht ermöglicht. Insofern hat (wieder einmal) der burgenländische Landeshauptmann recht - das Wahlergebnis sei nie und nimmer ein Regierungsauftrag; das wiederum kümmert Babler wenig; er verfolgt eine ganz andere Mission: Um weiterhin an der Spitze der SPÖ verweilen zu dürfen, muss er seinem Protegé jeden Wunsch von den Lippen ablesen und idealiter auch noch erfüllen; wenn Wien, was kolportiert wird, tatsächlich bankrott ist, wird der Ludwig / Babler - Deal erst verständlich; wer, wenn nicht der Bund, soll Wien davor bewahren, sich eidesmäßig offenbaren zu müssen?
Chr. Brugger
30/09/2024