Asyl- und Migrationspolitik

18.10.2024

Immer dann, wenn Karl Nehammer etwas von Brüssel aus "ausrichtet", ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er wieder einmal nichts erreicht haben und sprichwörtlich mit "leeren Händen" zurückkommen wird.

Auch gestern hat sich der sichtlich angeschlagene Verwaltungsmitarbeiter aus der belgischen Hauptstadt zu Wort gemeldet; er begrüße vor allem den "Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik" und, "es ginge in die richtige Richtung": "Es geht in Wahrheit darum, dass man den Menschen in den jeweiligen Mitgliedstaaten, den Bürgerinnen und Bürgern der EU, zeigt, dass wir handlungsfähig sind, das wir das Problem ernst nehmen, das die Ordnungsmacht der Demokratie auch tatsächlich funktioniert."

Quelle: https://www.eurotopics.net/de/327569/rededuell-zwischen-von-der-leyen-und-orban

Die EU ist aber weder handlungsfähig, noch nimmt sie das Problem ernst; die "Ordnungsmacht der Demokratie" ist ohnmächtig wie nie zuvor.

Wüsste man es nicht besser, vor allem aber, dass die Europäische Union seit dem Jahr 2008(!), wenn es z.B. um die Abschiebung der illegal in den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU befindlichen Drittstaatsangehörigen geht, völlig versagt hat, könnte man Nehammer zumindest den guten Willen nicht absprechen; die Situation ist aber eine gänzlich andere – und Nehammer (welch Wunder) versteht sie scheinbar immer noch nicht.

  • Mit der Richtlinie 2008/115/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedsstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger hat sich die Europäische Union nicht nur einen Bärendienst erwiesen, sondern vielmehr dafür gesorgt, dass illegal im Hoheitsbereich der EU befindliche Drittstaatsangehörige de facto kaum noch abgeschoben werden können
  • In dieser RL wird illegal aufhältigen Personen u.a. mehr Rechtsschutz gewährt als den Europäern selbst
  • In Ermangelung entsprechender Rückführungsabkommen mit den jeweiligen Drittstaaten scheitert eine Abschiebung in den meisten Fällen schon an dieser Grundvoraussetzung
  • Die Aufenthaltsorte der meisten illegal im Land befindlichen Personen sind den Behörden gar nicht bekannt
  • Durch diverse Entscheidung des EuGH (u.a. EuGH, 05.02.1963, 26/62; EuGH, 09.03.1978, 106/77) steht seit Jahrzehnten unbestritten und unwiderruflich fest, dass die Mitgliedsstatten (vor ihrem Beitritt zur EU) ihren Rechtsgestaltungsspielraum massiv einschränken müssen und den übergeordneten Normen der EU anzupassen haben – im Umkehrschluss bedeutet das, dass Österreich, ohne dabei EU-Recht zu verletzen, gar keine rigoroseren Abschiebemaßnahmen beschließen könnte; täte Österreich das, wären die entsprechenden Regelungen gar nicht anwendbar bzw. gegenüber illegal im Land Befindlichen rechtsunwirksam; so sind wir, ob wir das wahrhaben wollen oder nicht, auf Gedeih & Verderb der "lahmarschig verbürokratisierten" EU ausgeliefert
  • Am 21.09.2023 hat der EuGH (C-444/17) entschieden, "dass die Rückführungsrichtlinie auf jeden Drittstaatsangehörigen Anwendung findet, der in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eingereist ist, ohne die Voraussetzungen für die Einreise oder den dortigen Aufenthalt zu erfüllen. Dies gilt auch dann, wenn der Betroffene in das betreffende Hoheitsgebiet bereits vor dem Überschreiten einer Grenzübergangsstelle, an der solche Kontrollen stattfinden, eingereist ist"
  • Seit 04.10.2024 (EuGH, C-608/22 u. C-609/22) steht zudem fest, dass alle(!) afghanischen Frauen einen Rechtsanspruch auf Asyl in der EU haben

Quelle: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/milliarden-fuer-polen-misst-die-eu-die-regierung-tusk-mit-anderem-mass-19554489.html

In Summe ist daher festzustellen, dass Nehammer in Brüssel bislang noch nie etwas erreicht hat, dafür aber in Österreich groß "daherredet", obwohl man in der letzten Legislaturperiode absolut nichts vom dem umgesetzt hat, was im Regierungsprogramm versprochen wurde; was bleibt, ist ein völliges Versagen in den Bereichen Asyl, Migration & Integration.

Jetzt von einem "Paradigmenwechsel" zu sprechen ist zynisch und verhöhnt all jene, die (aus unerfindlichen Gründen) darauf vertraut haben, dass etwas zum Besseren verändert wird; allein, sie wurden allesamt enttäuscht; das dürfte mit ein Grund dafür sein, dass Nehammers ÖVP bei jeder Wahl verliert und abgestraft wird.

Spätestens mit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 hätte man reagieren und auf europäischer Ebene adäquat wie konsequent handeln müssen; die von Angela Merkel geprägte "Willkommenskultur" hat letztlich, im Verbund mit der Unfähigkeit aller anderen Protagonisten dazu geführt, dass Nehammer & Co vor dem Scherbenhaufen ihrer morbiden Asyl- und Migrationspolitik kapitulieren müssen; die Europäische Union ist weder "Herrin ihrer Sinne" noch in der Lage, das Problem auch nur ansatzweise und zeitnah in den Griff zu bekommen; Österreich hingegen bleibt notabene nichts anderes übrig, als in den heuchlerischen Kanon derjenigen einzustimmen, die laufend nur Besserung geloben aber nichts dafür tun.

Quelle: https://www.cicero.de/innenpolitik/die-rueckkehr-der-rechten-europa-steckt-in-einer-identitaetskrise

Zur "Ehrenrettung" Nehammers muss man aber auch sagen, dass er selbst nicht den geringsten Einfluss darauf hat, was getan oder unterlassen wird; er ist in Brüssel weder ein "Big Player" noch jemand, dessen Wort etwas zählte; auf europäischer Ebene wird er bestenfalls durch seine Anwesenheit wahrgenommen.

Lustig wird es auch sein sich anzusehen, was unser "Finanzgenie" Magnus B. als Kommissar für Migration zustande bringen wird; wenn er in diesem Bereich etwas Ähnliches hinterlässt wie in Österreich beim Budget, dann müssen wir mit dem Allerschlimmsten rechnen.

Chr. Brugger

18/10/2024