Brief an den Bundeskanzler
Lieber Sebastian!
Entweder du hast den Inhalt meines letzten, wirklich gut gemeinten, Briefes nicht gelesen (wovon ich jedoch nicht ausgehe) oder deine Spindoktoren haben dir davon abgeraten, meinen indirekten Aufforderungen nachzukommen.
Im Nachhinein ist es bekanntlich meist leichter, etwas besser zu wissen; so man das tatsächlich will und dazu auch in der Lage ist.
Gehen wir davon aus, dass du dazu bereit gewesen wärst, meinem, zugegeben kühnen Ansinnen, Folge zu leisten - was hätte sich für dich damit (zum Positiven) verändert? Welche Vorteile könntest du jetzt daraus ziehen?
Dazu fällt dir (wenigstens spontan) nichts ein? - Das stimmt mich durchaus nachdenklich, Basti. Entweder verkennst du mittlerweile ebenso die Realität, wie andere aus deiner Regierungsgilde, oder du hast in den letzten Monaten lediglich den, für dich erklingenden, Lobeshymnen lauschend, den nach und nach steigenden Unmut in den Stimmen deiner, sich mehr und mehr mehrenden, Kritiker überhört. Selbstverliebtheit gepaart mit übersteigertem, durch sehr wenig zu rechtfertigendem, Selbstbewusstsein ist nicht einmal politisch ein sehr guter Ratgeber.
Speichellecker/innen bieten zwar keinen Widerstand, bringen dich jedoch bestenfalls in Verlegenheit oder Erklärungsnotstand; Kritiker mögen hingegen unangenehm erscheinen, auf den zweiten Blick ist aber eine gegenteilige Meinung nützlicher, wenn nicht sogar hilfreicher, schärft sie doch den Blick auf das Wesentliche, lässt Schwächen deutlicher erscheinen, Fehler als solche rechtzeitig erkennen.
Was wären nun deine Vorteile? Mir fällt dazu, das unterscheidet uns beide grundlegend, schon Einiges ein: Die (historisch durchaus bedeutsame) Einheit Tirols wäre längst wiederhergestellt (Nord-, Süd- und Osttirol auch geografisch wieder eine einzige Fläche), St. Germain (in diesem Bereich) endgültig ebenso Geschichte wie der Pakt zwischen Hitler und Mussolini.
Bei unserem Flug nach Südtirol (zu Beginn des Unternehmens) wäre dir sehr schnell klar geworden, dass die beiden involvierten Regierungsmitglieder (Klaudia & Gernot) für das ihnen zugedachte Amt nicht taugen; Gernot hätte auf alles (u.a. auch auf die € 1.000.000,00 "Morgengabe" für den lieben Arno) vergessen und Klaudia alles (besser) gewusst: sie hätte uns beiden nie und nimmer eine C-130 Hercules zur Verfügung gestellt, sondern bestenfalls einen Sikorsky UH-60 Black Hawk.
Wäre die Vergesslichkeit vom "Finanzblümchen" noch mit einem (ungedeckten) Blankoscheck zu korrigieren gewesen, hätte die "klautannerische" Besserwisserei spätestens am Brenner zu einer Not-, wenn nicht gar Bruch-, Landung geführt; bargeld- und spritlos im Niemandsland - über eine solch schlechte Kommunikation (Klaudia mit sich selbst) hätte man wenigstens nicht diskutieren können. Diese Fauxpas wären uns zwar erspart geblieben, hingegen nicht das damit verbundene, bessere wie hilf- und lehrreiche Kennenlernen deiner beiden Parteimitglieder, deren erkennbar gewordene Nutz- wie Hilflosigkeit in den ihnen jeweils nur zufällig in den Schoß gefallenen Ämtern. Die beiden wären längst Legende - du aber ebenso (im positiv-triumphalen Sinn).
Entweder war meine Idee zu gewaltig oder dein Mut zu klein bzw. dein Kleinmut zu groß - Kurz: Anders kann ich mir dein als ignorant bzw. beratungsresistent zu bezeichnenden Nichthandeln nicht erklären.
Weitere Vorteile sind dir ebenfalls vorenthalten geblieben; einerseits würde uns (damit auch dir) das heurige, wenn auch COVID-19 bedingte, Kasperltheater rund um den Karawankentunnel weder schaden, noch imageschädigende Kritik aus dem In- wie Ausland die ohnedies angespannte Situation noch zusätzlich belasten; so hat der grüne Rudi den schwarzen, damit auch türkisen, Peter; der rote Peter (ja genau der Kaiser, an dem kein Weg vorbeiführt) hingegen einen weiteren (politischen) Joker im Ärmel.
Dieses Farbenwirrwarr hättest du dir jedenfalls mühe- und sorgenlos ersparen können - du aber wollest es ja scheinbar anders (ich bin mir jedenfalls sicher, dass du das längst bereust, ist doch davon auszugehen, dass der Hotspot im Carinthischen Sommer bis in den späten Herbst hinein ein leidiges Thema bleiben wird).
Andererseits, ja andererseits ... hättest du dich mit dem "Eintausch" von Kärnten, so nebenbei, auch der eben dort residierenden (Bundes-) Landkaisers entledigen können, damit neben HPD im Burgenland, der für längere Zeit sitzen bleiben wird (wenn auch auf einer Bank), den zweiten (noch vorhandenen), wenn auch bloß regionale Wirkung entfaltenden, sozialistischen Sympathieträger im Vorbeigehen verloren.
Dann hättest du, innenpolitisch betrachtet, im Kleinkindergarten der Eitelkeiten nur noch die, als Spaßbremse bekannte, Joy (schon rein namentlich ein Widerspruch in sich) als Spielgefährtin im Sandkasten vorgefunden. Du mit dem türkisen Metallbagger XXL gegen die rote Plastiksandschaufel der Pa.Re.Wa. - ein ungleiches Spielchen, dem das aleatorische Element von Beginn an fehlt. Sogar Caesar hätte, spätestens dann und nicht am Rubikon wartend, gewusst: "Alea iacta est".
... Häme, Ironie, Kuriositäten bringen dich jetzt, das weiß ich selbst, nicht weiter, Sebastian; vielleicht schadet es deinem Erwachsenwerden, dem Werdegang hin zu einer tatsächlich großen politischen Karriere, gar nicht, dass du (gleich einem trotzigen Kind) gut- wie wohlgemeinte Hinweise nicht allzu ernst zu nehmen scheinst. Es hilft dir allenfalls sogar dabei, deine innere Stimme etwas lauter werden zu lassen, damit du nicht laufend den eingangs erwähnten Spindoktoren zuhören musst, die dich allesamt nur das wissen lassen, wovon sie der Meinung sind, dass du das auch tatsächlich erfahren solltest, dich solcherart vom lästigen Alltag fernhalten, von mutigen Entscheidungen abhalten, dadurch bedingt dein gedeihliches Voranschreiten möglichst kurzhalten, dir dadurch Einhalt gebieten wollen.
Eines Tages wirst du erkennen, dass nicht sie es waren, die dir wohlgesonnen, sondern die Ersten sind, die dich fallen lassen, wenn die "Sonne" vom Himmel gefallen ist, der Schatten beginnt, sich breit zu machen. Dann, genau dann, wirst du allein sein, einsam und zerknirscht; aber dann, lieber Sebastian, dann ist es zu spät.
Also: Erinnere dich an den letzten Satz in meinem Brief von 01.05.2020 ("Deine einzige Aufgabe, die dir niemand abnehmen kann, ist daher: Mach dich auf die Suche nach fleißigen Menschen").
Von denen die nichts tun (außer sich für sich selbst zu interessieren, auf ihr Fortkommen zu achten), noch weniger (sofern das möglich ist) können, nur Zierde, auf Äußerlichkeiten bedacht sind, anhaltend Unheil oder Unruhe stiften, Brände mit Benzin zu löschen versuchen etc., hast du bereits mehr als erträglich viele um dich geschart.
Diese Schieflage (der Politik in der Nation) hat auch etwas Gutes: Schlimmer kann es kaum noch werden. Das ist zwar kein Trost, zumindest aber ein "positiver" Ansatz am Ende.
Chr. Brugger
28.08.2020