Blümel, Nehammer & Co - ein Freispruch für alle
Rücktrittsforderungen im Tagestakt, inflationäre Misstrauensanträge, Ministeranklagen, Vorwürfe, Beschimpfungen ... mit all dem sind seit geraumer Zeit Innen- und Finanzminister aber auch die Wirtschafts- und Verteidigungsministerin konfrontiert. Die eine habe Steuergeld bei den Fenstern des Kaufhauses Österreich hinausgeworfen, die andere das Militär nicht im Griff, die maroden Abfangjäger immer noch am Hals, obwohl man seit Monaten mit potenziellen, hoch seriösen Käufern wie Indonesien verhandelt.
Nehammer wird sogar vorgeworfen, für die Folgen des Terroranschlages vom 02.11.2020 verantwortlich sein, nur weil sein marodes BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) nicht in der Lage oder willens war, den Anschlag an sich zu verhindern. Daneben wird ihm auch noch vorgeworfen, die Abschiebung von ein paar, in Österreich geborenen, Kindern nicht verhindert zu haben, den Flüchtlingen auf der griechischen Insel Lesbos (im Lager Moria) nicht ausreichend zu helfen und, zu guten Letzt, auch bei der Kontrolle von Verstößen gegen COVID-19 Maßnahmen nicht konsequent genug vorzugehen.
Am schlimmsten von allen ergeht es derzeit unserem Finanzminister Gernot Blümel; unfähig für das Amt, überfordert mit seinen Aufgaben. Dazu habe er auch im Ibiza-Untersuchungsausschuss nicht die Wahrheit gesagt und seiner Partei (ÖVP) illegale Spendengelder von einem heimischen Glücksspielunternehmen zukommen lassen, für dessen Kontrolle er verantwortlich sei.
Eigentlich können einem diese Politiker nur leidtun. Warum tun sie sich das nur an, wenn sie doch, ob ihrer kaum in Worte fassbaren Fähigkeiten, für nahezu jeden Posten außerhalb des schnöden wie tristen Politwesens ausnahmslos überqualifiziert wären.
Es ist schon ein starkes Stück, wie Oppositionsparteien, Medien aber auch einzelne andere Menschen mit unseren obersten Exekutivorganen umgehen. Man könnte gar den Eindruck gewinnen, in unserer durchaus populären Bundesregierung säßen nur noch Versager, Dummköpfe, jedenfalls nicht eine Auswahl der Besten, die Crème de la Crème sozusagen.
Der eigentliche Wahnsinn an diesem Spießrutenlauf, dem Blümel & Co tagtäglich ausgeliefert sind, ist jedoch, dass am Ende dieser Befundung Bundeskanzler und Bundespräsident insofern mitverantwortlich sind, als der eine sie vorgeschlagen, der andere sie, auf Geheiß des anderen, ernannt hat.
Zur Verteidigung ist nunmehr Folgendes vorzubringen:
Klaudia Tanner kann absolut gar nichts dafür, dass sie immer noch auf den flügellahmen und nicht minder teuren Abfangjägern sitzen muss; wie soll sie sich in eine Materie einarbeiten, mit der sie bislang nichts zu tun hatte, sich in einer von Männern dominierten Struktur zurechtfinden oder durchsetzen, wenn sie sich anhaltend an Nebenfronten verteidigen muss. Wie kann man ihr vorwerfen, ihr Umgangston sei zu rüde, undiplomatisch und manchmal missverständlich - das ist eben die Sprache beim Militär und keinesfalls ihrer sonst so sonnigen Persönlichkeit geschuldet.
Wenn Soldaten die Kontrollen der Ausreisebestimmungen aus Tirol nicht beachten, Zugfahrende auch ohne negatives COVID-19 Attest aus- oder durchreisen lassen, dann kann man das nicht der Verteidigungsministerin im fernen Wien zur Last legen oder vorwerfen. Soll sie selbst in den Zug steigen und mit Sturmgewehr bewaffnet illegal Reisende in die Quarantäne begleiten, an die Kandare nehmen oder gar verhaften? Das wäre weder eine praktikable Lösung, noch zumutbar; zudem benötigt man ihre umfassende Expertise vor Ort, in Wien.
Außerdem ist sie laufend knapp bei Kasse, kann folglich nicht nach freiem Willen schalten, walten und einkaufen wo, wann und vor allem was sie will. Sie muss ohnedies jeden Cent zweimal umdrehen, ehe sie ihn am Markt ausgeben kann.
Im Übrigen hat sie das Amt, die damit einhergehenden, verbundenen Probleme nur von ihren Vorgängern im Amt übernommen, gleichsam vererbt bekommen. Ich bin mir sicher: Hätte Klaudia Tanner gewusst, was auf sie zukommt, das Verteidigungsministerium hätte jemand anderer übernehmen müssen und sie wäre lieber der niederösterreichischen Landwirtschaft verbunden geblieben.
Außerdem kann Tanner durchaus auch einige Positiva für sich reklamieren: Sie ist die erste Frau an der Spitze des Bundesministeriums für Landesverteidigung in der Geschichte Österreichs und hat die erste Teilmobilmachung der Miliz in der Historie der Zweiten Republik veranlasst. Insofern hat Tanner in ihrem ersten Jahr als Verteidigungsministerin etwas zuwege gebracht, woran alle ihre Vorgänger kläglich gescheitert sind. Wenn das nicht Beweis genug ist, dass Tanner für das ihr zugedachte Amt bestens geeignet ist, dann weiß ich nicht, was sie sonst noch unternehmen könnte, um die Schar ihrer unzähligen Kritiker zu besänftigen, besser noch zum Schweigen zu bringen.
Mit einem vollkommen abstrusen Vorwurf muss sich seit ein paar Wochen unsere Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Margarete Schramböck, auseinandersetzen.
Es wird ihr vorgehalten, das von ihr initiierte und zu verantwortende Projekt "Kaufhaus Österreich" sein zwar sehr teuer gewesen, dafür aber ein Flop.
Das ist eine grenzenlose Frechheit: "kaufhaus-oesterreich.at bietet regional-digitalen Schaufensterbummel" darf man auf der Homepage des Bundesministeriums lesen. Allein daraus ist schon erkennbar, wie gut es Schramböck mit der österreichischen Bevölkerung meint. Wenn man COVID-19 bedingt vor geschlossenen Geschäften steht, kann man in Margaretes Kaufhaus digital bummeln - also schon im Ansatz eine Königsidee und kein Flop; einkaufen 24/7, shoppen bis zum Abwinken.
"Kauf regional, das geht auch digital' lautet die Devise, damit die Kaufkraft auch beim Online-Shoppen im Land bleibt. Damit unterstützen wir die österreichischen Betriebe, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - und sichern den Wirtschaftsstandort langfristig ab. Ebenso wichtig ist der Effekt auf unsere IT-Berater und die Kreativbranche als unterstützende Dienstleister. Vom Kaufhaus Österreich kann daher gleichzeitig auch ein wichtiger Innovationsimpuls ausgehen", sagt WKÖ-Präsident Harald Mahrer.
Wenn es der Präsident der österreichischen Wirtschaftskammer nicht weiß, wer dann? Er ist immerhin der Leiter einer Körperschaft, die die Interessen von Fachorganisationen, Branchen und sogar Sparten vertritt. Ein solcher Hochkaräter kann sich nicht irren, womit automatisch auch Schramböck über jeden Zweifel erhaben sein muss.
Außerdem haben Präsident Mahrer und Schramböck, sozusagen als kostenlose Zugabe, sehr medienwirksam eine eigene Charta unterzeichnet - ein Qualitätsnachweis von ganz besonderer Güte.
Dass das Ganze auch etwas kosten darf, ist doch selbstverständlich. Wenn nun das "Käseblatt" "Der Standard" dahinfaselt, Experten verträten die Meinung, "Studenten hätten das für wenige Tausend Euro besser gemacht", mag man, absolut gesehen, Recht haben; es bleibt bei dieser eingetrübten Sicht der Dinge aber scheinbar eine bedeutsame Maxime des österreichisch-politischen Wirtschaftsdenkens unberücksichtigt: "Was nichts kostet, ist nichts wert".
Damit ist alles gesagt - quod erat demonstrandum.
Ganz schlimm hat es unseren Finanzminister erwischt. Man stelle sich vor, es klingelt um 08.00 Uhr morgens an der Wohnungstür und nicht ein Mitarbeiter von der Österreichischen Post AG, der Rauchfangkehrer oder eine lästige Nachbarin, der im eigenen Haushalt ein paar Eier fehlen, sondern die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft steht vor der Tür.
Ich stelle mir das, in meinem Haushalt, lebhaft vor: Meine Freundin hat endlich Zeit für mich bzw. ich für sie; gemütlich im Bett, der letzte Sex liegt mehr als neun ½ Stunden zurück - Ekstase, Entspannung, der frischer Kaffee tröpfelt aus der sündteuren Maschine; Gezwitscher von Vögeln dringt durch die offene Terrassentüre ... und dann das, was unserem Gernot widerfahren ist. Das abrupte Ende aller Freuden, ein Coitus interruptus der eigenen, eine Frechheit der besonderen Art. Ich würde mir das auch nicht gefallen lassen, mich zur Wehr setzen. Warum soll ich mich für etwas unterbrechen lassen, was ich nachweislich nicht getan habe. Mit etwas Fingerspitzengefühl hätte man die Hausdurchsuchung auch ½ Stunde später durchführen können - und alles wäre nur halb so schlimm gewesen. So aber war die WKStA zur falschen Zeit am falschen Ort.
An Eides statt hätte Blümel jederzeit erklären können, dass er unschuldig sei, sich die WKStA am Holzweg befindet. Eine solche Erklärung hätte er sicher, nötigenfalls blanko, immer bei sich gehabt. Wozu dieser immense Aufwand, das mediale Geheul, die hämisch-dämlichen Aussagen der politischen Mitbewerber? Ein Mann vom Range Blümels hat so etwas doch nicht nötig.
Summa summarum: Alles wird sich im Wohlgefallen auflösen, alles wird sich lückenlos und wie von selbst auflösen, alles wird gut.
Außerdem: Was der Rechnungshof nicht findet, gibt es nicht - aus, Schluss, basta, eidesstattliche Erklärung ...
Was bleibt, ist ein (durchaus akzeptabler) Märtyrerstatus, die Kratzer im Imagelack kann man auspolieren, den unterbrochenen Coitus kann man nachholen bzw. fortsetzen - vorausgesetzt, man wird nicht wieder gestört. Schwamm drüber - jeder kann und darf sich irren, nur lügen darf er nicht.
Zu guter Letzt aber last but not least: Karli N.
Aus einem ganz besonders harten Holz muss unser Innenminister geschnitzt sein; oder, wie Philipp Poisel des Öfteren singt, "Wie soll ein Mensch das ertragen"?
Wofür Nehammer verantwortlich sein soll, ist schier unglaublich: Für den Terroranschlag vom 02.11.2020, die damit verbundenen Folgen, den Zustand des BVT, die Abschiebung von Kindern aus Österreich, die mangelnde Bereitschaft des Volkes zur Einhaltung der COVID-19 Beschränkungen, der mangelhaften Kontrolle der mit diesen verbundenen Konsequenzen ...
Den Zustand des BVT hat Nehammer zweifelsfrei von seinen Vorgängern an der Spitze des Innenministeriums übernommen, Reformen längst eingeleitet, wenn diese auch noch zu keinem sinnvollen Ergebnis geführt haben. Dafür ist aber in erster Linie die vom Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit angeführte Reformkommission und nicht er selbst zuständig.
Was soll man Nehammer vorwerfen, wenn das BVT bzw. die Landespolizeidirektion Wien nicht das tut, was ihrem gesetzlichen Auftrag entspricht und er von all dem nichts weiß, wissen konnte, wissen musste?
Ignorantia legis non excusat galt schon für die alten Römer; der Rechtsgrundsatz, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt, ist zwar auch in Österreich noch immer Teil der Rechtsordnung (§ 2 ABGB); dieses Argument entbehrt aber im Falle Nehammers jedweder Grundlage: Fehlende, mangelhafte oder falsche Informationen werden nicht kundgemacht - für Nehammer ist daher ein ganz anderer "Rechtsgrundsatz" als Maßstab heranzuziehen: "Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß".
Wenn man ihn, den Chef der Exekutive, nicht informiert, kann er nicht reagieren, nur akzeptieren. Wo er Kenntnis hat, greift er ohnedies durch: Wenn die Eltern Asyl missbrauchen, haben dafür die Kinder einzustehen; ab in die Heimat, wenn sie diese, ebenso wie die Sprache, die dort gesprochen wird, nicht kennen bzw. können. Humanitäres Bleiberecht: niemals - Härtefall: niemals - auch in Armenien und Georgien scheint die Sonne, auch dort kann man zur Schule gehen, Freunde finden und sich gut entwickeln.
Ob das BP Van der Bellen glauben kann oder nicht, spielt keine Rolle. Gesetz ist Gesetz, folglich Exekution auch Exekution. Koste es, was es wolle, wenn auch ein noch schlechteres Image.
Man nehme justament keine Kinder aus dem Lager Moria auf Lesbos auf. Wozu auch? Nehammer selbst hat Decken und Zelte nach Athen gebracht, damit ausreichend humanitäre Hilfe geleistet. Dass die Griechen nicht in der Lage sind, Nehammers Geschenke zu verteilen, dafür kann man unseren Innenminister nicht verantwortlich machen. Außerdem: Wenn man einmal jemanden aufnimmt, wird das auch künftig erwartet - wo kämen wir denn da hin? Ausländer haben wir bereits jetzt genug und Kinder? Erstens müssten wir sie versorgen, zweitens müssten wir sie erziehen, weil sie ja ohne Eltern einreisen würden; drittens würden wir Gefahr laufen, dass sie, einmal integriert und unseren Lebensstandard gewohnt, nicht mehr ausreisen.
Die fehlende Kontrolle der fehlenden Kontrolle durch die Exekutivbeamten bzw. die ausbleibende Bestrafung liegt ja auch nicht im Verantwortungsbereich des Ministers. Soll er selbst kontrollieren und Strafzettel schreiben? Mehr als angesagte Demonstrationen zu untersagen, kann er doch nicht. Wenn dann trotzdem demonstriert wird, ist das, gelinde gesagt, eine bodenlose Sauerei. Wenn er etwas verbietet, ist Folge zu leisten und nicht der Gehorsam zu verweigern - wir leben doch in einem Rechtsstaat.
Damit ist auch Nehammer, wie alle anderen, frei von jeglicher Verantwortung oder Schuld.
Außerdem wird immer auf ein ganz besonderes, demokratiepolitisch relevantes, Argument, eine Tatsache, vergessen: Die Bundesregierung Kurz II ist durch den Wähler, das Volk sohin, legitimiert. Bereits der savoyische Staatsmann, Schriftsteller und politische Philosoph Josef Marie, Comte de Maistre, wusste: "Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient". Insofern müssen wir uns über den Zustand der derzeitigen Bundesregierung, deren Zusammensetzung und die Performance einzelner Mitglieder, keine großen Gedanken machen. Sie handeln im Sinne unseres (Wahl-) Auftrages, darüber hinaus haben wir sie, folgt man dem Comte de Maistre, auch verdient.
Ganz ähnlich hat das übrigens auch der zweifache Nobelpreisträger George Bernard Shaw betrachtet: "Die Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, dass wir nicht besser regiert werden als wir es verdienen".
Also, im Sinne von Toni Childs: When All is said and done - es ist alles gesagt, nichts mehr zu tun. Mang möge unsere Bundesregierung, deren einzelne Mitglieder, in Ruhe tun und werken lassen. Der politischen Konkurrenz sei ein Zitat aus dem Evangelium des Johannes (Kapitel 8, Vers 7) ins Stammbuch geschrieben: "Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie."
Alles wäre daher gut, gäbe es, was zu erwarten war, nicht einen kleinen Haken. Was ist, wenn all das Geschriebene nicht stimmte; dann wären die letzten Seiten vollkommen umsonst gewesen. Wenn man das Ganze von der anderen Seite aus betrachtet, aus der Ecke der Realität, dann könnte man durchaus dem Eindruck erliegen, es sei nicht so, wie es scheint.
Möglicherweise hat sogar der Philosoph und Historiker Friedrich Schiller in seinem Demetrius Recht, wenn er zur Demokratie folgendes diagnostiziert (Schiller war immerhin auch Arzt): "Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn. Verstand ist stets bei wenigen nur gewesen. Bekümmert sich ums Ganze, wer nichts hat? Hat der Bettler eine Freiheit, eine Wahl? Er muß dem Mächtigen, der ihn bezahlt, um Brot und Stiefel seine Stimm' verkaufen. Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen. Der Staat muß untergehn, früh oder spät, wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet."
Das hieße ja, im Umkehrschluss, dass die Mehrheit "blödinnig" wäre, die Regierungsmitglieder keinen Verstand hätten, denklogisch "Unverstand entscheidet". Kein allzu erfreulicher, allenfalls aber zutreffender Befund. Mit einem einzigen Absatz wäre die demokratische Grundlage in Frage gestellt, der Regierung die Basis entzogen, Kurz II geradezu entzaubert.
Als philosophische Grundlage könnte Schiller der römische Philosoph und Politiker Lucius Annaeus Seneca gedient haben. Dieser schreibt in seinem "Vom glücklichen Leben", "die Menge steht der Vernunft als Verteidiger ihres eigenen Verderbens feindlich gegenüber. Und so ist es dann wie in den Wahlversammlungen, wo sich dieselben Leute, die ihn doch mitgewählt haben, darüber wundern, dass einer Prätor geworden ist. Ein und dasselbe wird gebilligt und getadelt - das ist das Resultat jeder Entscheidung, bei der nach der Mehrheit entschieden wird." (...) "Es steht mit der Sache der Menschheit nicht so gut, dass der Mehrzahl das Bessere gefällt. Ein großer Menschenhaufen ist Beweis für das Schlechteste".
Außerdem sollten Kurz & Co daran denken, dass die Minister Nehammer und Blümel ihr derzeitiges Ministerdasein ausschließlich dem Wohlwollen des grünen Koalitionspartners zu verdanken haben. Offensichtlich kennt der "grüne Clubzwang" das Werk des Seneca bzw. die zuvor zitierten Passagen nicht. Rational ließe sich ansonsten das Verhalten der grünen Abgeordneten im Nationalrat nicht mehr erklären. Das ist letztlich zwar die politische Realität; es ist aber nur sehr schwer nachvollziehbar, dass die Obfrau des grünen Parlamentsklubs auf der einen Seite die ÖVP dermaßen scharf kritisiert, ihr andererseits aber weiterhin willfährig und subaltern zur Seite steht. Entweder ist dieses, beinahe schizophren anmutende, Verhalten einer vollkommenen Nibelungentreue zu verdanken, oder erstes bzw. bereits zweites Anzeichen für ein Überbordwerfen grüner Grundprinzipien und dem Erliegen einer recht eigenwilligen, türkis eingefärbten, Herrschsucht.
Politische Realität ist jedenfalls auch, dass es am Ende der türkis-grünen Koalition, das durchaus bereits absehbar ist, einen großen Verlierer geben wird - und der werden mit Sicherheit die Grünen sein.
Insofern haben Kurz & Co wenig zu befürchten; hält die Koalition, können Blümel, Nehammer und Kolleginnen weiterhin tun, was sie (für ihre Partei) für gut und nützlich halten; hält sie nicht, wird es Neuwahlen geben, aus denen die ÖVP mit Sicherheit als stimmenstärkste Partei hervorgehen wird - damit ist, zumindest in Österreich, der präsidiale Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung verbunden. Türkis grün wird dann ebenso nicht möglich sein wie türkis blau; dann wird es eben türkis rot; ändern wird sich nichts, denn auch die SPÖ wird dem Charme des unbedingten mitregieren Wollens erliegen - wie lange und zu welchem Preis wird man dann ja sehen - auch das ist die Realität.
Chr. Brugger
17.02.2021