Breitbandausbau in Österreich – eine digitale Lüge?

13.05.2021

Schenkte man den Ausführungen von Bundeskanzler Sebastian Kurz und "Telekommunikationsministerin" Elisabeth Köstinger anlässlich einer Pressekonferenz am 21.04.2021 im technischen Museum Glauben, könnte man ruhigen Gewissens davon ausgehen, dass es um die Qualität der Internetverbindungen in Österreich bestens bestellt ist.

Von 1,4 Milliarden Euro an neuen Mitteln ist die Rede, einem Digitalisierungsschub, der "in unserem Land" bereits stattgefunden hätte; dies sei künftig für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes ausschlaggebend. Beim 5G-Ausbau nähme man bereits jetzt eine "Vorreiterrolle" ein, wolle diese noch weiter ausbauen - ebenso wie die digitale Infrastruktur, meint Kanzler Kurz.

Köstinger zündet gar den "Breitbandturbo", spricht ebenso von 1,4 Milliarden Euro an öffentlichem Geld (davon allerdings 891 Millionen Euro aus dem Resilienz-Fonds der EU und 389 Millionen Euro als (zweckgebundener) Erlös aus den 5G-Auktionen). Ländliche, "benachteiligte" Gebiete würden bevorzugt bedient, um eine flächendeckende Versorgung gewährleisten zu können; der Ausbau der Breitbandversorgung sei eine der wichtigsten Aufgaben der Bundesregierung, so die "Telekommunikationsministerin". Die 5G-Auktionen seien sehr erfolgreich verlaufen, die Versorgungsauflagen würden sicherstellen, dass nur ein kleiner Teil des Breitbandausbaus im urbanen Bereich stattfinden werde.

Sieht man sich allerdings Indizes zum Internetqualität, wie beispielsweise den "Inclusive Internet Index" (https:// theinclusiveinternet.eiu.com/explore/countries/performance) an, muss man feststellen, dass sich Österreich im "Niemandsland" befindet und von einer "Vorreiterrolle" nur insofern die Rede sein kann, als man Vorreiter beim Nachholbedürftigen ist.

Kurz & Köstinger müssten ja nur im ministeriellen "Breitbandatlas" (https:// www.bmlrt.gv.at/telekommunikation-post/breitband/breitbandatlas.html) nachsehen, um feststellen zu können, welchen Unsinn sie allen Zuhörern bei der Pressekonferenz am 21.04.2021 erzählt haben.

Wie es um die "Breitbandausbaukultur" in Österreich tatsächlich bestellt ist, erhellt bereits aus dem (Zwischen-) Bericht des Rechnungshofes - Österreichische Breitbandstrategie 2020 (Breitbandmilliarde) vom September 2018. Vergleicht man die Ziele der Bundesregierung in der "Breitbandstrategie 2020" ("Fahrplan auf dem Weg zur Spitze") mit dem jetzigen Zustand, kann man problemlos feststellen, dass kein einziges der Ziele erreicht werden konnte.

Sehr anschaulich fasst dieses Thema beispielsweise Markus Sulzbacher im Standard vom 25.08.2020 ("Weiter Warten auf schnelles Internet: Breitbandstrategie 2020 gescheitert") zusammen - die Quintessenz kann man ja bereits im Titel zum Artikel lesen.

Wenn, so wie Köstinger das formuliert, "der Ausbau der Breitbandversorgung eine der wichtigsten Aufgaben der Bundesregierung sei", dann stellen sich in diesem Zusammenhang schon einige Fragen, wobei eine schon beantwortet wurde:

Warum sagen Kurz und Köstinger anlässlich einer Pressekonferenz zum Thema "Breitbandausbau" nicht die Wahrheit?

Warum behängt bei der Europäischen Kommission gegen Österreich ein weiteres (neben 25 anderen) Vertragsverletzungsverfahren (INFR(2021)0002 "active infringment case"), weil Österreich seiner Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/1972 des europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation - Neufassung (Art. 124 - Umsetzung) noch immer nicht nachgekommen? Im Sinne von Art. 124(1) hätte Köstinger Folgendes (gewähr-) leisten müssen: "Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen bis zum 21. Dezember 2020 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit. L 321/188 DE Amtsblatt der Europäischen Union 17.12.2018. Die Mitgliedstaaten wenden diese Vorschriften ab dem 21. Dezember 2020 an."

Ein zeitgemäßes, EU-konformes, Telekommunikationsgesetz wäre ja, so möchte man meinen, die Grundvoraussetzung für jedwede "Breitbandausbau-Strategie" und die Festlegung weiterer, erfolgversprechender, Vorgangsweisen. Köstinger rechtfertigt die "Verzögerung" (ohne das Vertragsverletzungsverfahren auch nur mit einem Satz zu erwähnen) damit, dass 120 Stellungnahmen zum Ministerialentwurf (82/ME XXVII. GP - Ministerialentwurf - Gesetzestext) eingelangt seien, die es in den Entwurf zu implementieren gelte. Unerwähnt bleibt auch, dass sich der Ministerialentwurf seit Anfang Februar, vermutlich zur weiteren Bearbeitung, in ihrem eigenen Ministerium befindet, seiner "Adaptierung" harrt.

Wenn der mickrige Erlös aus den 5G-Auktionen der vergangenen Jahre damit gerechtfertigt wird, dass sich die "Bestbieter" (A1 Telekom Austria AG, Hutchinson Drei Austria GmbH, T-Mobile Austria GmbH) zu umfangreichen Ausbau- bzw. Versorgungsleistungen bzw. zu 500 Millionen Euro an Infrastrukturinvestitionen verpflichten mussten, stellt sich, konsequenterweise, folgende Frage: Warum und, vor allem, wozu müssen dann staatlicherseits 1,4 Milliarden Euro für den "Breitbandausbau" in die Hand genommen werden? Die Antwort auf diese Frage ist Köstinger bislang schuldig geblieben; vielleicht bzw. vermutlich findet sich ein Teil der Antwort auch in der von Sulzbacher mit "Rosinenpickerei" umschriebenen "Bestbieterstrategie", lukrative bzw. vorteilhafte, meist urbane, Gebiete gezielt und selektiv gegenüber dem wesentlich schwieriger, nur mit erheblich mehr finanziellen Mitteln, durchzuführenden Breitbandausbau im ländlichen Bereich den Vorrang einzuräumen.

Vielleicht hat man sich aber, ganz einfach, bei den Ausschreibungen im Zusammenhang mit den 5G-Vergaben ganz einfach verpokert oder verspekuliert.

Es wird sich in den nächsten Jahren zeigen, wie ernst es Köstinger (so sie noch im Amt sein sollte) mit dem flächendeckenden Breitbandbau im ländlichen Bereich tatsächlich gemeint hat; von "Breitbandausbau" kann in vielen idyllisch-provinziellen Gegenden, zumindest momentan, noch gar nicht die Rede sein.

Klar ist aber, dass man, wer immer zuständig sein möge, ab sofort und laufend die Bereitschaft der Mobilfunkgiganten kontrolliert, inwieweit der ausschreibungsrelevanten und preisbildenden Versorgungsverpflichtung, speziell im ländlichen Raum, entsprochen wird. Bislang ist davon jedenfalls nichts zu sehen. "5G am Land"? - Eine reine Illusion, obwohl man unter https://www.rtr.at/TKP/startseite.de.html noch immer(!) lesen kann: "5G bringt Breitband für alle"; "spätestens Ende 2030" - das bleib allerdings unerwähnt.

Und, zum Ende hin: Wenn Köstinger den Ibiza-Untersuchungsausschuss in "Tante Lisis Plauderstunde" (Pressestunde vom 09.05.2021) mit der Löwinger Bühne vergleicht, dann kann man die Pressekonferenz von Kurz & Köstinger am 21.04.2021 ruhigen Gewissens als Episode à la "Kasperl & Strolchi" bezeichnen, oder, wahlweise, auch als rundum peinliches, unprofessionelles, inkompetentes wie sonderbares "Bauerntheater".


Chr. Brugger

13.05.2021