Dankbarkeit wäre gefragt – speziell für Politiker

13.11.2021

Was die Crème de la Crème der inländischen Spitzenpolitik in diesen Tagen, Wochen und Monaten leistet, scheint nicht nur, sondern ist unglaublich, unvorstellbar. Ministerräte, Teilnahmen an Taskforce- und sonstigen Sitzungen, Pressekonferenzen, Beantwortung von parlamentarischen Anfragen, Reisen ins Ausland, Misstrauensanträge im Nationalrat, Interviews, Statements, dazu noch "Patenschaften" für Veranstaltungen, Teilnahmen an ebensolchen, zukunftsweisende Entscheidungen etc.; das Regierungsprogramm fordert seine eigene Umsetzung, die Europäische Union hat nichts anderes zu tun, als auf das innerstaatliche Umsetzen von Verordnungen und Richtlinien zu drängen, mit Vertragsverletzungsverfahren und drakonischen Strafzahlungen zu drohen; im fernen Osten nimmt die nächste Flüchtlingswelle Fahrt auf, der heimische Wald droht zu sterben, das Klima überflutet auch uns mit Waldbränden, Sturm- und Frostschäden, Dürre und bescheidenen Ernten; Wölfe verunsichern Bauern und verzehren deren Schafe, Hühner und sonstiges Nutzvieh; die Gewerkschaften bieten Widerstand, drohen nicht nur mit Streik, fordern unverschämte Gehaltserhöhungen und bessere Arbeitsbedingungen; die Inflation hat sich heimisch gemacht und wuchert ungezügelt vor sich hin.

Staatstragende Verantwortung auf bisweilen schmalen, feingliedrigen Schultern; dazu noch private Verpflichtungen gegenüber (Ehe-) Partnern, Lebensgefährten, Kindern und, nicht zuletzt, die täglich mühsame Konfrontation mit Opposition und sonstigen Miesepetern, anschüttenden Querulanten, neidischem Allerlei querbeet durch Wald, Wiesen, die Wiener Innenstadt, sogar im Mariä-Empfängnis-Dom zu Linz, auf der Kor- und Saualpe und anderswo - 24/7/365(366). Omnipräsente Kompetenz, dauer-tugendhafte Empathie, dazu allumfassende, standhaft-demütige Resilienz - all das wird von uns, der Bevölkerung, den zu Regierenden, gefordert. Aber nicht nur wir sind imperativisch geprägt, in einem hohen Maß fordernd, vielmehr noch gilt das für Medien, deren Heerschar an Mitarbeitern, die Twitter-, WhatsApp-, Instagram- und Facebook-Community, die jedes Wort, jeden Satz, jede Geste, Kleidung, das Styling an sich, Privates und öffentlich Gewordenes kommentiert, kritisiert, hochstilisiert und alles Positive geflissentlich ignoriert. Wohlwollende Zustimmung ist anscheinend nicht like-fähig, nur das Daumen nach unten Posting zählt, hat Wert, findet Anklang, ist best-liked.

Was für unsereins meistenteils Geltung hat, kennt die Polithautevolee bestenfalls vom Hörensagen; gesetzlich limitierte Arbeitszeiten, rechtlich angeordnete Wochenendruhezeiten, legitime Urlaube in Badehose, Bikini, oben ohne an Hausmeisterstränden flanierend, den Partner mit dem Urlaubsflirt oder der Arbeitsplatzbekanntschaft betrügend, Begleitagenturen benutzend, sexuell determiniert auf die Bedienung in Lokalen wartend ... all das und sonstige, das Leben versüßende, Annehmlich- und Freizügigkeiten, ist der politischen Elite des Landes vielleicht nicht unbekannt, aber dennoch, gerade deshalb, verboten und damit irgendwie fremd, quasi tabu.

Es wäre also hoch an der Zeit, dass wir uns, wenn, was nur schwer möglich sein wird, dann im Kollektiv, in tiefer Ehrfurcht und Dankbarkeit vor denen verneigen, die als Äquivalent für ihre Tätigkeit nicht einmal das beanspruchen, was wir selbst anhaltend allen anderen abzunötigen versuchen: Verständnis, idealerweise Respekt und dazu, im besten Fall, auch noch ein wenig Dankbarkeit.

Wer bereit und in der Lage ist, dermaßen uneigennützig im Interesse der Allgemeinheit, gleichsam karitativ, tätig zu sein, der muss entweder vollkommen verbendet oder mit einer intrinsisch determinierten DNA geboren worden sein.

Da Ersteres auszuschließen ist, kann denklogisch nur das Zweite zutreffen.

Wir, die Bevölkerung, sind daher angehalten, zumindest moralisch sogar verpflichtet, uns bei all jenen zu bedanken, die sich, gleichsam autotelisch veranlagt, in den Dienst der Gemeinschaft, ihr Potenzial, all ihr Wissen und Können, letztlich eine maßgebliche Periode ihres Lebens, uns so schwer zu Regierenden zur Verfügung stellen bzw. opfern.

Dank und Anerkennung sind also gefordert, wenn möglich ein kritikfreier Tag für alle Politikerinnen und Politiker dieses Landes.

Chr. Brugger

13.11.2021