Das darf nicht wahr sein

21.10.2024

Stefan De Keersmaecker ist koordinierender Sprecher der Europäischen Kommission, also sozusagen der Pressesprecher Ursula von der Leyens, der Kommissionspräsidentin; dieser Herr De Keersmaecker hat am Wochenende dem ORF "geflüstert", dass jene 500 Millionen Euro, von denen Karl Nehammer hierzulande großspurig behauptet hat, sie würden aus dem sog. "Kohäsionsfonds" zur Verfügung gestellt, die Österreich jederzeit abrufen könnte, aus einer ganz anderen "Quelle" kämen und keine Rede davon sei, dass Österreich von der EU zusätzlich eine halbe Milliarde Euronen erhielte; die 500 Millionen Euro würden EU-intern irgendwie umgeschichtet und es handle sich, weil davon auch nie die Rede gewesen wäre, definitiv nicht um zusätzliches oder "frisches Geld".

Quelle: https://www.facebook.com/Volkspartei/photos/der-einsatz-von-bundeskanzler-karl-nehammer-beim-hochwasser-gipfel-in-polen-war-/1082620500092692/?_rdr

Nun gibt es ja, daran besteht kein Zweifel bzw. führt kein Weg vorbei, nicht viele Möglichkeiten, um diesen, finanziell durchaus gravierenden, Auffassungsunterschied zu erklären: Entweder redet De Keersmaecker blanken Unsinn oder Karl Nehammer hat wieder einmal das ganze Volk, vor allem die Opfer des Hochwasserkatastrophe im September 2024 belogen.

Die eine Erklärung wäre doch recht sonderbar, die andere hingegen durchaus plausibel.

Nehammer erwartet nun, das ließ er wissen, "dass die Zusage eingehalten werde, da die konkrete Summe auch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen "vor Zeugen" genannt worden sei".

Pikant ist in diesem Zusammenhang natürlich, dass Nehammers "Erfolg von Breslau" von der ÖVP innerstaatlich als "großer Erfolg" verkauft wurde, um damit vor allem im zeitlichen Nahebereich der Nationalratswahlen zu punkten; so wie Österreich erst nach der Nationalratswahl davon erfahren hat, dass das Budgetloch um ca. 30 Milliarden höher ist als das speziell von Nehammer & Brunner davor kommuniziert wurde, stellt sich jetzt heraus, dass es sich bei den gegenständlichen 500 Millionen Euro aus Brüssel ebenfalls nur um ein "trojanisches Pferd" gehandelt hat.

Wie das mit dem vielstrapazierten Spruch von Nehammer, er stünde nach der Wahl zu seinen Aussagen, die er vor dem 29.09.2024 getätigt hätte, zusammenpasst, müssen andere beurteilen; im Lichte der beiden, doch recht sonderbar anmutenden und zu Tage getretenen, Peinlichkeiten (Budgetloch u. Katastrophenhilfe) kann das Wort Nehammers jedenfalls nicht mehr sehr viel wert sein.

An und für sich wäre zumindest der aktuelle "Fall" recht leicht zu lösen: Wenn ich von jemandem eine finanzielle Zusage in der Höhe von 500 Millionen Euro erhalte, würde ich mir das entweder schriftlich bestätigen lassen oder zumindest die, noch dazu vor Zeugen, getroffene Vereinbarung gegenüber Fr. von der Leyen zumindest schriftlich festhalten; da Nehammer laufend von sich selbst behauptet, wie redlich er denn sei, muss er lediglich eines der beiden Schriftstücke vorlegen; es wird ja hoffentlich nicht allzu viel verlangt sein, vom Chefverwalter der Republik zumindest das Verhalten eines ordentlichen Kaufmannes im Sinne des § 347 UGB zu verlangen.

Ich gehe jedenfalls nicht davon aus, dass Nehammer dermaßen naiv oder dämlich war, bloß auf eine mündliche Äußerung zu vertrauen; wäre das der Fall, müsste man nicht nur (ein weiteres Mal) seinen Sachverstand anzweifeln, sondern ernsthaft auch darüber nachdenken, ihn für die von ihm angerichteten Schäden persönlich zur Haftung heranzuziehen.

Quelle: https://www.facebook.com/photo/?fbid=1073628460794502&set=pcb.1073628487461166

Einen (weiteren) Vorwurf kann man Karl Nehammer aber ohnedies nicht ersparen; sobald er den Begriff "Kohäsionsfonds" gehört hat, müsste es bei ihm eigentlich geklingelt haben; da ihm das "Laiennachschlagwerk" Wikipedia ja von seiner "Master Thesis" her bekannt ist, wäre es recht einfach gewesen, binnen einer halben Minute laienhaft erklärt zu bekommen, dass aus diesem Fonds Projekte finanziert werden, "durch welche die Umwelt und die Integration in die transeuropäischen Verkehrsnetze gefördert werden sollen"; eine Hochwasserkatastrophe gehört aber zweifelsfrei nicht zu diesen förderbaren "Projekten"; dazu käme noch, dass Österreich aufgrund seiner extrem miesen Wirtschaftsleistung kaum Anspruch hätte, aus diesen Fonds bedient zu werden.

Aber zurück zu vorhin: Wenn Kohäsionsfonds zweifelsfrei "no money" bedeutet, hätte Nehammer sich in Polen überlegen können, ob er nur auf den Arm genommen oder doch für blöd verkauft wurde; allenfalls hätte er auch Fr. von der Leyen vor Ort um entsprechende Aufklärung bitten können; im Nachhinein ist zwar jeder (fast) immer klüger; das ändert aber nichts daran, dass die Hochwasseropfer immer noch auf das Geld aus Brüssel warten.

Nehammer hat damals (nach Breslau) vollmundig verkündet: "Wer schnell hilft, hilft doppelt" – nun wird er sich aber demnächst allenfalls mit einer ganz anderen Sentenz konfrontiert sehen: Unfähigkeit schützt vor Konsequenzen nicht - und schon gar nicht vor berechtigtem Misstrauen.

Chr. Brugger

21/10/2024