COVID-19 Zahlenspiel
Dass die COVID-19 Infektionsrate in Ozeanien besonders niedrig, in Europa sowie Nord- und Südamerika hingegen besonders hoch ist, dürfte allgemein bekannt sein.
Betrachtet man allerdings die "absoluten" Zahlen der einzelnen Länder in Relation zu den aktuell zur Verfügung stehenden Einwohnerzahlen, zeitigt diese Sichtweise durchaus überraschende, kaum erwartete, Ergebnisse.
Das gilt sowohl für die Infizierten prozentuell zu den Einwohnern, die 7-Tage Inzidenz als auch die Letalitätsrate.
Unter Zugrundelegung der von der WHO ("World Health Organization") laufend veröffentlichten Ziffern (WHO Coronavirus Disease (COVID-19) Dashboard), gibt es, global betrachtet, derzeit 90.335.008 COVID-19 infizierte Menschen und 1.954.336 Todesfälle.
Zu den einzelnen "Ranglisten":
Länder mit den meisten (gemeldeten) COVID-19 Infizierten:
- USA 22.428.591
- Indien 10.495.147
- Brasilien 8.131.612
- Russische Föderation 3.471.053
- Vereinigtes Königreich 3.164.055
- Frankreich 2.760.259
- Italien 2.303.263
- Spanien 2.137.220
- Deutschland 1.953.426
- Kolumbien 1.801.903
- Argentinien 1.730.921
- Mexiko 1.541.633
Prozentsatz der Infizierten gemessen an der Einwohnerzahl (relative Infektionsraten):
- Andorra 11,48%
- Montenegro 8,65%
- Tschechien 8,09%
- San Marino 8,06%
- Luxemburg 7,75%
Europäische Länder (mit Ausnahme von Israel) mit der höchsten 7-Tage-Inzidenz (Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner):
- Gibraltar 2.109,7
- Irland 719,3
- Israel 678,9
- Tschechien 671.2
- Andorra 670,6
- Portugal 596,2
- Großbritannien 558,2
- Slowenien 521,8
- Montenegro 477,1
- San Marino 417
Länder mit den meisten Todesfällen:
- USA 388.533
- Brasilien 207.095
- Indien 151.727
- Mexiko 137.916
- Vereinigtes Königreich 86.163
Länder mit der höchsten Letalitätsrate (Prozentsatz der Toten gemessen an der Anzahl infizierter Personen):
- Jemen 29,00%
- Westsahara 10,00%
- Mexiko 8,68%
- Ecuador 6,72%
- Sudan 6,30%
- Syrien 6,09%
- Bolivien 5,93%
- Ägypten 5,63%
- Tschad 5,21%
- China 5,00%
Länder mit der höchsten Anzahl an Infizierten je 10.000 Einwohner:
- Andorra 998
- Luxemburg 734
- Montenegro 723
- San Marino 658
- Tschechien 622
- USA 557
- Belgien 555
- Bahrain 554
- Slowenien 547
- Georgien 546
- Armenien 533
- Panama 526
- Liechtenstein 520
- Qatar 502
- Schweiz 501
Ohne das Zahlenmaterial der WHO anzweifeln zu wollen, fällt bei dessen Durchsicht auf, dass Australien/Ozeanien überhaupt nicht sowie Afrika nur "am Rande" Eingang in diverse Statistiken gefunden hat. Teilweise muten auch die Zahlen aus Asien befremdlich an.
Bei Australien/Ozeanien ist das, nicht zuletzt geographisch bedingt, verständlich; Australien (25.720.000 Einwohner) meldete bislang 28.634 Infizierte und 909 Todesfälle; Neuseeland (5.060.00 Einwohner) gar nur 1872 COVID-19 Erkrankte sowie 25 daran verstorbene Personen; sozusagen zwei Inseln der Seligen.
Anders ist die Situation hingegen in Afrika zu beurteilen, das ca. 1.341.000.000 Menschen beheimatet. Auf dem gesamten Kontinent wurden bislang 2.210.137 Infizierte gemeldet. Demnach würde die relative Infektionsrate lediglich 0,165% betragen.
Fragwürdig sind dabei vor allem die vorliegenden Zahlen für die Republik Tansania (ca. 58.000.000 Einwohner) an: 509 gemeldete Infizierte, 21 Tote; demnach läge die relative Infektionsrate bei 0,00088%.
Über ansatzweise ähnliche diesbezügliche Infektionsraten verfügen, unter der Annahme der Richtigkeit der Angaben der WHO, China: 0,0068, Vietnam: 0,00156, Papa Neuguinea: 0,009 die Mongolei: 0,043 sowie Thailand: 0,0158. Ähnlich "performen" auch noch der Jemen: 0,0065, Liberia: 0,04 und die demokratische Republik Kongo: 0,02.
Dass die von der WHO für Afrika veröffentlichten Zahlen nicht der Tatsache entsprechen, könnte man schon daraus ableiten, dass Africa CDC (Africa Centres for Disease Control and Prevention mit Sitz in Addis Abeba, Äthiopien) am 14.01.2021 andere Zahlen bekannt gegeben hat; demnach beträgt z.B. die Gesamtzahl der Infizierten 3.176.784; das sind immerhin um ca. 30% mehr als von der WHO angenommen.
Wie hoch die Zahlen der Infizierten, Toten, die 7-Tages Inzidenzen etc. tatsächlich sind, kann seriös nicht gesagt werden. Das liegt auch daran, dass die Zahl der getesteten Personen noch immer extrem weit hinter den in Europa üblichen zurückliegt. Das liegt einerseits an den mit den Testungen verbundenen Kosten, andererseits auch daran, dass weite Teile Afrikas über keine entsprechende Infrastruktur verfügen und eine flächendeckende Versorgung mit Covid-19 Tests allein schon logistisch ausgeschlossen wäre.
Dafür, dass Afrika die Pandemie bislang dennoch ziemlich unbeschadet überstanden hat, gibt es dennoch mehrere, plausible, Gründe:
- Das durchschnittliche Alter der Bevölkerung in Afrika ist erheblich niedriger als beispielsweise in Europa; seit mehr als siebzig Jahren sind nur ca. 3% der Bevölkerung Afrikas älter als 65 (in Österreich z.B. gehören aktuell ca. 20% zu dieser Altersgruppe). Der Anteil der unter 20-jährigen beträgt in Österreich derzeit ca. 20%, in Afrika hingegen ca. 55%.
- Afrika startet - im Unterschied zu Europa - nicht "von vorne"; die Menschen sind für gefährliche Seuchen (Ebolafieber, Zikafieber, Lassa-Fieber, Masern Aids, Marburgfieber, Malaria etc.) seit Jahrzehnten sensibilisiert und daher auch erheblich besser vorbereitet.
- Ein weiterer Grund kann darin gesehen werden, dass in Afrika eine vergleichsweise schwach ausgeprägte transnationale Vernetzung von Verkehrswegen besteht und ein großer Teil der Bevölkerung seine Zeit überwiegend im Freien verbringt, wo die Ansteckungsgefahr erheblich geringer ist.
- Darüber hinaus haben viele Länder Afrikas bereits sehr früh einen "Lockdown" sowie restriktive Maßnahmen verhängt. So gab es beispielsweise in Nigeria bereits ab dem 07.03.2020 eine "Task-Force" zur Kontrolle von COVID-19. Ab dem 19.03.2020 haben die verschiedenen Bundesstaaten begonnen, nach und nach Schulen und Flughäfen zu schließen, Ein- und Ausreiseverbote zu verhängen und Ausgangssperren zu verordnen.
- Ein Grund wird zwar von niemandem genannt, liegt aber "auf der Hand". Von den 54 afrikanischen Staaten werden ca. 80% autokratisch regiert; in diesen Staaten wird politische Macht nahezu unkontrolliert ausgeübt, es bestehen kaum verfassungsrechtliche Beschränkungen. Dazu kommt, dass Polizei und Militär den Herrschenden "zur Verfügung stehen". In solchen politischen Strukturen fällt die Durchsetzung angeordneter Maßnahmen, z.B. im Zusammenhang mit einem "Lockdown", nicht allzu schwer. Es gibt mehr oder weniger keine Opposition; die Bevölkerung ist Widerstand weder gewohnt noch hätte ein solcher Aussicht auf Erfolg.
Chr. Brugger
16.01.2021